25 Jahre Dungeon Keeper: So entstand es, darum ist eine Fortsetzung ausgeschlossen
Trotz chaotischer Entwicklung wurde es am Ende richtig böse: Mit Dungeon Keeper erschufen Peter Molyneux und Bullfrog Productions eines der ungewöhnlichsten Strategiespiele aller Zeiten. Wir blicken zurück auf die bewegte Geschichte der Kerker-Simulation.
Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Autor Olaf Bleich, Benedikt Plass-Flessenkämper und Redaktionsleiter Lukas Schmid
Die 1990er-Jahre waren das Jahrzehnt der großen Innovationen: Dank Doom, Duke Nukem 3D und Quake schossen Ego-Shooter wie Unkraut aus dem Boden. Command & Conquer und Warcraft befeuerten indes die Echtzeitstrategie. Bei den herrschte Spieleentwicklern herrschte Aufbruchsstimmung und auch der Mut, komplett neue Wege zu gehen. In dieser Zeit erschien auch Bullfrogs Kerkermeister Dungeon Keeper. Bis heute erinnern sich viele Fans an die ungewöhnliche Strategiesimulation aus der Feder des britischen Studios Bullfrog Productions.
Das Spieldesign, der bitterböse Humor oder einfach die Option, seine eigenen Untergebenen mit der virtuellen Dämonenhand zu ohrfeigen, sind nur einige Punkte, die bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Was aber viele nicht wissen: Die Entwicklung von Dungeon Keeper hätte kaum chaotischer ausfallen können. Zeitweise wurde das Spiel sogar im Privathaus von Kreativkopf Peter Molyneux fertigstellt. Zum 25-jährigen Jubiläum des Klassikers blicken wir noch einmal zurück auf die kuriose Entstehungsgeschichte eines ebenso kuriosen Spiels. Ab in den Kerker!
Bullfrog Productions und Electronic Arts
Bullfrog Productions gehörte Anfang der 90er zu den Rockstars der Spieleentwickler-Szene. Gegründet 1987 von Peter Molyneux und Les Edgar, erarbeitete sich das kleine Team rasant einen guten Ruf für innovative Produkte. Bereits das dritte Spiel der Briten eroberte den Massenmarkt: Populous.
Das 1989 veröffentlichte Strategiespiel begründete das Genre der «Götter-Simulationen» und verkaufte sich bis heute über vier Millionen Mal. Es wurde damals von Electronic Arts vertrieben, die früh das Potenzial hinter Bullfrog und deren Ideen erkannten. Auf Druck von EA hin folgten auf Populous das Strategiespiel Powermonger (1990) und schließlich Populous 2: Trials of the Olympian Gods (1991).
Bullfrog wuchs zu Beginn der 90er enorm schnell und bezog größere Büroräume im Surrey Research Park in Guildford. Peter Molyneux selbst avancierte zum Videospiel-Promi, der als kreativer Kopf symbolisch für das Credo hinter Bullfrog Productions stand.
Er war es schließlich auch, der die erste Idee für Dungeon Keeper hatte. Witzigerweise dienten dabei die aus der Entwicklung der Freizeitpark-Simulation Theme Park (1994) gemachten Erfahrungen als Basis. Allerdings drehte Molyneux die Herangehensweise an das Setting um: Aus dem fröhlichen Vergnügungspark wurde ein düsteres Kellergewölbe, in dem der Spieler als Kerkermeister Kreaturen heranzüchtete, Strukturen baute und sich gegen eindringende Helden zur Wehr setzte.
«Es war in erster Linie Peters Idee. Sie kam aus einer Gruppe (im Team), die viele kriegerische Brettspiele spielte, die dabei eine erstaunliche Dynamik entwickelten», erklärte Dungeon-Keeper-Programmierer und Bullfrog-Mitarbeiter Jonty Barnes gegenüber dem Magazin Retro Gamer.
Der Gedanke dahinter lautete: «Was wäre, wenn ich beziehungsweise der Spieler als böse Person in einem Dungeon leben würde? Und all diese Weltverbesser und Ritter ankämen, um das zu zerstören, was dir wichtig ist. Was wäre, wenn sie glaubten, dass sie das Richtige täten, obwohl sie eigentlich in deinem Reich in der Unterwelt nichts zu suchen hätten?», führte Barnes diesen Punkt aus.
