Blick über den Glasrand: AR-Brillen am MWC
Augmented Reality springt mich am MWC aus allen Ecken an. Die interessantesten Gläser habe ich mir auf die Nase gesetzt.
Als Brillenträgerin ein heikles Thema: noch eine Brille? Muss das sein? Bringt mir das etwas? Die Brillen, die ich am Mobile World Congress in Barcelona ausprobieren durfte, sind alle noch Konzeptprodukte. Das bedeutet, sie sind (noch) nicht im Verkauf und werden vielleicht auch niemals in dieser Form erscheinen. Daher haben sie auch noch den einen oder anderen Schwachpunkt. Ich habe mir dennoch einen ersten Eindruck davon verschafft.
Essnz Berlin
Das Startup-Unternehmen tooz zeigt bereits am Sonntag vor dem MWC seine AR-Gläser namens Essnz Berlin. Das Brillengestell dazu und die App sind Prototypen und sollen Anwendungsbeispiele demonstrieren.
Setzte ich die Brille auf, sehe ich einen kleinen neongrünen Bildschirm auf dem rechten Glas. Hier kann ich mir per Bedienung am Bügel oder auch über Sprachsteuerung verschiedene Applikationen einblenden lassen – wie einen Musikplayer oder ein Workout mit Trainerinputs. Den Ton höre ich dank integrierter Lautsprecher. Er klingt noch etwas unangenehm für Musik, das Gesprochene verstehe ich aber gut.
Für Brillentragende können die Gläser mit Korrekturen ergänzt werden. Für das integrierte Bild sorgt ein microLED-Display, das vom rechten Bügel auf das Glas gespiegelt wird. Das Bild ist gut erkennbar, überblendet aber nur das rechte Sichtfeld. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, lenkt dafür aber nicht zu sehr ab.
Der Akku des Prototyps soll den ganzen Tag durchhalten, was in der Praxis durchaus wünschenswert ist. Tooz hofft, dass die Firmen, welche die Gläser abnehmen, jeweils bei Hardware, Software und Design für das Endprodukt mitarbeiten.
Oppo Air Glass 2
Ein ähnliches Konzept wie die Essnz Berlin bietet eine AR-Brille von Oppo. Die Air Glass 2 ist mit 38 Gramm leichter und projiziert im Gegenzug sogar zwei microLED-Bildschirme auf die Gläser. Auch hier lassen sich zusätzlich Dioptrie-Gläser einbauen. Durch die beidseitige Sicht wirkt die Schrift mehr dreidimensional, aber etwas weit weg. Den Text kann ich aber relativ gut lesen.
Das Gerät ist nur mit einem Smartphone nutzbar. Auf beiden Bügelseiten sind Mikrofone eingebaut, mit denen ich Musik hören oder telefonieren kann. Die Lautstärke war mir bei der Musik zuerst viel zu laut. Die Lautsprecher haben ziemlich Power. Steuern kann ich die angezeigten Apps am rechten Bügel durch Streichen und mit einem Knopf. Die Brille ist angenehm zu tragen, und die App zur Navigation stelle ich mir im Alltag praktisch vor.
Lenovo ThinkReality A3
Ein spannendes Augmented-Reality-Konzept zeigt mir Lenovo. Die Displays auf den Gläsern der ThinkReality A3 sind per Kabel mit dem Computer verbunden und können bisher nicht unabhängig genutzt werden.
Beim Aufsetzen der Brille muss ich die Augen zusammenkneifen, damit ich das neongrün leuchtende Menü oben links scharf sehe – eine Dioptrienkorrektur lässt sich nicht einstellen. Sie hat zudem einen irritierend weiten Abstand zum Gesicht. Die Brille erkennt meine Hand und zeigt sie mir in blauen Umrissen an. Daraufhin kann ich mit ihnen einen in die Realität hinein gerenderten Würfel greifen und herumschieben.
Das Menü kann ich bedienen, indem ich in die Luft «drücke». Ich wähle die Funktion zum Zeichnen. Hier forme ich die Hand so, als hätte ich einen Stift in der Hand. So kann ich in die Luft zeichnen und dreidimensional im Raum Linien platzieren. Sie sind sogar regenbogenfarben koloriert. Alles funktioniert noch etwas holprig und reagiert nicht immer sofort. Die Steuerung ist mühsam. Auch die Linien sind etwas holprig und verpixelt dargestellt. Ein Meisterwerk zeichne ich nicht gerade – es macht aber auf jeden Fall Spass. Eine Applikation mit Ton wurde mir nicht demonstriert, deshalb bin ich nicht sicher, ob sie Ton ausspielen könnte.
nubia Neovision Glass
Auch bei Nubia gibt es eine AR-Brille. Die Neovision Glass sieht vielversprechend aus. Hier habe ich als Brillenträgerin einen grossen Vorteil: die Dioptrien lassen sich per Rädchen oben links und rechts unabhängig voneinander einstellen.
Sehen kann ich den Bildschirm des angehängten Smartphones über eine Projektion auf die Gläser beider Seiten von den Bügeln weg. Durch das Visier wird das Bild angenehm abgedunkelt. Ich sehe das farbige Bild gut und scharf vor mir – fast wie mit einem Beamer im dunklen Raum. Diese Brille ist die einzige getestete, die nicht mit simplen neongrünen Schriften arbeitet, sondern ein farbiges Bild anzeigt.
Abgesehen von den Dioptrien habe ich nicht viele Einstellungsmöglichkeiten, ausser, dass sich das abdunkelnde Visier vor den Gläsern per Magnet leicht abmontieren lässt.
Vom Einblick zum Ausblick
Die AR-Brillen als Konzeptprodukte benötigen noch einiges an Entwicklung. Trotzdem waren sie eine spannende Erfahrung. Und mit der stetigen Entwicklung kann ich vielleicht schon beim nächsten MWC über alltagstaugliche AR-Brillen berichten.
Titelfoto: Jan JohannsenSeit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los.