Bluetooth-Kopfhörer: Das ewige Problem mit den unverständlichen Telefonaten
19/3/2024
Spätestens seit der Einführung der allerersten drahtlosen AirPods können wir alle endlich mit freien Händen telefonieren, allerdings mit Abstrichen. Denn unter dieser Entwicklung leidet die Tonqualität. Der Sündenbock für den schlechten Klang? Die drahtlose Verbindung mit Bluetooth.
Während meines ersten Bürojobs habe ich nicht nur die Freuden des Arbeitsalltags, sondern auch die Vorteile des freihändigen Telefonierens kennengelernt. Statt eines physischen Hörers hatte ich lediglich ein Headset, welches drahtlos mit meinem PC verbunden war. In meiner Freizeit das Handy zum Telefonieren an den Kopf zu halten oder mich in Kabeln zu verheddern, fühlte sich demnach schnell recht altmodisch an.
Ende 2016 lancierte Apple dann aber die AirPods und öffnete damit die Bluetooth-Büchse der Pandora. Innert kürzester Zeit wurde der Markt von drahtlosen Ohrstöpseln überflutet – und bis heute ist kein Ende in Sicht.
Das bedeutet stundenlanges Telefonieren mit freien Händen.
Toll! Oder? Nicht ganz...
Wenn das Telefongespräch zur Herausforderung wird
Du kennst das Problem: Leute mit Bluetooth-Kopfhörern am anderen Ende der Leitung klingen meistens schlecht. Dasselbe gilt bei deinen eigenen Bluetooth-Kopfhörern: Sobald du damit zu telefonieren beginnst, sinkt die Audioqualität. Doch wie genau kommt das? Schliesslich kannst du heutzutage auch Musik in Hi-Res-Formaten via Bluetooth hören.
Drahtlose Kopfhörer sind also durchaus in der Lage, Audiosignale in hoher Auflösung zu übertragen. Ist etwa der grosse Abstand zwischen Mund und Mikrofonen – welche in deinem Ohr sitzen – Schuld an den dumpfen Stimmen? Eine naheliegende Überlegung, und auch nicht ganz verkehrt. Deshalb preisen Hersteller auch Jahr für Jahr ihre neuen Bluetooth-Kopfhörer mit «verbesserten Mikrofonen» und «smarten Stimmerkennungs-Algorithmen» an. Und doch: die Telefonqualität bleibt dürftig. Warum?
Bluetooth-Profile sind und bleiben ein Wilder Westen
Bluetooth ist nicht gleich Bluetooth. Der drahtlose Übertragungsstandard kommt in etlichen verschiedenen Varianten, die sogenannten Profile. Was uns auch schon zum Kern unserer Frage nach der Qualität bringt. Denn standardmässig kommt beim Musikhören oder Filmschauen A2DP zum Einsatz, kurz für «Advanced Audio Distribution Profile».
Dieses Profil ist dafür zuständig, Audiosignale von einem Sender an einen Empfänger zu übertragen. Wenn du also Musik auf Spotify oder Apple Music hörst, ist dein Handy der Sender und deine Kopfhörer sind die Empfänger. Dafür werden dann die verschiedenen bekannten Bluetooth-Codecs wie SBC, AAC, AptX oder Sonys LDAC verwendet, welche Inhalte mit bis zu 32 bit und 96 kHz übertragen können. Kurz gesagt: A2DP liefert für Bluetooth-Verhältnisse eine enorm hohe Tonqualität.
Jetzt kommt das grosse «Aber»: Mit diesem Profil lassen sich die Signale nur in eine Richtung transportieren. Sollen die Bluetooth-Kopfhörer und ihre verbauten Mikrofone jetzt aber nicht nur als Empfänger, sondern auch als Sender herhalten, haben wir ein Problem.
Die Richtung macht’s
In diesem Fall wechseln die genutzten Geräte automatisch zum HSP, kurz für «Headset Profile». Dieses Profil ist technisch ordentlich veraltet und schafft nur 8 kHz bei der Übertragung. «Moderne» Features wie Stereosound gibt es hier erst recht nicht. Dennoch hat auch dieses Profil durchaus seine Daseinsberechtigung.
Im Gegensatz zum A2DP erlaubt HSP auch die gegenseitige Steuerung der Geräte. Sprich: Dieses Profil ermöglicht es dir, einen Anruf von deinem Handy über deine Kopfhörer entgegenzunehmen oder zu beenden. Aber auch die Anzeige des Akkustands deiner Bluetooth-Kopfhörer oder die Lautstärkeregelung wird über das HSP abgewickelt.
Das Ganze bezieht sich übrigens auch auf Internettelefonie und Videocalls. Vielleicht ist dir schon mal aufgefallen, dass deine Bluetooth-Kopfhörer nach einem beendeten Zoom-Call weiterhin schlecht klingen. Das Problem verschwindet dann erst, wenn du deine Kopfhörer nochmals neu verbunden hast. Es kann nämlich auch vorkommen, dass die Kopfhörer im HSP «hängen bleiben» und nicht von selbst zu A2DP zurückwechseln.
Ist denn überhaupt Besserung in Sicht?
Natürlich bin ich jetzt nur auf die Theorie der Frage eingegangen – in der Praxis sieht alles nochmals etwas anders aus. Nicht alle Smartphones und alle Kopfhörer beherrschen alle Profile und Codecs, es kommt zu Verbindungsproblemen. Ganz zu schweigen vom Bluetooth-Netz, das generell mehr als ausgelastet ist. Zu dem Thema gibt es eventuell noch einen weiteren Artikel.
Fassen wir also nochmals kurz zusammen: Bluetooth ist nicht gleich Bluetooth. Es gibt verschiedene Profile, welche für verschiedene Zwecke geeignet sind. A2DP erlaubt das Übertragen von hochauflösenden Audiosignalen in eine Richtung, während HSP für die Interaktion zwischen zwei oder mehreren Geräten zuständig ist.
Im Grunde genommen ist es also eine Entscheidungsfrage: Möchtest du lieber die volle Audioqualität oder die Mikrofone deiner Bluetooth-Kopfhörer nutzen? Auf absehbare Zeit sieht es leider nicht so aus, als könnten wir beides unter einen Hut bekommen. Bluetooth als Übertragungsstandard befindet sich zwar konstant in der Entwicklung und wird laufend verbessert. Stand heute ist die Technologie jedoch fundamental fehlerbehaftet und unsere Telefongespräche werden weiterhin dumpf klingen. Ausser du hältst dir dein Handy beim Telefonieren wieder ganz altmodisch ans Ohr.
Titelbild: Dayan Pfammatter
Dayan Pfammatter
Freier Autor
Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.