Während also das Konzept für Dungeon Keeper Anfang 1994 Fahrt aufnahm, brodelte es hinter den Kulissen von Bullfrog Productions ganz gewaltig. Bereits Ende 1993 gab es erste Gespräche mit Electronic Arts und auch anderen Großunternehmen über eine mögliche Übernahme des bis dato noch unabhängigen Studios. Die Verhandlungen dauerten Monate an.
Und während im November 1994 die Entwicklung von Dungeon Keeper offiziell begann, akquirierte Electronic Arts im Januar 1995 Bullfrog Productions für angeblich 44 Millionen US-Dollar. Diese Entwicklung hatte enorme Auswirkungen auf die Ausrichtung von Bullfrog. So erlaubte die Maßnahme eine massive Expansion, die Belegschaft wuchs innerhalb kürzester Zeit von 35 bis 60 auf über 150 Mitarbeiter an.
Peter Molyneux wurde zum Vizepräsidenten von Electronic Arts und führte obendrein EA Europa an. Ihm zur Seite stand Les Edgar, der als Vizepräsident von EA Europa unter Molyneux fungierte. Das Ergebnis: Bullfrog Productions verlor seine kreative Führung, weil Molyneux und Edgar nun selten vor Ort und stattdessen oft im EA-Hauptquartier weilten.
Mit diesem Wechsel in der Spitze begann eine fast dreijährige Entwickler-Odyssee, die unter anderem von Release-Verschiebungen, strittige Personalentscheidungen und vor allem viel Crunch geprägt war.
Erste Komplikationen
Lead Programmierer Simon Carter, Artist und Producer Mark Healey sowie Designer Barry Meade übernahmen jetzt die Verantwortung für die Weiterentwicklung von Dungeon Keeper. Als technische Grundlage für den ersten Prototyp verwendete man die Grafik-Engine des First-Person-Spiels Magic Carpet von 1994.
Diese frühe Version aber wurde zügig wieder verworfen und beinhaltete nur die Option, sich über die Karte in der Third-Person-Perspektive zu bewegen. Stattdessen war es Peter Molyneux, der trotz all seiner anderen offiziellen Pflichten erneut den Ton angab. Er entwickelte einen frühen 2D-Prototyp, aus dem man das Geschehen aus der Vogelperspektive handhabte. Das Team portierte diesen Ansatz schließlich in die bereits angesprochene Magic-Carpet-Grafik-Technologie. Fertig war die Basis für Dungeon Keeper, wie man es später kennen würde.
Im Grunde standen an diesem Punkt auch bereits die ersten Gameplay-Eckpfeiler wie das Bauen von Räumen sowie bestimmte Typen von Einrichtungen wie die Schatzkammer oder das Herz des Dungeons. Allerdings entpuppte sich die Erweiterung dieses Konzepts als komplexe Angelegenheit, da die Strukturen und ihre Möglichkeiten gut aufeinander abgestimmt und ausbalanciert sein mussten. Der eigentliche Level-Editor wurde im Mai 1995 fertiggestellt. Im selben Monat zeigte sich auch die Schattenseite der engen Verbindung mit Electronic Arts.
«Wir saßen in einem dieser Quartalsmeetings und es stellte sich heraus, dass ein anderes EA-Studio mit der Entwicklung ihres Projekts nicht fertig wurde. In der Firmenlandschaft bedeutet das viel Geschrei, Gejammer und Zähneknirschen. Also sprangen wir etwas naiv in die Bresche und sagten, dass wir ein Spiel binnen sechs Wochen fertigstellen könnten – vom Konzept bis zum Release», führte Les Edgar im Interview aus. Das Ergebnis war der 3D-Racer Hi-Octane (1995), der sowohl qualitativ als auch von der Ausrichtung nicht wirklich ins Bullfrog-Portfolio passte, aber immerhin rechtzeitig in den Läden stand.
Wie baut man einen Kerker-Simulator?
In der Zwischenzeit arbeitete das Kernteam weiter an der Fertigstellung von Dungeon Keeper. Gerade die Simulation des Lebens innerhalb des Kerkergewölbes stellte Bullfrog damals aufgrund der limitierten Hardware-Leistung vor große Herausforderungen.
