Canon EOS R6 Mark II
24.20 Mpx, Vollformat
Die Canon EOS R6 Mark II entpuppt sich als reife Hybrid-Kamera, die der Konkurrenz gewachsen ist. Sie setzt sich mit an die Spitze ihrer Preisklasse.
24 Megapixel, 40 Bilder pro Sekunde und Videoaufnahmen in 4K 60p ohne Crop: Die Spezifikationen von Canons neuer Vollformat-Kamera EOS R6 Mark II klingen gut, besonders zum Startpreis von 2629 Franken. Sie konkurriert unter anderem mit der Sony Alpha 7 IV, dem Platzhirsch in diesem wichtigen Preissegment. Genau wie die Sony will die neue Canon eine eierlegende Wollmilchsau sein – für Fotografen und Videografen gleichermassen geeignet. Eine Mini-R3 quasi. Das gelingt, die R6 MK II zeigt kaum Schwächen. In gewissen Bereichen bleibt sie zwar knapp hinter der A7 IV zurück, in anderen übertrifft sie die Konkurrenz dafür.
Ich liebe die Form der aktuellen Canons. Der Body der R6 MK II ist keine Ausnahme. Er schmiegt sich besser an meine Hände als Kameras von anderen Herstellern, weil er runder ist und Vertiefungen an genau den richtigen Stellen hat. Die R6 MK II ist weniger kompakt und ein paar Gramm schwerer als ihre grösste Konkurrentin, die Sony A7 IV. Mich stört das nicht. Wenn du kleine Hände hast oder jeder Kubikzentimeter Volumen in deinem Reisegepäck zählt, kann das aber ein Nachteil sein.
Definitiv ein Nachteil ist Canons Sturheit bei den Anschlüssen: Nach wie vor gibt es nur den extrem fragilen Micro-HDMI statt einem in voller Grösse. Warum, Canon? Warum?
Im Innern der R6 MK II hat sich dafür einiges getan. Der CMOS-Sensor mit einer Auflösung von 24 Megapixeln ist neu, wenn auch weiterhin frontseitig beleuchtet (front-side illuminated, «FSI»). Konkurrentin Sony setzt seit einer Weile auf rückseitig beleuchtete (back-side illuminated, «BSI») Sensoren, die einen höheren Dynamikumfang versprechen. Solche Sony-Sensoren stecken auch in den aktuellen Nikons. In den Flaggschiffen Sony A1 und Nikon Z9 kommen sogar «gestapelte» (stacked) Sensoren zum Einsatz, die zusätzlich das Bild schneller auslesen können. Das sorgt für weniger Rolling Shutter und einen besseren Autofokus. Auch Canon verbaut in der grossen R3 erstmals einen stacked Sensor – für die günstige R6-Linie ist die Technologie aber anscheinend noch zu teuer.
Die Serienbildgeschwindigkeit hat sich mit dem elektronischen Verschluss von 20 auf wahnwitzige 40 Bilder pro Sekunde (FPS) verdoppelt. Mechanisch liegen weiterhin 12 FPS drin. Verbesserungen gibt es auch im Videobereich: Die R6 MK II nimmt jetzt bis zu 4K mit 60 FPS komplett ohne Crop auf – im Oversampling-Verfahren und ohne Limit bei der Clip-Länge. Das macht das Filmen unkomplizierter. Genau wie die herausragende Batterielaufzeit: Während meiner Tests war der Akku auch nach einem ganzen Tag mit über 1000 geschossenen Bilder und zahlreichen Videoaufnahmen nicht leer. Damit sind wir endlich wieder auf dem Niveau der Spiegelreflexkameras angekommen, die noch keinen elektronischen Sucher betreiben mussten.
Hier die wichtigsten Spezifikationen im Vergleich mit der Vorgängerin und der Sony A7 IV:
Canon R6 MK II | Sony A7 IV | Canon R6 | |
---|---|---|---|
Auflösung | 24 Megapixel | 33 Megapixel | 20 Megapixel |
Sensor Typ | Front-side illuminated | Back-side illuminated | Front-side illuminated |
Serienbild | 40 FPS (elektr.)
