Dating in Zeiten von Künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz ist in vielen Lebensbereichen eine willkommene Helferin. Aber gilt das auch für unser Liebesleben? Sexualtherapeutin Dania Schiftan über die Chancen und Gefahren von KI im Online-Dating.
Du sagst, Künstliche Intelligenz hat die Dating-Plattformen erobert. Wie und zu welchen Zwecken wird KI von Nutzerinnen und Nutzern eingesetzt?
Dania Schiftan, Sexologin und Psychotherapeutin: Die Anwendungsmöglichkeiten von KI auf Dating-Plattformen sind vielfältig. Du kannst sie einsetzen, um schneller gute Matches zu finden, indem sie die Datingplattformen nach bestimmten Kriterien durchforstet. Mit Apps wie PhotoAi.Me kannst du zum Beispiel dein Profilbild optimieren. Mit Programmen wie ChatGPT kannst du die Fragen zu deiner Person in deinem Profil besonders originell beantworten oder sie können dir Einstiegsfragen vorschlagen, mit denen du im Chat das Eis brichst. In so einem Fall würde die KI als eine Art Flirttrainer fungieren. Apps wie Mila Dating oder CupidBot richten sich vorwiegend an Männer und sollen ihnen helfen, mit ihren Matches zu kommunizieren, indem sie den Stil des Suchenden nachahmen sollen.
Lassen sich so überhaupt bedeutsame Beziehungen aufbauen? Hört sich irgendwie an, als würde man sein Gegenüber bescheissen.
Wenn ich beispielsweise ChatGPT als Sparringpartner nutze, um ein interessanterer Gesprächspartner oder eine interessantere Gesprächspartnerin zu werden, ist das nicht unbedingt Bescheissen. Dann wäre zum Beispiel ein Rhetorikkurs oder die Lektüre eines Flirtratgebers auch Bescheissen. Das liesse sich wohl unter «an sich arbeiten» verbuchen.
Und wenn ich die KI die gesamte Kommunikation übernehmen lasse?
Wenn ich jede Frage oder Nachricht des Chat-Partners oder der Chat-Partnerin von der KI beantworten lasse, wäre das durchaus eine Vorspiegelung falscher Tatsachen und fragwürdig. Andererseits hängt es natürlich auch davon ab, wie authentisch eine KI in der Lage ist, mich nachzuahmen.
Inwiefern?
Gelingt ihr das gut und ich übernehme dann das Steuer irgendwann wieder, ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich daraus eine funktionierende Beziehung entwickelt. Das war bei Aleksandr Zhadan der Fall. Der Informatiker aus Moskau ist bekannt geworden, weil er eine Software geschrieben hat, die ihm half, über 5000 Frauen gleichzeitig zu daten.
Wie das?
Die Software fungierte als Ghostwriter und persönlicher Assistent, der zu Zhadans Vorlieben passende Frauen in seinem Schreibstil kontaktiert und mit ihnen erste Verabredungen vereinbart hat. Die Software hat dabei die Dates direkt in Zhadans Kalender eingetragen. Insgesamt hat er sich mit etwa 100 Frauen tatsächlich getroffen, mit einer davon ist er heute verheiratet.
Immerhin ein Happy End – wenn ich auch das Vorgehen etwas kritisch sehe.
Die feine Art ist es nicht. Wir können uns ja fragen, wie wir uns selbst fühlen würden, wenn jemand anderes so vorginge und wir der Täuschung auf den Leim gehen. Gut fühlt sich das wahrscheinlich für niemanden an. Hier wäre dann auch die Frage, ob das für den einzelnen verzeihlich ist oder nicht, oder ob es überhaupt zugegeben wird.
Okay, ich sehe ein, dass sich aus solchen Shortcuts wirkliche Vorteile ergeben können. Welche Nachteile sind zu erwarten?
Manche Nutzer und Nutzerinnen verlieren mehr Zeit, als sie gewinnen. Eine Redakteurin der Zeitschrift Glamour hat einen Selbstversuch gestartet, um herauszufinden, ob KI ihr helfen kann, ein Tinder-Profil zu erstellen und ihr Profilbild zu verbessern. Ihr Fazit war ernüchternd. Sie kam zum Schluss, dass sie selbst ihr Profil in kürzerer Zeit besser geschrieben hätte. Lediglich das Aufhübschen des Profilbildes mit einem etwas spektakuläreren Hintergrund fand sie zum Schluss gelungen. Allerdings ist natürlich zu erwarten, dass die entsprechenden Apps mit der Zeit wesentlich ausgereifter sein werden.
