Der Satz: «Mit dir ist es schöner als ohne dich» ist zentral in einer Fernbeziehung
Hintergrund

Der Satz: «Mit dir ist es schöner als ohne dich» ist zentral in einer Fernbeziehung

Jede siebte Beziehung ist eine Fernbeziehung, schätzen Experten wie Dr. Peter Wendl. Der Paar- und Familientherapeut verrät im Interview, wie eine Fernbeziehung gelingen kann – und welcher Satz für Paare dann am wichtigsten ist.

Schmerzhafte Abschiede, viel Zeit getrennt und kein gemeinsamer Alltag: Wer schon mal in einer Fernbeziehung gelebt hat, weiß Bescheid über die Tücken der Liebe auf Distanz. Dr. Peter Wendl aber fasziniert die Fernbeziehung: Der Paar- und Familientherapeut spezialisiert sich seit vielen Jahren auf die Behandlung von Fernbeziehungspaaren und forscht dazu am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. In seinem Buch «Gelingende Fern-Beziehung» schreibt er über Herausforderungen, aber auch über Chancen der Fernbeziehung.

Gelingende Fern-Beziehung (Deutsch, Peter Wendl, 2013)

Gelingende Fern-Beziehung

Deutsch, Peter Wendl, 2013

Gelingende Fern-Beziehung (Deutsch, Peter Wendl, 2013)
Ratgeber

Gelingende Fern-Beziehung

Deutsch, Peter Wendl, 2013

Im Interview verrät er, wie wir schwere Abschiede besser verkraften und was uns in Partnerschaften wirklich zusammenhält.

Dr. Wendl, können alle Liebenden ihre Beziehung auch auf Distanz leben? Welche Eigenschaft sollte man für eine Fernbeziehung mitbringen?

Peter Wendl: Ich habe sieben Jahre lang in einer Fernbeziehung gelebt und dachte erst selbst, ich sei überhaupt nicht dafür geeignet. Das ist schon die Antwort: Fernbeziehungsgeeignet ist eigentlich jeder, wenn er muss und will. Wenn man einen Menschen liebt, dann stellt sich die Frage erst einmal nicht. An Eigenschaften braucht es außer der Leidensfähigkeit und der Fähigkeit, Sehnsucht auszuhalten, vor allem eines: Die Fähigkeit, einen erfüllenden Alltag alleine kultivieren zu können. Wer nur leidet ohne den anderen, wird es nicht lange aushalten.

Und was hilft nicht?

Eifersucht. Da müssen wir uns fragen: Wie kann es uns gelingen, trotz der Distanz ein Gefühl der Sicherheit herzustellen?

Sie schreiben in Ihrem Buch: «Die Fernbeziehung ist eine ungewöhnliche Chance für beide Partner». Wie meinen Sie das?

Fernbeziehungen sind im Prinzip ein Trainingslager für die Liebe. Paare in Fernbeziehungen müssen einen großen Aufwand betreiben, um sich sehen zu können. Das kostet Geld, Zeit, Sehnsucht und braucht vor allem eines: Commitment ...

... das heißt: Wer sich auf eine Fernbeziehung einlässt, der will die Beziehung wirklich?

Genau, wenn man sich liebt, wird man die Liebe auf Distanz auf jeden Fall versuchen. Wenn wir voneinander getrennt sind, spüren wir sehr stark, woran es uns fehlt, eben weil der Partner nicht da ist: Dieses Gefühl bekommen wir in der Fernbeziehung geschenkt. Deshalb muss man sich in Fernbeziehungen häufiger als in Nahbeziehungen sagen, dass man gerne zusammen ist. Die Partner verhungern sonst. Der Satz: «Mit dir ist es schöner als ohne dich» ist die Kernaufgabe der Fernbeziehung.

Welche Vorteile sehen Sie abseits der Beziehung für die Partner einzeln?

In der Zeit ohne den Partner oder die Partnerin können wir die Zeit getrennt sinnvoll für uns nutzen: Wir können einem Hobby nachgehen, Freundschaften pflegen oder uns auf die Karriere konzentrieren, ohne dass es zu einem Konkurrenzverhältnis mit der Beziehungszeit kommt.

Oft erleben Paare aber eine Fernbeziehung vor allem als schwierig. Was sind die größten Herausforderungen?

Wir teilen keinen Alltag vor Ort miteinander. Die Alltagssehnsucht kann zwar eine Chance sein, oft ist sie aber ein Killer. Viele Fernbeziehungspaare sehnen sich danach, einfach gewöhnliche Dinge des Alltags miteinander erleben zu können. Im Prinzip leben Fernbeziehungspaare in drei Welten: Du in deiner, ich in meiner und dann gibt es noch die gemeinsame Welt. Die Kunst besteht darin, in deiner und meiner Welt eine Schnittmenge zu finden.

Wie schafft man diese Schnittmenge: Welchen Rat geben Sie Paaren, wie sie trotz Distanz gemeinsam wachsen können?

Die Fernbeziehung wird ja schnell zum Hamsterrad. Man kommt freitags an, samstags holt man vieles nach, was Beziehung ausmacht wie Sexualität oder Kommunikation. Am Sonntag verfällt man schließlich dem Abreise-Blues. Deshalb rate ich meinen Patienten, zehn Urlaubstage im Jahr für verlängerte Wochenenden zu nutzen. Kurzurlaub unterbricht das Hamsterrad und das Paar gewinnt einen Tag zusammen. Und es ist wichtig, die Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen und den Partner in Echtzeit am Alltag teilhaben zu lassen. Tun wir das nicht, fangen wir jede Woche, wenn wir uns wiedersehen, bei Null an.

