Burnout zuhause: Wie der Mental Load Partnerschaft und Gesundheit gefährdet
Hintergrund

Burnout zuhause: Wie der Mental Load Partnerschaft und Gesundheit gefährdet

Die Frau als Managerin der Beziehung oder der Familie, während der Mann auf Handlungsanweisungen wartet: Ein Full-Time-Job, den keiner sieht. Oft nicht einmal die Frau selbst. Und das hat Folgen.

«Du hättest mich doch nur fragen müssen». Dieser Satz bringt nichts, außer jede Frau auf die Palme. Denn während sie in mentalen Notizen versinkt, wartet der handlungswillige Partner auf Anweisungen: Den Müll wegzubringen, den Arzttermin zu vereinbaren oder die lange überfällige Wäsche zu waschen. In Haushalt und Familienleben sind Aufgaben noch längst nicht fifty-fifty aufgeteilt. Deutlich wird das an der Denkarbeit, die hinter dem funktionierenden Zusammenleben steckt: dem Mental Load.

Angestoßen wurde die Debatte durch einen einfachen Comic der Cartoonistin Emma in Frankreich 2018. Mittlerweile ist der Mental Load auch hierzulande angekommen und so aktuell wie noch nie, wie eine kürzlich erschienene Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt – doch dazu gleich mehr.

Mental Load: Was ist das?

Was der Comic, auszugsweise auf Deutsch bei den Krautreportern erschienen, so herrlich plakativ auf den Punkt bringt: «Wenn der Partner von seiner Lebensgefährtin erwartet, dass sie ihn um Hilfe bittet, dann sieht er in ihr die Hauptverantwortliche für die Hausarbeit.»

Und hauptverantwortlich für die Hausarbeit zu sein, bedeutet nicht nur Kochen, Abwaschen oder Einkaufen. Es bedeutet, alleine für das Planen, Strukturieren und Organisieren des gemeinsamen Lebens zuständig zu sein. Ein Management-Posten, den keiner sieht – oft nicht einmal die Frau selbst.

«Mental Load ist die mentale Belastung durch die Familienorganisation», sagt Psychotherapeutin Barbara Schrammel. Sie beschäftigt sich hauptberuflich mit Mental Load und gleichberechtigter Elternschaft, ist Vorstandsfrau und Beraterin des Vereins Frauen beraten Frauen und leitet die Kampagne Mental Load Award.

«Wir machen den Mental Load für Frauen sichtbar, verfügbar und zugänglich. So haben sie einen Begriff für das, was sie intuitiv die ganze Zeit spüren, und können etwas daran ändern.» Alles rund um die Kampagne findest du auf Social Media.

Mental Load ist die Bürde, an alles im Paar- und Familienalltag denken zu müssen – ob alles Notwendige auf dem Einkaufszettel steht, das Wasser in den Blumenvasen gewechselt werden muss, die Kostüme für Halloween ausgesucht/gekauft/umgenäht oder notfalls umgetauscht sind, ob für den morgigen Impftermin auch der Pass eingepackt und das Kind vom anschließenden Sportunterricht befreit worden ist, ob es schon Ideen für die Geschenke für Oma gibt, für deren Geburtstag natürlich noch der Tisch im Restaurant gebucht werden muss und hat eigentlich irgendjemand Cousin Max schon gefragt, ob er auch dabei sein wird … und so weiter und sofort. Die Liste im Kopf ist nie endend. Und diese Bürde geht nicht spurlos an Frauen vorbei.

Psychotherapeutin Schrammel erklärt, welche gesundheitlichen und sozialen Folgen der Mental Load für Frauen hat, was es mit dem Emotional Load auf sich hat und welche Lösungen es für Paare gibt.

Emotional Load: Ständig im Dienst der Gefühlsarbeit

Mental Load geht noch weit über To-Dos im Haushalt hinaus. Er erstreckt sich über alle Lebensbereiche einer Frau und verweist sie immer wieder auf ihre gesellschaftliche Aufgabe, fürsorglich zu sein und sich um andere zu kümmern. Die emotionale Arbeit, die dabei entsteht, nennt man «Emotional Load».

«Mental Load ist auch emotionale Arbeit», sagt Schrammel. Frauen übernehmen bereits die Gefühls- und Beziehungsarbeit, die dem Mental Load vorangeht. Die «Initiative Equal Care Day» definiert den Mental Load daher breiter, als die «Last der alltäglichen, unsichtbaren Verantwortung für das Organisieren von Haushalt und Familie im Privaten, das Koordinieren und Vermitteln in Teams im beruflichen Kontext sowie die Beziehungspflege und das Auffangen der Beziehungspflege und Befindlichkeiten aller Beteiligten in beiden Bereichen.»

Mentale Arbeit: Ungleich verteilt – und sogar erwerbstätige Frauen tragen den Löwenanteil

In (heterosexuellen) Beziehungen bleibt emotionale und mentale Arbeit bis heute Aufgabe der Frau – selbst, wenn diese erwerbstätig ist. Das zeigt eine neue Untersuchung für die Hans-Böckler-Stiftung, über die Galaxus auch berichtet hat: Frauen übernehmen im Zusammenleben 62 Prozent der Planungsarbeit, Männer dagegen nur 20 Prozent. Und selbst Vollzeit erwerbstätige Frauen tragen neben ihrer 40-Stunden-Woche noch 57 Prozent des Mental Loads in der Partnerschaft.

