Square Enix Life is Strange: Double Exposure
PS5, DE
Max Caulfield kehrt neun Jahre nach ihrem ersten Abenteuer in Arcadia Bay in einem neuen Spiel zurück. Auch mit Ende 20 hat sie es noch genauso drauf wie früher – sei es nun dabei, wenn sie ins Fettnäpfchen tritt oder mal wieder in dramatische Ereignisse gezogen wird.
Das Entwicklerteam Dontnod Entertainment füllte 2015 mit «Life is Strange» ein Vakuum, das Telltale Games nach mehreren Flops hinterlassen hat. Das Teenie-Drama kam damals so gut an, dass sich daraus ein ganzes Franchise entwickelt hat. Während «Life is Strange 2» und die begleitende Episode «The Awesome Adventures of Captain Spirit» ebenfalls von Dontnod Entertainment entwickelt wurden, steckt hinter den restlichen Spielen «Life is Strange: Before the Storm» und «Life is Strange: True Colors» Deck Nine. Das neue Entwicklerstudio konnte mit den beiden Ablegern beweisen, dass es mit der Marke umzugehen weiss.
Mit «Life is Strange: Double Exposure» wird ihnen nun sogar die wiederkehrende Protagonistin Max anvertraut. Entsprechend hoch sind meine Erwartungen.
Seit den Ereignissen des ersten Teils in Arcadia Bay sind einige Jahre vergangen und Max ist mittlerweile 28 Jahre alt. Sie arbeitet als Fotografin an der Caledon-Universität und blickt bereits auf erste berufliche Erfolge zurück.
Der idyllische Alltag wird unterbrochen, als Max ihre beste Freundin Safi tot im Schnee vorfindet. Anders als im ersten Teil kann sie das Ereignis nicht rückgängig machen, da sie ihre magische Kraft verloren hat, mit der sie die Zeit zurückdrehen konnte.
Stattdessen weckt Safis Tod eine andere Fähigkeit in Max, mit deren Hilfe sie eine Paralleldimension betreten kann. In dieser lebt Safi noch. Es wird also Zeit, sich die neue Kraft zunutze zu machen und in typischer Max-Caulfield-Manier den mysteriösen Mordfall zu lösen.
Ich habe mir wie viele andere Personen vor dem Spielen eine bestimmte Frage gestellt: Wie werden «Life is Strange» und die Entscheidungen daraus im direkten Nachfolger implementiert? Wenn du dich nicht spoilern willst, solltest du den nächsten Abschnitt überspringen. Konkrete Spielmomente nenne ich jedoch nicht.
«Life is Strange: Double Exposure» lässt dich selbst die Wahl treffen, wie der erste Teil ausgegangen ist. Weil das Entwicklerteam sich hier nicht auf ein offizielles Ende festgelegt hat, bleiben die Möglichkeiten bei der Umsetzung begrenzt. Das verstärkt den Fokus auf die neue Geschichte, die sich nicht hinter dem ersten Spiel verstecken braucht. Die Lösung ist ausserdem freundlicher gegenüber Neueinsteigerinnen, die keinen Bezug zu Arcadia Bay oder Chloe haben.
Tatsächlich finde ich es sehr schön zu sehen, dass sich Max nach dem ersten Spiel weiterentwickelt hat. Sie ist kein schüchterner Teenager mehr und steckt mitten im Leben – damit bleibt sie auch für die Spielerinnen interessant, die mit ihr zusammen gealtert sind. Ihr ulkiger Humor sowie ihre sympathische Art sind ihr dabei zum Glück erhalten geblieben.
In «Life is Strange: Double Exposure» stehen neben der Auflösung des Mordfalls die neuen Fähigkeiten von Max im Fokus. Damit kann sie frei zwischen zwei Welten hin- und herwechseln. Der Unterschied der beiden Paralleldimensionen liegt darin, dass Max’ Freundin Safi in der einen Welt ermordet wurde und in der anderen Welt noch lebt. Während Max also noch ein lebhaftes Frühstück zwischen Safi und ihrer Mutter in einem Moment erlebt, genügt ein Dimensionswechsel, um Safis Mutter todtraurig und alleine an einem Frühstückstisch vorzufinden.
Die neuen Kräfte von Max haben nicht nur einen Einfluss auf die Personen in ihrem Umfeld, sondern auch auf ihre Umgebung sowie manche Gegenstände. Der Dimensionswechsel wird zur neuen Spielmechanik, mit deren Hilfe du Rätsel löst und die Handlung vorantreibst.
Zum Beispiel erzählt Safi Max in der «lebendigen» Welt, dass jemand einen Kuhschädel durch ihr Autofenster geworfen hat. Vielleicht der Mörder? Zeigen will sie Max den Schädel zur genaueren Betrachtung aber nicht. Das ist kein Problem, denn mir fällt auf, dass der Kuhschädel aus der Stammbar von Max stammt. Deswegen wechsle ich in die «tote» Welt und siehe da – der Schädel hängt unberührt an der Wand. In einer Welt, in der Safi nicht mehr lebt, muss schliesslich auch niemand den Kuhschädel durch ihr Autofenster werfen.
