Ein genauerer Blick auf Intel Alder Lake-S
Intel bringt die ersten Alder-Lake-S-Prozessoren. Die sind hybrid und unterstützen im Consumer-Bereich erstmals DDR5-RAM. Auch sonst tut sich bei Intel einiges.
Kürzlich behauptete Intel-CEO Pat Gelsinger in einem Interview, dass Intel dank Alder Lake-S wieder an AMD vorbeizieht. Die AMD-Zen-3-Prozessoren haben 2020 Intels Line-up sowohl in der Single- als auch Multi-Thread-Leistung geschlagen. Das war aber kein Zufall: Seit AMD 2017 die Ryzen-Prozessoren eingeführt hat, kam der Hersteller leistungstechnisch immer näher an Intel ran. Intel begnügte sich derweil mit der Position des Marktführers, ohne wirkliche Innovation. Zudem bereitete dem Unternehmen der Übergang von der 14-nm-Fertigung zur 10-nm-Fertigung Mühe. Mit Alder Lake soll sich das jetzt ändern.
Die Vorgeschichte: Von Bequemlichkeit zu Intel 7
Intel startete zwar bereits 2019 mit der Fertigung in 10 nm. Aber ausschliesslich bei mobilen Prozessoren. Bei den Desktop-Chips verharrte Intel bei 14 nm. Von Generation zu Generation erhöhte der Hersteller die Anzahl Kerne/Threads der Prozessoren. Damit gelangten diese aber schnell an die Grenzen des Möglichen des 14-nm-Herstellungsverfahren. Die 12. Generation der Core-i-Prozessoren, also Alder Lake-S, wird jetzt im Intel-7-Verfahren gefertigt. Dabei handelt es sich technisch gesehen um das 10-nm-Enhanced-SuperFin-Verfahren. Intel will mit dem Namen hervorheben, dass das Verfahren eine ähnliche Transistorendichte aufweist wie die 7-nm-Verfahren der Konkurrenten TSMC oder Samsung.
Dank Intel 7 weisen die Alder-Lake-S-Prozessoren eine höhere Transistorenanzahl auf. Dadurch kann der Halbleitergigant seine neuesten Golden-Cove-Hochleistungskerne (P-Kerne) einsetzen. Aufgrund der Die-Fläche – das ungehäuste Stück eines Halbleiter-Wafers – des Alder Lake-S, können jedoch «nur» maximal 10 Hochleistungskerne eingesetzt werden. Das sieht im Vergleich zu den 16-Kernen bei AMD schlecht aus. Intel fügt daher bis zu zwei Quad-Core Gracemont-Kerne (E-Kerne) hinzu. Das sind sparsame, aber auch weniger leistungsfähige Kerne. Somit hat Alder Lake-S bis zu 16 Kerne, genau wie die Konkurrenz von AMD. Bei Intel sind es aber 8 Performance-Kerne und 8 Effizienz-Kerne. AMD unterscheidet nicht zwischen den Kerntypen.
Laut Intel liefern die P-Kerne 28 Prozent mehr Instruktionen pro Zyklus (IPC) gegenüber der Vorgängerarchitektur Skylake. Gegenüber AMDs Zen 3 sind es zwischen 15 und 20 Prozent mehr IPC. Da die E-Kerne auch einigermassen schnell sind – nicht mehr als 10 Prozent weniger IPC als Skylake – ergibt sich über alle Kerne gesehen eine ähnliche Leistung wie bei AMDs 16-Kerner Ryzen 5950X. Der Vorteil Intels: Nicht alle Applikationen profitieren von vielen Kernen und Threads. 16 Kerne sind beispielsweise fürs Gamen sinnlos. Da reichen die 8 P-Kerne des Alder Lake-S locker. Da der IPC-Zuwachs gegenüber Zen 3 bis zu 20 Prozent beträgt, dürfte Alder Lake-S AMD bei Games wieder hinter sich lassen. Mehr noch: Die P-Kerne werden bei wenig fordernden Aufgaben wie Office-Arbeiten schlafen geschickt und nur die E-Kerne sind aktiv. Dadurch sollte Alder Lake-S bei solchen Aufgaben äusserst effizient sein und der Stromverbrauch gesenkt werden.
