Das Solar-Rennauto darf fliegen, nur das Fahren ist noch schwierig
Hintergrund

Das Solar-Rennauto darf fliegen, nur das Fahren ist noch schwierig

Wenn im Oktober das grösste Autorennen für solarbetriebene Autos stattfindet, ist ein Team der ETH Zürich dabei. Ich hatte bereits darüber berichtet. Jetzt wurde die mit Solarzellen bestückte Oberseite mit dem Chassis verbunden.

Es läuft die sprichwörtlich heisse Phase: Nur noch bis Anfang September hat die Crew der ETH Zeit, ihr selbst konstruiertes Solar-Rennauto zu testen und zu optimieren. Dann verschwindet das gut fünf Meter lange Gefährt in einem Container. Und der wird in einem Frachtflugzeug nach Adelaide, Australien gebracht. Von dort dann auf dem Landweg an den Startpunkt des Rennens in Darwin.

Die Vorbereitungen für die Logistik sind aufwändig. Und hätten die ETH-Studierenden mit der Firma Gebrüder Weiss nicht einen Sponsor gefunden, der den Flugtransport des Autos ermöglicht, müsste das Fahrzeug jetzt bereits in einem Schiffscontainer nach Australien unterwegs sein – so wie die weitere Ausrüstung für das Australien-Abenteuer.

Darüber macht sich an diesen Augusttagen in der Halle am Flugplatz Dübendorf aber niemand grössere Gedanken. Hier steht das Fahrzeug im Mittelpunkt. Und «steht» ist hier wörtlich gemeint.

Auch wenn es nur noch wenige Wochen bis zum Start des Rennens am 22. Oktober sind, dreht der Solarrenner keineswegs bereits seine Runden auf dem Flugplatzgelände. Noch schraubt und feilen die Studentinnen und Studenten am Fahrzeug, das im Prinzip bereits fahrtüchtig ist, wie mir Alexandr Ebnöther versichert. Seit meinem letzten Besuch im Juni ist viel passiert.

  • Hintergrund

    Das Solar-Rennauto fährt – allerdings noch ohne Sonnenstrom

    von Martin Jungfer

Hat das Rennauto vor einigen Wochen eher an ein Go-Kart erinnert, ist jetzt die Form zu erkennen. Der Antriebsstrang mit der Elektronik und seiner rund 100 Meter langen Verkabelung sowie die Fahrerkabine haben eine windschnittige Hülle erhalten. Diese wurde natürlich vorher im virtuellen Windkanal optimiert. Die Verkleidung, die sogenannte Aeorshell, ist aus zu Stoff gewobenen Karbonfasern zunächst laminiert und im Anschluss gebacken worden. Das Material bietet Stabilität und Steifheit, ohne so schwer zu sein wie das Blechkleid eines normalen Autos.

Die Radkästen erhalten Abdeckungen, um den Luftwiderstand zu verringern. Die sogenannten Wheel Doors werden dann nur bei engen Kurven geöffnet, auf der meist geraden Rennstrecke bleiben sie geschlossen.
Die Radkästen erhalten Abdeckungen, um den Luftwiderstand zu verringern. Die sogenannten Wheel Doors werden dann nur bei engen Kurven geöffnet, auf der meist geraden Rennstrecke bleiben sie geschlossen.
Quelle: Martin Jungfer
In der Fahrerkabine sind alle Knöpfe montiert, inklusive des Not-Aus-Knopfes, der bei einem Problem sämtliche Elektronik deaktiviert.
In der Fahrerkabine sind alle Knöpfe montiert, inklusive des Not-Aus-Knopfes, der bei einem Problem sämtliche Elektronik deaktiviert.
Quelle: Martin Jungfer

Nur etwas mehr als 150 Kilogramm wiegt der Einsitzer, den die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure in monatelanger Arbeit entworfen und umgesetzt haben. Inklusive der Akkuzellen, exklusive des Gewichts des Fahrers. Damit wird er eine Höchstgeschwindigkeit von über 100 km/h erreichen. Trotzdem werden sich die 3000 Kilometer sicher lang anfühlen im Cockpit. Der Kopf des Fahrers ist der australischen Sonne mindestens ebenso ausgesetzt wie die vier Quadratmeter Solarzellen auf der Oberseite des Autos.

