Migräne: Hoffnung auf neue Behandlungsansätze
Migräne ist kein gewöhnlicher Kopfschmerz – sie kann das Leben von Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die Forschung liefert immer neue Behandlungsansätze, zuletzt das Schmerzmittel Ketamin. Doch was genau passiert im Körper während eines Migräneanfalls? Ein Blick auf die Ursachen, Auslöser und Behandlungsmöglichkeiten von Migräne.
Es ist nicht einfach «nur» Kopfweh: Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die von starken, pulsierenden Kopfschmerzen begleitet wird. Betroffene sind oft in ihrer Lebensqualität enorm eingeschränkt und leiden stark unter den Beschwerden. Bei einem Migräneanfall kommt es zu einer Aktivierung bestimmter Hirnregionen und zu Veränderungen in der Durchblutung und Neurotransmitteraktivität. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren bei einer Migräne eine Rolle spielen. Zwar gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, Beschwerden zu mindern, doch ein Mittel, das verlässlich allen hilft, konnte noch nicht gefunden werden. Nun macht eine neue Studie zu Ketamin bei akuten Migräneattacken Hoffnung.
Was passiert bei einem Migräneanfall?
Während eines Migräneanfalls werden bestimmte Regionen im Gehirn, wie der Trigeminusnerv, überaktiv und senden Schmerzsignale aus. Gleichzeitig kommt es zu einer Erweiterung der Blutgefäße im Gehirn, gefolgt von einer entzündlichen Reaktion. Häufig geht ein akuter Migräneanfall mit heftigen Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht-, Lärm-, und Geruchsempfindlichkeit einher. Bei ein bis zwei von zehn Personen kommt es zudem zu einer Migräne mit Aura, dann treten auch neurologische Symptome wie Augenflimmern oder Wortfindungsstörungen auf.
Was löst Migräne aus?
Warum jemand unter Migräne leidet, ist noch nicht abschließend geklärt. Es scheint eine genetische Komponente im Spiel zu sein, da es häufig von Generation zu Generation weiter getragen wird.
Die Auslöser von Migräne können individuell unterschiedlich sein, aber es gibt einige gemeinsame Triggerfaktoren. Schlafmangel oder Stress können beispielsweise zu einer Attacke führen. Dann wird der Stoffwechsel bestimmter Hirnzellen durch veränderte genetische Faktoren gestört. Weitere Migräne-Trigger können hormonell bedingt sein, aber auch Flüssigkeitsmangel, bestimmte Nahrungsmittel und Getränke oder Medikamente zählen dazu. Auch sensorische Reize, wie grelles Licht oder laute Geräusche können zu einer Attacke führen.
Und auch das Wetter hat einen Einfluss auf Migräne-Patientinnen und -Patienten. Kürzlich stellten Forschende auf dem Jahreskongress der European Academy of Neurology ihre Erkenntnisse dazu vor. Damit ist nun wissenschaftlich gezeigt, was Betroffene schon lange erleben: Bei rund der Hälfte aller Menschen, die unter Migräne leiden, können Veränderungen der Wetterbedingungen Attacken auslösen oder bereits bestehende Kopfschmerzen verstärken.
Neueste Forschungen deuten außerdem darauf hin, dass Migräne mit Veränderungen in der Darmgesundheit zusammenhängen könnte, weshalb vermehrt darauf aufmerksam gemacht wird, wie wichtig die Ernährung für Migräne-Patientinnen und -Patienten ist.
Migräne hat aber nicht nur physische Auswirkungen, sondern kann auch erhebliche psychische Belastungen zur Folge haben. Die ständige Sorge vor einem Migräneanfall und die Einschränkungen im täglichen Leben können zu Angstzuständen, Depressionen und sozialer Isolation führen. Außerdem stellt die Erkrankung für viele Menschen mit Migräne eine Herausforderung im Arbeitsleben dar. Regelmäßige Fehlzeiten und verminderte Produktivität können Schwierigkeiten am Arbeitsplatz verursachen. Flexible Arbeitszeiten, Ergonomie am Arbeitsplatz und Sensibilisierung für Migräne können die Situation für Betroffene erleichtern.
Wer ist betroffen?