Haben Sie einen Tipp, um den Abreise-Blues zu überwinden und schwere Abschiede besser zu verkraften?

Ablenkung. Es klingt banal, wirkt aber therapeutisch. Die Person, die zurückbleibt, bekommt das Defizit erst einmal deutlicher zu spüren. Der- oder diejenige sollte sich dann auch ablenken, etwas unternehmen und Freunde treffen dürfen. In meiner eigenen Fernbeziehung damals haben wir den An- und Abreisetag von allen Erwartungen befreit: Alle Launen und Themen waren erlaubt. So kam es zu weniger Enttäuschungen und wir konnten diese herausfordernden Tage gut überstehen. Paare in einer Fernbeziehung können lernen, den Abreise-Blues auch als Liebesbeweis zu verstehen. Denn schwere Abschiede zeigen: Ich will mit dir zusammen sein und es geht mir weniger gut, wenn ich nicht bei dir bin.

Sie forschen viel zu Fernbeziehungen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum immer mehr Menschen in Fernbeziehungen leben? Ist die Fernbeziehung das Beziehungsmodell unserer Zeit?

Als ich meine Doktorarbeit über die Fernbeziehung geschrieben habe, stand sie noch nicht einmal im Duden. Die Beziehung auf Distanz galt lange Zeit als Manko, heute ist sie nichts Unkonventionelles mehr. Wir gehen davon aus, dass jede siebte Beziehung im deutschsprachigen Raum eine Fernbeziehung ist. Warum hat sich die Bereitschaft in den vergangenen Jahren so stark erhöht hat, Fernbeziehungen einzugehen? Das liegt an den Möglichkeiten der Echtzeitkommunikation. Millionen von Menschen lernen sich über Online-Plattformen kennen. Dort können sie ihren Alltag teilen, sich aus der Ferne kennenlernen und in Kontakt bleiben. Auch das Reisen ist günstiger geworden: Wenn ich wollte, könnte ich in einem Tag ans andere Ende der Welt fliegen, um jemanden zu besuchen.

Viele Menschen können sich regelmäßige Flug- und Zugreisen nicht leisten. Ist eine gelingende Fernbeziehung nicht auch eine Frage des Geldes – und der Zeit?

Paare brauchen natürlich die zeitliche Perspektive: Wie lange soll die Fernbeziehung dauern und wie oft können wir uns sehen? Das hat am Ende auch mit finanziellen Möglichkeiten zu tun. Meistens ist es aber so, dass es Fernbeziehungspaare fast immer hinbekommen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Distanz auszuhalten. Die Voraussetzung dafür ist: Beide Partner wollen die Beziehung wirklich. Wir beobachten allerdings, dass Paare mit geringeren finanziellen Mitteln früher zusammenziehen, wohingegen die Berufsmobilität und längerfristige Fernbeziehungen eher unter Akademikerinnen und Akademikern verbreitet ist.

Ist jede Fernbeziehung früher oder später zum Scheitern verurteilt? In Ihrem Buch klingt es so, Sie schreiben: «Zur Gewohnheit kann diese Beziehungsform kaum werden».

Nein, eine Fernbeziehung muss nicht scheitern. Ich habe Paare in Behandlung bei denen klar ist, dass sie ihr ganzes Berufsleben in Fernbeziehungen verbringen werden. Denken Sie an Flugpiloten, Spitzensportler oder Außendienstmitarbeiter. Bei diesen Paaren wird es eher zur Herausforderung was passiert, wenn man plötzlich im gemeinsamen Haushalt lebt.

Und? Worauf müssen Paare beim Zusammenziehen gefasst sein?

Beim Zusammenziehen geht der Reiz ein Stück weit verloren und die Veralltäglichung tritt ein. Wir hören auf, den Partner zu glorifizieren und es fallen uns Fehler auf, die uns in der Wochenendbeziehung nicht gestört haben. Oft kommt der Tag nach vier bis sechs Monaten des Zusammenlebens. Ich rate meinen Patienten dann: Tragen Sie sich diesen Tag in den Kalender ein. Ab jetzt wird es (auch) Arbeit.

Haben Sie Tipps, wie diese Arbeit gelingen kann?

Wenn der Alltag anstrengend wird, kann es guttun, hin und wieder Fernbeziehungspaar zu bleiben. Sich Zeiten getrennt voneinander einzuräumen, Freunde zu treffen und den eigenen Interessen nachzugehen. Eine besondere Herausforderung besteht natürlich für jenen Partner, der Freunde, Beruf und Familie vielleicht sogar in einem anderen Land für die Beziehung zurücklässt. Im Idealfall zieht man dann als Paar in eine neue Wohnung, baut sich etwas Eigenes auf und verhindert so, dass sich ein Partner beim anderen nur zu Gast fühlt.

Was zeichnet Paare aus, die eine Fernbeziehung gut überstehen?

Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit, einen Alltag unabhängig voneinander zu leben. Letztendlich bestehen jene Fernbeziehungen, bei denen sowohl die Motivation unter den Partnern, als auch die zeitliche Perspektive geklärt ist. Die Grundfrage, weshalb man zusammen ist, muss zwischen beiden Partnern klar sein. Dann schafft man das auch.

Wenn es nicht zwingend die Nähe ist: Was hält uns in Partnerschaften wirklich zusammen?

Ich würde gerne sagen: die Liebe. Aber das ist zu einfach. Für Fernbeziehungen gilt, was für alle Beziehungen gilt: Partnerschaft ist harte Arbeit. In der Fernbeziehung bekommen wir ständig die Chance, zusammen schwere Zeiten zu durchleben. Und das ist es letztlich, was uns als Paar zusammenschweißt.

Titelbild: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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