Nach Jahren der Stagnation kommt von Intel also endlich wieder etwas Neues, das leistungstechnisch einen Sprung nach vorne bedeutet. Hier noch die Prozessoren der 12.-Core-i-Generation im Überblick:
Prozessor | Mikroarchitektur / Fertigungsprozess | Kerne / Threads | Basis- / Boost-Takt P-Cores (GHz) | Basis- / Boost-Takt E-Cores (GHz) | Basis Leistung (W) | Turbo Leistung (W) | L3 Cache (MB) | PCIe Lanes | Memory Support | Preis |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
i9-12900K | Alder Lake / Intel 7 | 16 (8 P-Cores und 8 E-Cores) / 24 | 3,2 / 5,2 | 2,4 / 3,9 | 125 | 241 | 30 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 689 |
i9-12900KF | Alder Lake / Intel 7 | 16 (8 P-Cores und 8 E-Cores) / 24 | 3,2 / 5,2 | 2,4 / 3,9 | 125 | 241 | 30 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 659 |
i7-12700K | Alder Lake / Intel 7 | 12 (8 P-Cores und 4 E-Cores) / 20 | 3,6 / 5,0 | 2,7 / 3,8 | 125 | 190 | 25 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 479 |
i7-12700KF | Alder Lake / Intel 7 | 12 (8 P-Cores und 4 E-Cores) / 20 | 3,6 / 5,0 | 2,7 / 3,8 | 125 | 190 | 25 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 459 |
i5-12600K | Alder Lake / Intel 7 | 8 (P-Cores und 4 E-Cores) / 12 | 3,7 / 4,9 | 2,8 / 3,6 | 125 | 150 | 20 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 319 |
i5-12600KF | Alder Lake / Intel 7 | 8 (P-Cores und 4 E-Cores) / 12 | 3,7 / 4,9 | 2,8 / 3,6 | 125 | 150 | 20 | 16 PCIe 5.0
4 PCIe 4.0 | DDR5 4800 MT/s
DDR4 3200 MT/s | 299 |
Der hybride Ansatz
AMD verfolgt einen Chiplet-Ansatz. Bei diesem Ansatz werden aufgespaltene Chips auf einem Interposer untergebracht. Dort kommunizieren sie durch Verbindungsleitungen. Dadurch können mehrere CPU-Module verbaut werden. Auch unterschiedliche Fertigungsverfahren können eingesetzt werden. Intel dagegen verfolgt nach wie vor einen monolithischen Ansatz. Die Alder-Lake-S Prozessoren basieren auf einem in einem Guss erstellten Chip.
Alder Lake ist nicht Intels erster hybrider Ansatz. Bereits Lakefield basierte auf E- und P-Kernen. Mit Alder Lake führt Intel das Konzept weiter. Wichtigster Baustein davon sind die CPU-Kerne. Bei Alder Lake-S sind es bis maximal 16 Kerne: 8 P-Kerne und 8 E-Kerne. Vier E-Kerne bilden einen E-Kern-Cluster. Einzelne P-Kerne lassen sich deaktiveren, die E-Kerne aber nur als Cluster. Zudem muss immer mindestens ein P-Kern aktiv sein. Die CPU kann also nicht ausschliesslich mit E-Kernen betrieben werden. Die E-Kerne können alle deaktiviert werden.
Der Flaggschiff Alder-Lake-S-Prozessor i9-12900K verfügt über 30 MB gemeinsam genutzten L3-Cache, auf den alle Komponenten des Chips zugreifen können: P-Kerne, E-Kern-Cluster, iGPU, Speicher-Controller usw. Jeder der acht P-Cores verfügt über einen dedizierten 1,25 MB grossen L2-Cache. Jeder E-Kern-Cluster verfügt über einen 2 MB grossen L2-Cache, der von den vier E-Kernen gemeinsam genutzt wird.
Damit auch immer die richtigen Kerne zum Einsatz kommen, hat Intel den Thread Director entwickelt. Die sogenannte Middleware ist Schnittstelle zwischen Betriebssystem und Software auf der einen und den beiden CPU-Kern-Typen auf der anderen Seite. Der Thread Director analysiert die Arbeitslast und hilft dem Betriebssystem dabei, sie auf die E- und P-Kerne zu verteilen. Damit das richtig funktioniert, empfiehlt Intel Windows 11.
Der Thread Director überwacht den Prozessorbetrieb mit Nanosekundengenauigkeit. Beide Kerntypen können mehr oder weniger alle Aufgaben übernehmen. Einige Funktionen wie AMX oder DLBoost sind jedoch nur auf den P-Kernen zu finden. Thread Director sorgt dafür, dass solche Prozesse nur den P-Kernen zugewiesen werden. Prozesse im Hintergrund oder im Leerlauf weist der Director den E-Kernen zu.
Die integrierte Grafikeinheit
Alle «K»-Modelle der Alder-Lake-S-Prozessoren verfügen über dieselbe iGPU. Die basiert auf der gleichen Xe LP-Grafikarchitektur, wie die der vorherigen Generation Rocket Lake-S. Verbaut ist die Intel UHD 770. Die verfügt über 32 Xe-Ausführungseinheiten.