In der Schweiz ist eine von zehn Personen von Migräne betroffen. In Deutschland sind es sogar rund 18 Prozent der Erwachsenen und 10 bis 12 Prozent der Kinder. Migräne tritt in allen Altersgruppen auf. Frauen leiden aber rund doppelt so häufig unter Migräne wie Männer. Das könnte auf einen Zusammenhang mit den weiblichen Sexualhormonen hindeuten. Oft steht die Migräne bei Frauen im Zusammenhang mit der Menstruation und tritt zeitgleich mit der Monatsblutung auf.
Was hilft bei Migräne?
Bei der Therapie von Migräne gibt es zwei Ansatzpunkte: Einerseits werden akute Symptome bei einem Anfall behandelt, andererseits wird versucht, mit prophylaktischen Ansätzen Attacken vorzubeugen.
Die Akutbehandlung von Migräne zielt darauf ab, die Symptome während eines Anfalls zu lindern. Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Triptane werden häufig eingesetzt. In einigen Fällen kann es auch nötig sein, Antiemetika bei begleitender Übelkeit einzunehmen, um die Attacken zu überstehen. Da sensorische Reize wie helles Licht oder laute Geräusche die Schmerzen verschlimmern, ist ein dunkler, leiser Ort bei einem akuten Anfall hilfreich.
Eine Untersuchung der Harvard Medical School zum Einfluss verschiedener Farbspektren zeigte aber auch, dass nicht jede Lichtfarbe dieselbe Wirkung hervorruft: Demnach konnte grünes Licht bei einer Wellenlänge von 530 Nanometern bei einem Teil der Probanden die Schmerzen eines Migräneanfalls sogar mindern. Der Einsatz von grünem Licht als effektive Therapie gegen Migräne bedarf allerdings noch weiteren (klinischen) Studien an bedeutend mehr Patientinnen und Patienten.
Ketamin: Vielversprechende Ergebnisse in klinischer Studie
Das Anästhetikum Ketamin könnte ein weiterer erfolgsversprechender Ansatzpunkt für die Behandlung von Migräne sein, wie aus einer Studie hervorgeht, die kürzlich in Regional Anesthesia and Pain Medicine veröffentlicht wurde. Ketamin ist ein schmerzlinderndes Mittel, das bereits seit mehreren Jahrzehnten zur Behandlung chronischer Schmerzen eingesetzt wird – erfolgreich, wenn auch die genauen Wirkmechanismen bislang nicht bekannt sind. Die Hoffnung ist aber, dass es auch die schmerzverstärkenden Verschaltungen im Gehirn bei einem Migräneanfall lösen kann.
Für die Studie wurden Patientinnen und Patienten behandelt, deren Migräneattacken zum einen nicht durch präventive Methoden verhindert werden konnten und bei denen zum anderen bisher gängige Medikamente bei einer akuten Attacke nicht anschlugen. Das Ergebnis ist vielversprechend: Fast die Hälfte der Probanden bewertete das Ketaminspray, das sie bei Migräneattacken nutzten, als sehr wirksam. Weitere 39 Prozent empfanden es noch als einigermaßen wirksam. Fast drei Viertel bescheinigten eine bessere Wirkung im Vergleich zu anderen Migränemitteln. Aber es gab auch Nebenwirkungen, wenn auch nur vorübergehend: Müdigkeit und verschwommenes Sehen traten am häufigsten auf. Andere Nebenwirkungen waren kognitiven Störungen wie Verwirrung, lebhaftes Träumen und Halluzinationen. Ein weiteres Problem könnte die Gefahr von Abhängigkeit sein. Deshalb sollte Ketamin sparsam und nicht zu regelmäßig eingesetzt werden, da es andernfalls zu Langzeitfolgen (Blasenentzündung) kommen kann.
Besser noch geholfen wäre Menschen mit häufigen oder schweren Migräneanfällen mit einer prophylaktischen Behandlung. Auch hier gibt es zwar verschiedene Optionen, doch bislang kein Mittel, das allen Betroffenen gleichermaßen verlässlich hilft. Bestimmte Medikamente, wie Betablocker, Antidepressiva oder Antikonvulsiva, zeigen bei manchen Migräne-Patientinnen und -Patienten Wirkung. Darüber hinaus können nicht-medikamentöse Ansätze wie Entspannungstechniken, Stressmanagement und Veränderungen des Lebensstils eine wichtige Rolle spielen. Hier ist es wichtig, dass Betroffene ganz individuell die Mittel finden, die bei ihnen anschlagen.
Titelfoto: Keira Burton/PexelsWissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.