Das klingt ziemlich harmlos. Muss ich mich als Userin beim Online-Dating auch vor folgenschwereren Konsequenzen durch KI-Einsatz in Acht nehmen?
Ja, die KI könnte zum Beispiel systematisch von Psychopathen genutzt werden. Leute mit schlechten Absichten. Oder auch von sogenannten «Pick-up Artists». Das sind Männer, die auf Dating-Plattformen möglichst junge, attraktive Frauen «abschleppen» respektive rumkriegen wollen, um mit ihnen Sex zu haben und sie zu diesem Zweck bewusst manipulieren. Für sie ist das eine Art Kunstform. Sie bedienen sich dabei fragwürdiger, aber leider oft funktionierender Strategien.
Wie wirkt sich denn der Einsatz von KI auf das Vertrauen aus, das man in einem gewissen Mass ja mitbringen muss, um sich auf die Erfahrung des Online Datings einzulassen?
Wenn sich KI beim Dating durchsetzt, könnte es sein, dass dadurch langfristig das Vertrauen der Nutzer und Nutzerinnen untergraben wird. Wenn wir uns nicht darauf verlassen können, dass «am anderen Ende» eine echte Person sitzt und das Profilbild und die im Profil enthaltenen Informationen nicht wirklich den Datingpartner oder die Datingpartnerin wiedergeben, wissen wir nicht, was uns bei einem echten Date erwartet. Das weiss man zwar nie, aber wenn es immer leichter wird, etwas vorzuspiegeln, was nicht der wirklichen Persönlichkeit entspricht, könnte es sein, dass das Misstrauen der Nutzerinnen und Nutzer grösser wird.
Dieses «Nicht wissen, wer am anderen Ende sitzt» ist ja auch ein Problem, das wir von den Chatbot-Profilen kennen. Was ist da genau der Unterschied?
Bei Chatbots chattest du mit einem technischen Dialogsystem, bei dem kein Mensch zwischengeschaltet ist. Du unterhältst dich also direkt mit einem Roboter. Sie kommen leider auch auf Dating-Plattformen zum Einsatz. Zum Beispiel, wenn es zu wenige weibliche Profile gibt.
Kann ich als Partnersuchende auf einer Dating-Plattform überhaupt merken, ob mein Gegenüber selbst schreibt oder die KI?
Das kommt vermutlich auf verschiedene Faktoren an.
Sehr junge Menschen, also Teenager oder Kinder mit wenig Erfahrung, lassen sich vermutlich leichter täuschen – auch das ist ein Problem.
Ein Erwachsener, der sich ein bisschen mit KI befasst hat und ein wenig Sprachgefühl und Beobachtungsgabe mitbringt, wird vermutlich schnell Muster wahrnehmen und «Fakes» erkennen – zumindest jetzt noch. Erwartungsgemäss werden sich die Apps im Hintergrund schnell stark verbessern, wodurch sie dann weniger leicht zu erkennen sind.
Nach welchen Mustern soll ich Ausschau halten, wenn ich herausfinden will, ob sich mein Gegenüber von einer KI helfen lässt?
Eine besonders schnelle Reaktionszeit. Auch Antworten, die sich unpersönlich anfühlen oder sich wiederholende Formulierungen können Indizien sein. Eine weitere Red Flag: Der Schreibstil ändert sich plötzlich merklich, nachdem du eine Frage gestellt hast. Dann kann es sein, dass die Frage die KI aus dem Konzept gebracht hat und der User oder die Userin sich gezwungen sah, selbst zu antworten. Das kann etwas völlig Banales sein, mit dessen Beantwortung eine KI aber nichts anfangen kann. Wie etwa: «Magst du lieber Caipirinha oder Mojito?»
Was wären deine persönlichen Tipps zum Umgang mit KI auf Datingplattformen?
Ich würde dazu raten, in Text und Bild authentisch zu bleiben. Wenn die eigene Person grundsätzlich wie in der Wirklichkeit rüberkommt, ist es auch kein Problem, wenn zum Beispiel ChatGPT beim Formulieren der Bio hilft. Sobald aber bewusst falsche Tatsachen vorgespiegelt werden, wird es problematisch.
Alle weiteren Beiträge aus der Serie findest du hier:
Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.