12 FPS (mech.) | 10 FPS | 20 FPS (elektr.)
12 FPS (mech.) |
Stabilisierung | Bis 8 Stufen | Bis 5,5 Stufen | Bis 8 Stufen |
Blitzsynchr. | 1/200 s (mech.)
1/250 s (elektr.) | 1/250 s (mech.) | 1/200 s (mech.)
1/250 s (elektr.) |
Elektr. Sucher | 3,68 MP
0,76x | 3,69 MP
0,78x | 3,68 MP
0,76x |
Rückdisplay | 1,62 MP | 1,04 MP | 1,62 MP |
Video | Bis 4K 60p
(ohne Crop) | Bis 4K 60p
(1,5x-Crop) | Bis 4K 60p
(1,05x-Crop) |
Abmessungen | 138 × 98 × 88 mm
670 g | 131 × 96 × 80 mm
659 g | 138 × 98 × 88 mm
680 g |
Speicher | Dual SD (UHS-II) | 1 × CFe / UHS-II SD
1 × UHS-II SD | Dual SD (UHS-II) |
Die EOS R6 Mark II bedient sich wie alle anderen Canons, die Menüführung ist logisch aufgebaut. Ich vermisse lediglich den 4-Wege-Schalter auf dem Daumen-Drehrad, wie ich ihn von Sony kenne. Die Navigation mit dem Daumen-Joystick gefällt mir weniger gut. Das ist aber Gewöhnungssache – genau wie das Quick-Menü, in dem ich nicht direkt von links nach rechts springen kann, sondern alle Optionen einzeln durchscrollen muss.
Gut finde ich die neue Position des Ein-/Aus-Schalters. Er sitzt jetzt rechts, wo ich ihn mit dem Zeigefinger einfach erreiche. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass eingefleischte Canon-Fans langsam genervt sind, da sie bei jeder neuen Kamera umdenken müssen. Da, wo der Schalter früher war, befindet sich nun ein dedizierter Switch für den Wechsel zwischen Foto- und Videomodus. Das finde ich sehr nützlich. Weniger angetan bin ich vom Record-Button auf der Oberseite. Er ist stark versenkt und hat überhaupt keinen spürbaren Druckpunkt. So bin ich oft nicht sicher, ob ich ihn nun wirklich gedrückt habe. Die restlichen Knöpfe fühlen sich hingegen alle gut an.
Der elektronische Sucher ist derselbe wie beim Vorgängermodell. Mit 3,68 Millionen Bildpunkten und einer Vergrösserung von 0,76 ist er nichts Besonderes, aber auch nicht schlecht. Die Bildfrequenz lässt sich auf 60 oder 120 Hertz einstellen. Mit 60 sparst du Akku, mit 120 ist das Bild flüssiger. Auf der Rückseite der Kamera hat Canon wieder ein ausklapp- und drehbares Touch-Display verbaut. Das finde ich persönlich die beste, weil flexibelste Lösung. Der Bildschirm hat eine gute Auflösung von 1,62 Millionen Bildpunkten und ist schön hell.
Die enorm hohe Serienbildgeschwindigkeit und die guten Videofunktionen der R6 MK II bringen nur was, wenn auch der Autofokus mithalten kann. Im Foto-Modus kann er es, der Ausschuss ist klein, auch bei Serienfeuer und schnellen Objekten wie Autos. Bei Porträts krallt sich der Autofokus zuverlässig das richtige Auge. Die Genauigkeit ist hervorragend, die Geschwindigkeit für einen FSI-Sensor ebenfalls gut – mit stacked-Sensoren wie dem der R3 kann sie allerdings nicht mithalten. Praktisch finde ich die automatische Objektauswahl. Die Canon erkennt dann selbständig, ob es sich beim Sujet um eine Person, ein Tier oder ein Gefährt handelt.