Neben der eigentlichen Spielmechanik war auch die Präsentation mitentscheidend für den Erfolg von Dungeon Keeper. Mark Healey zeichnete und entwickelte jede Figur im Spiel und war laut eigener Aussage über einen Großteil der Entwicklungszeit der einzige Artist im Team.
Er porträtierte Einheiten wie die Imps, den fetten Teufler und auch den liebevoll «Horny» getauften Horned Reaper mit einer gehörigen Portion Humor, sodass die Figuren zwar düster, aber auch niedlich aussahen. Im Interview beschreibt er sein Schaffen ironisch: «Ich kann sagen, dass das am Laufen halten eines Dungeons dem Arbeiten bei Bullfrog sehr ähnlich ist. Sobald ich mich mit dem Thema befasst hatte, war der Rest sehr einfach. Der Horned Reaper war mein Design. Er basiert auf einer meiner Ex-Freundinnen. Sie hatte ein ähnliches Grinsen ... und ein ähnliches Temperament.»
Humor spielte eine große Rolle bei der Spielerfahrung. Und so war es auch Healey, der auf die Idee kam, dass der Maus-Cursor wie eine Dämonenhand aussehen sollte. Spieler konnten so nicht nur ihre Monster hochheben, sondern sie auch ohrfeigen, sodass Imps etwa schneller arbeiteten. Diese Verquickung des klassischen User-Interfaces und der Interaktion mit dem Szenario selbst war einzigartig und trug viel zur Atmosphäre des Spiels bei.
Das Team experimentierte sogar mit einer Version, die komplett ohne Optionsleiste auskam. Zwar kam dadurch die Grafik mehr zum Tragen, zugleich litt darunter aber die Kontrollierbarkeit des Spiels. Später entschied man sich für das auf der linken Bildschirmhälfte platzierte Dialogfeld. Auch das Verhalten der Monster wurde entsprechend angepasst, sodass diese den Dungeon wirklich bevölkerten und so etwas wie Leben innerhalb der Gänge erzeugten. «Die Kreaturen mussten komplex sein, sollten kämpfen können und mussten lesbar in ihrem Verhalten sein. Gleichzeitig aber durfte ihr Verhalten nicht zu viel Hardware-Leistung fressen. Es hing also viel von der Optimierung ab», ergänzte Jonty Barnes.
Darüber hinaus sollte Dungeon Keeper auch grafisch neue Maßstäbe setzen – beispielsweise mit Licht- und Schatteneffekten, die teils bereits bei Magic Carpet zum Einsatz kamen. Zudem implementierten die Macher einen First-Person-Modus, sodass Spieler in die Haut der Kreaturen schlüpfen und mit ihnen durch die Gänge schleichen konnten. Die Menge an Ideen schien endlos, zugleich aber brachten diese Möglichkeiten auch Probleme mit sich. Das ursprünglich angepeilte Erscheinungsfenster zu Weihnachten 1995 konnte nicht gehalten werden.
Aus dem Büro verbannt
In Peter Molyneux selbst wuchs zu dieser Zeit die Unzufriedenheit über seine aktuelle Position, die es verhinderte, dass er dauerhaft an den Bullfrog-Projekten weiterarbeitete. "Es war verrückt – etwa zur Hälfte der Entwicklung kündigte Peter an, dass er Bullfrog beziehungsweise Electronic Arts verlassen würde, aber dass er noch Dungeon Keeper fertigstellen wolle", erinnerte sich Mark Healey.
Als Reaktion verbot ihm Electronic Arts, die Bullfrog-Büroräume zu betreten. Also arbeitete Molyneux mit unter anderem Simon und Dean Carter und anderen Kollegen aus dem Homeoffice heraus. Die Arbeitsweise erinnerte zu diesem Zeitpunkt eher an junge Entwicklerstudios.
Das Dungeon-Herz ist der wichtigste Teil eures Kerkers. Wird es zerstört, ist die Runde verloren. Dieses Konzept stand bereits früh in der Entwicklung von Dungeon Keeper fest.
