Lücke beim Kinderschutz: Stiftung Warentest kritisiert Apple scharf
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Lücke beim Kinderschutz: Stiftung Warentest kritisiert Apple scharf

Gewaltvideos, Gangsta-Rap oder ewiges Candy Crush – Kinder können auf Apple-Geräten Sachen tun, die Eltern eigentlich nicht wollen. Schutzmechanismen sind leicht zu umgehen, wie Recherchen der Stiftung Warentest ergeben haben.

Mit Apple-Geräten sollen Kinder geschützt Inhalte nutzen können. Eltern können dazu verschiedene Funktionen zur Kindersicherung einrichten. Dank entsprechender Einschränkungen sollen Kinder mit ihrem iPhone oder ihrem iPad nur das machen können, was Eltern vorher erlaubt haben. Die Steuerung ist in den vergangenen Jahren immer ausgefeilter geworden. So kannst du als Erziehungsberechtigter zum Beispiel für einzelne Apps Zeitlimits definieren oder Ausgaben im App Store limitieren.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das gilt auch in Apples heiler Welt von Familienfreigaben, Kindersicherungen und Bildschirmzeit. Die Stiftung Warentest hat – zusammen mit dem SWR – «erhebliche Schwachstellen» im Kinderschutz entdeckt (hier zum Bericht). Womöglich nichts Neues für clevere Kids, die diese Lücken schon längst kennen und nutzen. Die Fähigkeiten von Digital Natives nicht zu unterschätzen, wenn es darum geht, restriktive Funktionen zu umgehen.

Eltern-Pro-Tipp: Schau dir regelmässig die Nutzungszeiten einzelner Apps an. Gibt es hier Auffälligkeiten, lohnt es sich, mit dem Nachwuchs darüber zu reden und allenfalls Limite neu zu verhandeln.

Inhalte nach Alter filtern? Klappt nicht überall

Um an Inhalte zu kommen, die nicht altersgerecht sind, müssen die Kinder noch nicht einmal besonders kreativ werden. Es ist nämlich so, dass auch bei aktivierten Filtern alles zu finden ist, was du als Elternteil nicht willst: Folterszenen aus Horrorfilmen, Rap-Videos mit frauenverachtenden Texten, sexualisierte Inhalte, Bilder und Videos von Unfällen und anderes Unschönes. Der Grund: Die Youtube-App schert sich nicht wirklich konsequent um das auf dem Apple-Gerät hinterlegte Alter des Kindes und die von Eltern definierten inhaltlichen Filter. Surft dein Kind im Inkognito-Modus zu Youtube, steht ihm im Prinzip das komplette inhaltliche Angebot offen.

Apple hat in seiner Stellungnahme erklärt, dass eingestellte Filter nur für hauseigene Apps gelten, also zum Beispiel für Apple Music, Safari oder in Apple TV. Entwickler von Fremd-Apps könnten aber die Apple-Schnittstellen nutzen, um den Kinderschutz sicherzustellen. Dieser kleine, aber feine Unterschied zwischen Apple-Apps und anderen wird für die Stiftung Warentest nicht deutlich genug gemacht.

«Wenn eine derart wichtige Einschränkung nicht erwähnt wird, dürften viele Eltern davon ausgehen, dass Apples Kinder­schutz-Funk­tionen in allen Apps greifen, die auf dem Gerät ihres Kindes installiert sind.»

«Unterstüzender Zugriff» als Hintertürchen?

Die «Bildschirmzeit»-Funktion sei trotzdem ein gutes Werkzeug für Eltern, sagt Apple. Das dürfte in den allermeisten Fällen stimmen. Eltern können definieren, dass am Wochenende eine Gaming-App länger genutzt werden darf. Um Chatten bis tief in die Nacht zu verhindern, kann eine Nutzung nach 21 Uhr unterbunden werden. Findet dein Kind diese elterliche Bevormundung doof, kann es im «Unterstützenden Zugriff» die Fesseln abwerfen. Eigentlich ist diese Funktion für Personen mit kognitiven Einschränkungen gemacht. Ist sie aktiv, zeigt sie zum Beispiel grössere App-Icons auf dem Startbildschirm.

Das Schöne für Kinder: In diesem Modus hat das Apple-Gerät sämtliche Limits und Einschränkungen vergessen, die im normalen Modus noch gelten. Ob das so einfach ist, wie die Kritiker der Stiftung Warentest behaupten? Apple widerspricht. Um die Funktion des «Unterstützenden Zugriffs» zu aktivieren, müssten die Kinder das Bildschirmzeit-Passwort der Eltern eingeben. Stiftung Warentest dagegen behauptet, die Kinder könnten selbst einen beliebigen vierstelligen Code definieren und sogar jederzeit ändern.

Ich habe das ausprobiert – und kann die Erfahrung von Stiftung Warentest nicht bestätigen. Auf dem iPad unserer Tochter wurde vor dem Wechsel in den «Unterstützenden Zugriff» der Eltern-PIN verlangt. Apple sagt allerdings, es könne «in einigen Fällen» wohl tatsächlich so sein, wie von den Kritikern bemängelt.

Lücken schliessen – oder besser über Mediennutzung reden

In der Medienmitteilung zu ihren Recherchen gibt die Stiftung Warentest eine ganze Liste mit Empfehlungen, wie Eltern die Apple-Funktionen ideal einstellen. Das Ziel: maximaler Schutz der Kinder. So könnten Eltern die Installation von neuen Apps verbieten oder bei gewissen Apps die Nutzungszeit auf Null setzen. Oder, ganz drastisch, das iPhone des Kindes komplett im Modus «unterstützender Zugriff» einrichten und dort ausschliesslich erwünschte Apps zulassen. Und wenn beispielsweise Youtube ein Problem ist, es einfach ausschliessen.

App-Käufe oder -Downloads können von den Eltern streng limitiert werden.
App-Käufe oder -Downloads können von den Eltern streng limitiert werden.
Quelle: Screenshot Apple

Der bessere, erwachsene Weg allerdings wäre es, mit den jungen Nutzerinnen und Nutzern zu sprechen und Vereinbarungen zu treffen. Wann darf das Kind das iPhone für was nutzen? Digitale Verantwortung muss schliesslich auch gelernt werden. Und manchmal hülfe es ja schon, wenn klar ist, dass weder iPhone noch iPad mit ins Bett dürfen.

Was denkst du über Limits, Filter und Restriktionen auf Smartphones und Co. für Kinder? Nutzt du Android? Wie sieht es dort aus? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Lass es die Community in einem Kommentar wissen.

Titelbild: Shutterstock

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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