Die Leistung reicht für moderne PCs mit hochauflösenden Displays, Videowiedergabe mit hoher Geschwindigkeit und so weiter. Für Gaming ist sie aber keine Lösung, auch wenn du mit den niedrigsten Einstellungen in 1080p die meisten Spiele spielen kannst. An Bord ist weiter eine hardwarebeschleunigte Dekodierung von AV1, HEVC und anderen modernen Videoformaten sowie die meisten modernen HDR-Standards. Unterstützt werden HDMI 2.1 und DisplayPort 1.4.
DDR5 und PCIe 5.0
Alder Lake unterstützt sowohl DDR5- als auch DDR4-Speicher. Es braucht ein spezifisches Mainboard für den jeweiligen Standard. Die Alder Lake-S Chips unterstützen bis zu 128 GB DDR5-4800-Speicher mit insgesamt vier 40 Bit breiten Kanälen. Im Gegensatz zu DDR4, das einen einzigen 64-Bit breiten Kanal pro DIMM verwendet, verfügt DDR5 also über zwei 40-Bit-Kanäle. In diesem Sinne kann die DDR5-Schnittstelle von Alder Lake als Quad-Channel bezeichnet werden, obwohl jeder dieser Kanäle eine geringere Busbreite hat. Der Prozessor unterstützt weiterhin Dual-Channel DDR4-3200.
Das andere grosse I/O-Update betrifft PCI-Express. Alder Lake-S führt PCI-Express Gen 5 im Client-Segment ein. Der Prozessor stellt 16 PCI-Express Gen 5 Lanes zur Verfügung. Die sind in der Regel für den Grafikkarten-Steckplatz des Motherboards bestimmt. Je nach Mainboard können aber mehr noch mehr Lanes bereitgestellt werden. Der Prozessor selbst stellt zusätzlich 4 PCIe Gen4 Lanes zur Verfügung.
Der Chipsatz-Bus erhält ebenfalls ein massives Upgrade. Intel führt das neue Direct Media Interface (DMI) Gen 4 ein. Alder Lake-S unterstützt bis zu acht DMI Gen 4 Lanes und verdoppelt damit die Bandbreite zwischen Prozessor und Chipsatz. Der Z690-Chipsatz nutzt alle acht DMI-Lanes. DMI Gen 4 x8 ist ein enormer Anstieg der Chipsatz-Busbandbreite: 128 Gbit/s pro Richtung. Bei der 10. Generation der Core-i-Prozessoren waren es noch 32 Gbit/s pro Richtung. Diese Steigerung ist nötig, um mit modernen Downstream-Konnektivitätsstandards wie Thunderbolt 4, USB 3.2×2, 10-GbE-Ethernet, Wi-Fi 6E oder NVMe-RAID mitzuhalten.
Leistungsaufnahme und Overclocking
Mit der hybriden Architektur wird das Übertakten der 12-Core-i-Generation komplexer. Unter anderem müssen die P- und E-Kerne separat übertaktet werden können. Insgesamt gibt es 20 neue Funktionen fürs Übertakten. Mit DDR5 kommt neu das Extreme Memory Profile (XMP) 3.0. Damit können die Timings und Taktfrequenzen des RAM einfach angepasst werden.
Ändern tut sich mit Alder Lake-S auch die Definition der Power Level (PL). Bis anhin galt: PL1 entspricht der TDP und PL2 ist die maximale Leistung, die ein Prozessor über eine gewisse Zeit einfordern kann. Da Mainboard-Hersteller die PL jedoch sowieso meist ausgehebelt haben, spricht Intel neu nicht mehr von TDP, sondern «Processor Base Power». Die entspricht bei allen bis jetzt vorgestellten Alder Lake-S Chips 125 W. Die «Maximum Turbo Power» entspricht der PL2. Bei den bisher vorgestellten Alder-Lake-S-Prozessoren beträgt die PL1 125 W und die PL2 241 W.
Intel beerdigt bei Alder Lake-S das Feature «Thermal Velocity Boost», das bei guter Kühlung zusätzlich die Taktfrequenz erhöhte. i7 und i9 verfügen über Turbo Boost Max 3.0 und Turbo Boost 2.0 Algorithmen. Der i5 hat nur Turbo Boost 2.0.
Soweit die Theorie. Was diese Neuerungen tatsächlich bringen, werden ausgiebige Tests beim Launch am 4. November zeigen. Selbstverständlich schaue auch ich mir die Dinger genauer an. Wenn du das nicht verpassen willst, folgst du mir mit einem Klick auf den «Autor folgen»-Button.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.