Die Rätsel in «Life is Strange: Double Exposure» konzentrieren sich vor allem auf den Dimensionswechsel, bringen aber immer wieder Abwechslung mit rein. So kann Max zum Beispiel eine freistehende Trittleiter aus der anderen Dimension besorgen, wenn sie in der aktuellen gerade von einer anderen Person benutzt wird. Ziemlich praktisch.
Während meiner überschaubaren Spieldauer von 13 Stunden haben mich die Rätsel gut unterhalten und sind mir nie verleidet. Wie in den anderen «Life is Strange»-Spielen bleiben die Rätsel meist einfach, ohne langweilig zu werden.
Einzig und allein die Immersion leidet ein bisschen unter der Umsetzung von Max’ Fähigkeiten. Zum Beispiel betrete ich das Büro einer Arbeitskollegin, um herauszufinden, wo sie ihre wichtigen Papiere versteckt. Sobald ich das erfahre, wechsle ich im selben Raum die Dimension in die leere Version des Büros. Dort lese ich mir die Unterlagen in aller Seelenruhe durch. Fünf Minuten später tauche ich im Büro aus dem Nichts auf und konfrontiere die Arbeitskollegin mit meinen neuen Erkenntnissen. Dass ich unser Gespräch weiterführe, als ob die Unterhaltung nicht minutenlang unterbrochen wurde, kommentiert sie nicht. Das ist klassische Videospiellogik, bei der nur ein zugedrücktes Auge hilft.
«Life is Strange: Double Exposure» führt ausserdem einen Foto-Modus ein, der total zu Max als Fotografin passt. Sie nimmt regelmässig die Kamera in die Hand, um ihr Umfeld zu fotografieren und nun kannst du das selbst übernehmen. Die Fotos klebt sie anschliessend in ihr Journal oder teilt sie auf Social Media – eine nette Spielerei, die aber absolut Sinn macht und teilweise in die Geschichte implementiert wird.
Abgesehen von der neuen Dimensions-Mechanik und dem Fotografieren erwartet dich einfaches Gameplay, indem du mit Personen sprichst, die Gegend erkundest oder auf deinem Handy SMS beantwortest. All das trägt zum Worldbuilding bei und zieht dich so wie Max immer tiefer ins Geschehen rein. Auch wichtige Entscheidungen sind wieder mit von der Partie. Dieses Mal kannst du sie aber nicht wieder umkehren.
Die Grafik hinterlässt einen positiven Eindruck. In den neun Jahren seit der Veröffentlichung von «Life is Strange» hat sich viel getan und ich schaue mir die lebhaften Gesichter der Charaktere gerne an.
Auch die Musik trifft einen ähnlichen Nerv wie das erste Spiel – wenn auch nicht auf demselben Level. Der Soundtrack ist beruhigend und dreht an den richtigen Stellen auf. Wenn etwas hingegen richtig Eindruck machen soll, erklingt auch Gesang.
Was mir weniger gut gefällt, sind die Bugs, denen ich im Spielverlauf mehrfach begegnet bin. Während der ersten beiden Episoden hat mein Bildschirm auf der Playstation 5 mehrfach schwarz geflackert. Das stelle ich mir besonders ärgerlich für die Käufer der Vorab-Version vor, von der ich wie Kollege Phillip Rüegg kein Fan bin. In den späteren Kapiteln wurden die Fehler noch aufdringlicher.
Zum Beispiel war einmal die Tür zu einem Raum geöffnet, den Max in ihrer aktuellen Dimension nicht hätte betreten dürfen. Die Folge davon war, dass sie mit Nichts im Raum interagieren konnte. Merkwürdig, aber verkraftbar. Anders als ein skurriler Bug, durch den ich während zwei Szenen keinen Ton hatte. Der hat sich bei mir nicht mit dem Beenden des Spiels gelöst, sondern nach mehrfachem Neuladen oder dem Vorantreiben der Handlung.
Keiner der Bugs hat «Life is Strange: Double Exposure» unspielbar gemacht, nervig waren sie dennoch. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ein Day-One-Patch die Problematik behebt.
«Life is Strange: Double Exposure» ist erhältlich für PS5, Xbox Series X/S, Switch und PC. Die PS5-Version wurde mir zu Testzwecken von Square Enix zur Verfügung gestellt.
«Life is Strange: Double Exposure» hat mich bis zum Schluss gespannt vor den Bildschirm gefesselt. Ab dem dritten von insgesamt fünf Kapiteln konnte ich den Controller kaum aus der Hand legen, weil ich unbedingt Antworten wollte. Der interessante Mordfall, Max’ neue Kräfte sowie ihr lebendiges Umfeld haben mich in ihre Welt gezogen und erst wieder nach dem Abspann losgelassen.
Der fünfte Teil der Serie ist ein gelungener Ableger und schafft es sogar, in die Fussstapfen von Max Caulfields erstem Abenteuer zu treten. Dich erwartet eine atmosphärische Handlung mit sympathischen Charakteren und einem aufregenden Mysterium – und hoffentlich weniger Bugs als bei meinem Spielerlebnis. Die kleinen Fehler haben mich gemeinsam mit immersionsbrechenden Momenten leider immer wieder rausgerissen.
Fans der Reihe können bedenkenlos zugreifen. Aber auch Neueinsteigerinnen werden mit dem neuen Mordfall genügend abgeholt.
Pro
Contra
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.