Dort wird die Energie für den fünf Kilowatt, umgerechnet knapp sieben PS, starken Elektroantrieb erzeugt, der überschüssige Strom wird von der Elektronik in den 20 Kilogramm schweren Akku gelenkt. Diesen muss die Crew gemäss Rennregeln jeden Abend ausbauen und bei der Jury abgeben. So soll verhindert werden, dass sich ein Team einen Vorteil verschafft, indem es den Akku womöglich über Nacht lädt. Um den Akku möglichst einfach aus dem Auto herauszubekommen, schleift Studentin Clara Nörenberg an der Karbonhülle noch eine störende Kante ab. So etwas fällt erst auf, wenn das Rennauto für die Praxis getestet wird.

Aktuell fühlt es sich so an, als kämen für jedes Problem, das wir gelöst haben, zwei neue hinzu.
Aaron Griesser, ETH-Student

Tüfteln ist auch gefragt, um dem Auto den Deckel zu verpassen, sprich das mit besonders effizienten Solarzellen der Meyer Burger AG beklebte Dach so zu montieren, dass es sich öffnen lässt, wenn der Fahrer aussteigt. Diese Aufgabe liegt bei Clara Nörenberg und Gian-Leo Willi. Scharniere und Verschlüsse werden an die Grundstruktur geschraubt. Am Ende sind Dach und Auto verbunden. Die von den Solarzellen erzeugte Leistung kann den mit Permanentmagnet arbeitenden Motor am hinteren Rad antreiben.

Auch wenn die ETH-Studierenden ein Solar-Rennauto bauen – viel Arbeit findet am Computer statt. Hier arbeiten (von links) Jonas Rudin, Aaron Griesser und Pascal Burkhard.
Auch wenn die ETH-Studierenden ein Solar-Rennauto bauen – viel Arbeit findet am Computer statt. Hier arbeiten (von links) Jonas Rudin, Aaron Griesser und Pascal Burkhard.
Quelle: Martin Jungfer
Die Solarzellen sind empfindlich und deshalb mit Luftpolsterfolie abgedeckt.
Die Solarzellen sind empfindlich und deshalb mit Luftpolsterfolie abgedeckt.
Quelle: Martin Jungfer
Nach dem Entfernen des Schutzes ist ein prüfender Blick fällig. Wären nicht alle Module ordentlich verbunden, könnten einzelne zu heiss werden.
Nach dem Entfernen des Schutzes ist ein prüfender Blick fällig. Wären nicht alle Module ordentlich verbunden, könnten einzelne zu heiss werden.
Quelle: Martin Jungfer

Weil bei jeder Fahrt aber das Prinzip «Safety First» lautet, darf Fahrer Jonas Rudin noch nicht ins Auto steigen. Es fehlt ein Teil des Sicherheitsgurtes. Und ohne den geht nichts, auch nicht für eine kleine Testrunde. Aber auch die Herausforderung lässt sich am Ende lösen. Die Studierenden haben inzwischen ein ganzes Netzwerk von Partnern und Helfern für den Fall, dass noch etwas gebraucht wird.

Aber dann warten eben jetzt noch hundert andere Dinge aufs Team. So musste zum Beispiel am Heck Platz für ein offizielles australisches Auto-Kennzeichen geschaffen werden. Denn die Solar-Rennautos müssen eine Strassenzulassung bekommen für das Event, inklusive Nummernschild. Dort, wo heute noch das blaue L-Schild hängt, wird es später angebracht. Auch wenn das den Strömungswiderstandskoeffizienten vielleicht leicht verschlechtert – stolz sein werden sie, wenn sie das Schild im Oktober montieren dürfen.

Heute ein blaues L, in Australien gibt es dann das offizielle Kennzeichen.
Heute ein blaues L, in Australien gibt es dann das offizielle Kennzeichen.
Quelle: Martin Jungfer

Das Team der ETH gibt auch bei Instagram Einblicke in den Entstehungsprozess des Solar-Rennautos. Allgemeine Informationen über die World Solar Challenge findest du hier, die offizielle Homepage des ETH-Teams ist hier zu finden.

Titelfoto: Martin Jungfer

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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