Die Selbsteinschätzung der Männer sieht übrigens anders aus: Die Frage «Wer plant, organisiert und denkt in Ihrem Haushalt an notwendige Alltagsaufgaben?» beantworten 66 Prozent der Männer und nur 35 Prozent der Frauen mit «beide zu gleichen Teilen.»

Die Forscherinnen schließen: Frauen sind trotz Erwerbsarbeit die Hauptverantwortlichen für das Familienleben und das mache den Mental Load zu einer «zentralen Dimension partnerschaftlicher beziehungsweise geschlechtsspezifischer Ungleichheit.»

Folgen für die Frau

Diese unsichtbare Denkarbeit im Alltag zu leisten, kann die psychische Gesundheit der Frau belasten. Ihre Leistung für Familie und Gesellschaft wird nicht als Arbeit gewertet und entsprechend auch nicht finanziell honoriert. Die als einfältige Existenz abgestempelte «Hausfrau» hat weder viel gesellschaftliche Teilhabe, noch genießt sie für ihre Leistung hohes Ansehen. Stattdessen büßt sie ihre finanzielle Unabhängigkeit ein, während die erwerbstätige Frau durch den Mental Load ins Burnout rast.

«Mental Load ist permanenter Stress», weiß die Expertin. «An so viele Dinge gleichzeitig zu denken, gleicht einem Management-Posten, von dem erwartet wird, dass er im Privaten nebenbei passiert.» Tätigkeiten in Haushalt und Familienleben enden nie, auch nicht spät am Abend oder am Wochenende.

«Frauen schlittern oft in eine 100-Stunden-Woche. Ohne Pausen kommt es schnell zur Überlastung, zu körperlichen Symptomen, depressiven Episoden, Angstzuständen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Burnout» sagt die Psychotherapeutin. Auch in einer US-Studie mit 393 Müttern zeigt sich: Alleine für Managementaufgaben in Haushalt und Familie zuständig zu sein, senkt das Wohlbefinden der Frauen und ihre Zufriedenheit in der Partnerschaft.

Auch sozial und finanziell sind Frauen durch den Mental Load langfristig schlechter gestellt als Männer. Während 73 Prozent der Mütter in Teilzeit arbeiten (auch wenn ihre Kinder bereits älter als 18 Jahre alt sind), finden sich bei den Vätern nur rund 13 Prozent Teilzeitarbeitende. Das hat einen Einfluss auf ihre Altersvorsorge.

Denn bis heute ist die Gesamtrente von Frauen um 32,8 Prozent niedriger und Altersarmut deutlich verbreiteter als unter Männern.

Gleichberechtigte Partnerschaft leben: Mental Load sichtbar machen

Falls du jetzt der Überzeugung bist, in deiner Partnerschaft ist alles anders: Die Initiative Equal Care Day hat einen Mental Load Fragebogen für Paare und Sorgegemeinschaften erstellt. Zusätzlich hilft es zu wissen: «Der Mental Load ist ein strukturelles Problem, kein individuelles» sagt Schrammel. Aus ihrer Arbeit mit Paaren weiß sie: «Selbst progressive Paare, die sich um eine gleichberechtigte Partnerschaft bemühen, fallen oft in diese tradierten Rollen zurück.»

Sie empfiehlt: Der erste Schritt, den Mental Load gleichberechtigt aufzuteilen, ist in sichtbar zu machen. Indem du Listen schreibst oder mentale Notizen in den gemeinsamen Kalender einträgst. Nur so wird klar, was die Frau im Alltag für das Gelingen des gemeinsamen Alltags leistet – und nur so kannst du darüber sprechen. Warum das wichtig ist?

Den Mental Load fair aufteilen: Vorteile für Paare

«Der Mental Load ist für jede Partnerschaft eine riesige Belastung», sagt die Expertin. Nicht nur die Frau, auch der Mann profitiert von einer fairen Verteilung dieser Denkarbeit. «Eine engere Bindung zu ihren Kindern, weniger Frust in der Partnerschaft, weniger Konflikte und eine Beziehung auf Augenhöhe sind unter anderem Vorteile für Männer.»

Nicht nur das: Sind Aufgaben zwischen beiden Partnerinnen und Partnern fair verteilt, auch die Denkarbeit dahinter, steigt die Lebenszufriedenheit aller Beteiligten und auch das Liebesleben blüht dadurch wieder auf. Studien zeigen: Fühlen sich beide Partner gleichberechtigt für das Familienleben zuständig, steigt die Libido der Frau. Und: Langfristig stehen Paare mit gleichberechtigter Aufgabenteilung finanziell besser da, sagt Schrammel.

Zum Beispiel, wenn Väter längere Karenzzeiten in Anspruch nehmen: «Langfristig steigt das Familieneinkommen: Die Frau kann mehr Wochenstunden arbeiten und Karrieresprünge machen. Gleichzeitig entwickeln Männer bei der Familienorganisation Management-Fähigkeiten, von denen sie später auch im Job profitieren.»

Es gibt also gute Gründe, das Gespräch über den Mental Load in der Beziehung zu führen und sich um eine gleichberechtigte Partnerschaft zu bemühen. Auch wenn das nicht immer einfach und nicht immer bequem ist. Und um es mit den Worten der deutschen Kolumnistin Margarete Stokowski abschließend auf den Punkt zu bringen: «Helfen Sie Ihrer Partnerin nicht im Haushalt: Machen Sie einfach die Hälfte.»

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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