
Ein einschneidendes Erlebnis: Mein Umstieg auf die Linkshänderschere
Mein ganzes Leben lang habe ich als Linkshänder mit Scheren für Rechtshänder geschnitten. Der Grund: Sie sind einfach überall und man gewöhnt sich an die Qual. Die Zahlen zeigen, dass es nicht nur mir so geht.
Jeden Donnerstag habe ich mich wie ein Depp gefühlt. Immer dann, wenn ich Papier oder Karton bündeln wollte und mit der Schere die Schnur eher zerkaut als zerschnitten habe. Ein befriedigendes «Schnapp» habe ich nie gehört, eine klare Schnittkante nie gesehen.
Als Linkshänder bin ich daran gewöhnt, mit «normalen» Scheren zu hantieren, was gleichbedeutend mit Rechtshänderscheren ist. So sehr ich mich auch bemühe und die Scherblätter mit dem Daumen aneinander ziehe – sie schneiden nicht, sie klemmen nur ein. Geärgert habe ich mich oft. Eine Schere für Linkshänder zu kaufen, kam mir nicht in den Sinn.
Schluss mit den Scherereien
In der Küche hat ein Messer die Schere ersetzt. Und die Macht der Gewohnheit war stark genug, dass ich mich damit abgefunden hatte. Selbst als mein Sohn mir eine schenken wollte, habe ich nur «ach was» gesagt. Aber anschliessend immer mal wieder so heimlich wie erfolglos nach seiner Bastelschere für Linkshänder gesucht.

Er ist selbst ein Hybrid, der mit links schreibt und schneidet, aber mit rechts wirft und Tennis spielt. In der Schule – auch das ist anders als früher – bekommt er regelmässig ein passendes Modell in die Hand und ist deshalb klüger als ich, der ich mich mit meinen gut 40 Jahren Scherenfrust abgefunden hatte. Aber er hat mir zumindest den Gedanken ins Hirn gepflanzt, dass es da draussen etwas Besseres für mich geben könnte.
Anonymous, I feel you!
Als ich dann im Galaxus-Sortiment doch einmal den Suchbegriff «Linkshänderschere» eingebe und mir die beliebtesten Modelle anschaue, muss ich lachen – dieser User-Kommentar könnte glatt von mir sein. Gleiches Alter, gleiche Erlebnisse.

Quelle: Screenshot Galaxus
Anonymous, I feel you! Deine Begeisterung überzeugt mich. Ich bestelle mir die Schere und muss sagen: Du hast absolut recht! Wie konnte ich nur ohne. Die Linkshänderschere liegt bei mir jetzt immer griffbereit. Ich muss mich nur daran gewöhnen, sie auch zu benutzen. Manchmal ertappe ich mich noch dabei, weiter mit Messern zu murksen.

Ich frage mich seither, warum wir Linkshänder immer nur «falsche» Scheren zur Hand haben. Immerhin machen wir, je nachdem wie streng die Kriterien sind, zwischen 9,34 und 18,1 Prozent der Bevölkerung aus, weltweit liegt der Schnitt angeblich bei 10,6 Prozent. Liegen die Verkaufszahlen so viel niedriger? Ich frage bei Victorinox nach, deren Linkshänder-Haushaltsschere ich mir gekauft habe.
Ein Nischenprodukt
Ein paar Tage später erfahre ich von Victorinox, dass Scheren «grundsätzlich eine Ergänzung unseres Sortiments an Küchenmessern und Küchenhelfern» und die Linkshänderscheren in diesem Sortiment ein Nischenprodukt sind.
Basierend auf den Verkaufszahlen der Scheren lag der Anteil der Linkshänderscheren knapp über drei Prozent.
Gemeinsam stellen wir fest: Die Schere zwischen Marktanteil bei Victorinox und Linkshänderanteil an der Bevölkerung geht weit auseinander. Anonymous, du und ich, wir gehören zu den wenigen, die ihr spätes Glück mit den «richtig» angeordneten Klingen gefunden zu haben scheinen!

Linkshänderscheren 2021? Schlappe 0,4 Prozent
Allerdings gibt es nicht nur Victorinox. Ich frage bei meiner Kollegin Ana aus dem Category Management nach, wie es generell um die Verkaufszahlen von Linkshänderscheren bei Galaxus bestellt ist. Während sie die Daten heraussucht, vertiefe ich mich weiter ins Thema.
Und finde einen Community-Beitrag aus dem Jahr 2021, der sich darüber beklagt, dass wir links liegen gelassen werden.
Bei geschätzt zehn Prozent Linkshändern in der Bevölkerung hat Galaxus schlappe 0,4 Prozent Linkshänderscheren im Angebot: 2 von 493 Produkten. Und dann sind das auch noch Kinderscheren ...
Fast alles für fast jede*n? Fast. Es liegt auf der Hand und auch im Sprachgebrauch: Rechtshänder sind «right» und Linkshänder nichts Rechtes, schon das Wort links hat viele unschmeichelhafte Sprachwurzeln mit Bedeutungen von ungeschickt bis hinterhältig. Dabei müssen wir uns im Alltag oft auch mit der schwachen Hand geschickt anstellen, um zurechtzukommen.
Es geht doch: links liegt im Trend!
Zumindest im Scheren-Sortiment hat sich einiges getan: Inzwischen kann ich, Stand 13. März 2025, nach 178 Linkshänderscheren filtern, was bei 442 für Rechtshänder wahnsinnig viel ist. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass viele Modelle darunter sind, die als «universell» eingestuft werden.
Universalscheren sind ein Kompromiss, der wenigstens für alle Nutzerinnen und Nutzer gleich gut oder schlecht funktionieren soll. Die Griffe sind symmetrisch und auch die Klingen sind oft gleich geschliffen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis finde ich viele «universelle» Modelle, die klar auf die rechte Hand ausgelegt sind. Ist es schnippisch zu behaupten, dass das grösstenteils Mogelpackungen sind? Ich habe jedenfalls noch keine in die Finger bekommen, die mich wirklich zufriedengestellt hat.

In den Daten des Jahres 2024, die ich inzwischen bekommen habe, lassen sich die «echten» Linkshänderscheren nicht so leicht von denen trennen, die angeblich universell geeignet sind. Es fällt jedoch sofort auf, dass die Kinderscheren dominieren: 83 Prozent sind für den Nachwuchs gedacht.
Zum Vergleich bei den Erwachsenen taugt am ehesten einer der Bestseller, den es für Links- und Rechtshänder gibt: die «SoftGrip» von Westcott. Bei ihr kauften immerhin 7,8 Prozent das Modell für Linkshänder.
Man muss auch mal die Schere heben
Um den Abstand weiter zu verringern, empfehle ich allen Rechtshänderinnen und Rechtshändern, beim Schneiden mal die Hand zu wechseln. Es macht wirklich keinen Spass. Wenn du in deinem Bekanntenkreis ahnungslose Linkshänderinnen und Linkshänder hast, dann weisst du jetzt, was eine schöne Bescherung für sie wäre.
Anonymous und ich haben das frustfreie Schneidegefühl mit einem Gerät, das speziell auf uns zugeschnitten ist, erst viel zu spät kennen gelernt. Es ist nur ein kleiner Schnitt für eine Schere. Aber ein grosser Schnitt für 10,6 Prozent der Menschheit.
Die Scheren-Frage
Lesen hier mehr Linkshänder mit als im Durchschnitt? Und wenn ja: wie viele?
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.