Nicht ganz perfekt sieht die Sache bei Videos aus. Zwar ist die R6 MK II auch hier sehr genau, sobald sie ein Gesicht erkannt hat. Doch selten kommt es vor, dass sie getrackte Personen zwischendurch verliert. Dann fokussiert sie stattdessen auf etwas anderes oder den Hintergrund. Der Fehler wird zwar rasch korrigiert, doch dann ist der Schaden anders als bei Fotos längst angerichtet. Ich habe leider die grösste Konkurrentin Sony A7 IV nicht für einen direkten Vergleich zur Hand. Stattdessen muss meine A1 hinhalten, die in einer höheren Preisklasse spielt. Sie ist nach wie vor meine Referenz für ein so gut wie fehlerfreies Autofokus-System. In dieser Testaufnahme verlieren mich beide Kameras nicht, die Canon wirkt aber etwas träger. Bei beiden ist die Sensitivität auf den mittleren Wert eingestellt.
Das Tracking von manuell angewählten Objekten lässt in meinen Tests zu wünschen übrig. Der Autofokus scheint besonders im Gegenlicht oft überfordert zu sein und die Kamera verlagert die Schärfe manchmal eigenmächtig wieder auf mein Auge oder ganz woanders hin. In weniger anspruchsvollen Lichtsituationen bessert sich das. Insgesamt empfinde ich den Autofokus der R6 MK II deshalb trotzdem als sehr gut – aber nicht als makellos.
Wie oben erwähnt weigert sich Canon standhaft, auf BSI-Sensoren umzusteigen. Die Frage ist: Verliert der Hersteller damit den Anschluss zur Konkurrenz? Nein. Die R6 MK II zeigt, wie viel Canon aus seiner FSI-Sensortechnologie rauspressen kann. Ihre 24 Megapixel hinken zwar den 33 der Sony A7 IV etwas hinterher. Ob das eine Rolle spielt, hängt aber von deiner Anwendung ab. Wenn du Sport-, Reportage oder Hochzeitsfotograf bist und tausende Bilder pro Tag schiesst, sind die kleineren Datenmengen wahrscheinlich eher Segen als Fluch.
In diesen Anwendungen wirst du dich über das gute Rauschverhalten der R6 MK II freuen – wobei ich das heutzutage über jede Vollformat-Kamera schreiben kann. Wo sich die Canon abhebt, sind die Farben. Das ist letztlich Geschmacksache, aber in meinen Augen sehen Hauttöne einfach besser aus als bei anderen Herstellern. Bei meiner Sony muss ich zum Beispiel oft stark in die einzelnen Farbkanäle eingreifen, bis neutrale Farben keinen Stich mehr haben und gleichzeitig die Haut natürlich aussieht. Das ist kein Beinbruch, frisst aber Zeit, die ich mir mit der Canon spare. Einzig beim Dynamikumfang habe ich den Eindruck, dass bei den Bildern aus Konkurrenzmodellen mehr drin steckt. Ich habe aber keine Metrik, um das zu quantifizieren.
4K im Oversampling-Verfahren mit einem Vollformat-Sensor, kein Crop, keine maximale Clip-Länge – und das alles von 24 bis 60 FPS. Das ist grossartig für eine Kamera in der Preisklasse der R6 MK II. Es klingt banal, dass die Videoqualität gleich bleibt, wenn du zum Beispiel von 25 auf 50 FPS wechselst. Doch bei vielen anderen Kameras kann der Prozessor das Oversampling bei hohen Framerates nicht mehr bewältigen. Dann werden Kompromisse wie ein Crop-Faktor oder ein Wechsel zum schlechteren Line-Skipping-Verfahren nötig. So auch bei der Sony A7 IV, die bei über 30 FPS in den APS-C-Crop wechselt. Bei der R6 MK II ist das nicht der Fall und die Wahl der Framerate wird zur rein kreativen Entscheidung. Die Schärfe der Canon ist dank des Oversamplings generell hervorragend und übertrifft meine Sony A1 in 4K-Formaten. Erst das skalierte 8K der A1 holt noch mehr heraus.
Die Temperaturen hat Canon gut in den Griff bekommen. Ich habe die Kamera bei Zimmertemperatur in 60 FPS filmen lassen. Erst nach 44 Minuten am Stück überhitzte sie. Auch der Rolling Shutter ist gut unter Kontrolle. Klar: Die Geschwindigkeit, mit welcher der Sensor ausgelesen wird, ist nicht so hoch wie bei teuren stacked-Sensoren. Doch für einen normalen Sensor ist die R6 MK II bemerkenswert schnell – und besser als die Sony A7 IV, die Panasonic S5 oder die Nikon Z6 II.