Die Kollegen schrieben tagsüber am Spiel weiter, probierten es nachts aus, tranken Bier und spielten einander Streiche. Andy Robson, der damals als Tester an Dungeon Keeper arbeitete, erinnerte sich beispielsweise daran, wie er Peter Molyneux' Tamagotchi in einem unbeobachteten Moment stahl und es in einer Tasse Tee versenkte.
Nach den Spielrunden gab es ausschweifende Diskussionen über die Spielmechanik. Falls jemand zu leicht gewinnen konnte, änderte man tags darauf einige Parameter und passte das Spiel an. Jonty Barnes blickte mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf diese Zeit zurück:
«Diese Abläufe machten die Intensität und die Strategie der Entwicklung von Dungeon Keeper aus. Wir arbeiteten über einen langen Zeitraum sechs bis sieben Tage die Woche. Aber uns fiel das gar nicht auf, weil uns das Projekt so wichtig war.»
Das Spiel nahm über das Jahr 1996 immer mehr Form an und immer neue Informationen, aber auch Gerüchte machten sich breit. Der Hype um Dungeon Keeper wuchs. Im September 1996 präsentierte man das aktuelle Produkt auf der Spielemesse ECTS in London. Trotzdem folgte eine weitere Verschiebung des Erscheinungstermins – diesmal von Dezember 1996 auf März 1997.
Hektischer Endspurt
Auch wenn das Spiel bereits über weite Strecken stand, so wurde Dungeon Keeper doch erst in den letzten Monaten wirklich fertiggestellt. Aspekte wie der Soundtrack von Russell Shaw oder die charakteristische Sprachausgabe für den Mentor durch Richard Ridings kamen erst spät in der Entwicklung dazu.
Schlussendlich kam Dungeon Keeper am 26. April 1997 auf den Markt. Es war das letzte Bullfrog-Spiel unter Peter Molyneux, der danach Lionhead Studios gründete und sich Titeln wie Black & White und in späteren Jahren der beliebten Fable-Trilogie widmete. Sein Abgang traf den Rest des Teams hart. «Ich fühlte mich, als würde das Herz dieses Ortes fehlen. Bullfrog war nicht länger diese kreative Oase, sondern erinnerte eher an eine Legebatterie», resümierte Mark Healey nüchtern.
Dem Erfolg von Dungeon Keeper tat das aber keinen Abbruch. Auch wenn das Spiel längst nicht alles hielt, was im Vorfeld versprochen wurde, war es dennoch ein Erfolg. 1997 allein verkaufte EA über 100.000 Einheiten in den Vereinigten Staaten. Bis 2003 sollten es immerhin 700.000 verkaufte Exemplare sein. Es rangierte damit zwar klar hinter Theme Park, war aber populär genug, um 1999 einen Nachfolger zu finden. Leider blieb Dungeon Keeper 2 hinter den Erwartungen zurück – vielleicht auch, weil Peter Molyneux nicht mehr daran mitarbeitete. Kritiken und Verkäufe enttäuschten.
Dungeon Keeper 3? Sehr unwahrscheinlich!
Auf einen dritten Teil warten wir bislang vergebens. Dungeons Keeper 3 befand sich nach der Fertigstellung des zweiten Teils in der Konzept- und in einer frühen Entwicklungsphase. Dies kündigte Bullfrog in einem kurzen Posting an. Viel mehr wurde aber aus dem Spiel nicht, da es bereits einen Monat später eingestellt wurde.
Die Lizenz ruhte bis zum Erscheinen des Mobile-Spiels Dungeon Keeper im Jahr 2014. Der Free2Play-Ableger floppte allerdings gewaltig und wurde aufgrund seiner omnipräsenten Bezahloptionen und dem daran angepassten Gameplay massiv kritisiert. Andere Titel wie Kalypsos Dungeons-Reihe führten die Reihe zumindest inoffiziell fort.
Wird es aber jemals Dungeon Keeper 3 geben? Wir schätzen diese Chancen eher gering ein. Das Strategie-Genre spielt im Portfolio von Electronic Arts keine größere Rolle mehr und nach den enttäuschenden letzten Gehversuchen scheint die Lizenz vorerst im EA-Archiv zu schlummern. In diesem Sinne: Schlaf gut, Horny ... und vielleicht bis irgendwann mal.
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