Ich habe nur drei Haare in der Video-Suppe der R6 MK II gefunden. Das erste ist wie oben beschrieben der nicht ganz makellose Autofokus. Das zweite ist wie schon bei Fotos der Dynamikumfang: In Gegenlichtszenen lassen sich über- oder unterbelichtete Bereiche im Schnitt weniger gut retten als bei anderen Kameras. Youtuber Gerald Undone mutmasst, dass das einerseits an einer verlustreicheren internen Bildverarbeitung liegt und andererseits am Farbprofil. Bei der R6 Mark II steht nur C-Log 3 zur Verfügung und nicht das noch flachere C-Log 2. Das scheint mir ein künstlich erzeugtes Argument für teurere Kameras zu sein. Immerhin kann ich das Log-Profil sogar bei 1080p in 180 FPS benutzen. Die Farben gefallen mir mit C-Log 3 und einer normalen Farbtransformation in DaVinci Resolve sehr gut.
Das dritte Haar ist der «Wobble»-Effekt, an dem Canons R-Kameras seit Jahren leiden: Bei aktiviertem Bildstabilisator und leichten Bewegungen der Kamera wirkt der Hintergrund wie Gummi, während der Vordergrund stabil bleibt. Das Phänomen tritt besonders bei Weitwinkelobjektiven auf – und ist für Vlogger ein echtes Ärgernis. Canon hat versucht, das Problem mit Firmware-Updates in den Griff zu bekommen. Das hat so halb funktioniert. In der R6 MK II ist der Effekt lange nicht so ausgeprägt wie bei alten R-Serien. Weg ist er aber nicht:
Die Canon EOS R6 Mark II ist eine starke Antwort auf die Sony Alpha 7 IV: Eine bemerkenswert runde Vollformat-Hybridkamera. Im Vergleich entscheidet mal Canon, mal Sony die verschiedenen Testkategorien für sich.
Perfekt geeignet finde ich die neue R6 MK II für Anwendungen wie Reportage-, Hochzeits- oder Sportfotografie. Sie hat eine absurd hohe Serienbildgeschwindigkeit, ein sehr gutes Rauschverhalten und die mit Abstand beste Akkulaufzeit in ihrer Klasse. Der Autofokus leistet bei Standbildern ebenfalls sehr gute Arbeit, zudem liegt die Kamera hervorragend in der Hand und ist wetterfest. Die 24 Megapixel sind ein guter Kompromiss zwischen Auflösung und Dateigrösse. Für Dinge wie Landschaftsfotografie bietet die Sony A7 IV zum ähnlichen Preis etwas mehr Auflösung und Dynamikumfang.
Im Videobereich sammelt die neue Canon Punkte mit ihrer sehr guten Bildqualität dank Oversampling-Verfahren. Und zwar über alle Framerates hinweg. Während bei allen anderen Vollformat-Kameras in diesem Preissegment in 4K mit über 30 FPS ein Crop fällig wird, nutzt die R6 MK II selbst mit 60 FPS den vollen Sensor. Auch den Rolling Shutter hat sie besser im Griff als die Konkurrenz. Dafür ist der Autofokus nicht immer ganz zuverlässig und der Dynamikumfang etwas kleiner als bei Sony oder Panasonic. Und warum Canon 2022 noch eine Micro-HDMI-Buchse verbaut, werde ich nie verstehen.
Die kleinen Kritikpunkte sind Jammern auf hohem Niveau. Insgesamt ist die Canon EOS R6 Mark II eine sehr gute Kamera zu einem angemessenen Preis. Klar: Ein Systemwechsel lohnt sich dafür nicht. Hast du aber bereits ins Canon-System investiert und suchst einen neuen Allrounder-Body, kannst du bedenkenlos zugreifen. Und wenn du mit mittelgrossem Budget neu in die spiegellose Welt einsteigen willst, gehört die R6 MK II zu den Kameras, die ich als Erstes empfehlen würde – allerdings nur, wenn du native Objektive bevorzugst. Linsen von anderen Herstellern unterstützt Canons R-System nämlich weiterhin nicht.
Titelbild: Samuel BuchmannMein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.