Nuno Sá
Hintergrund

Mit der Kamera in die Tiefen des Meeres: Nuno Sá über seine Abenteuer als Unterwasser-Filmer für Netflix und Disney

Siri Schubert
25/2/2025

Für viele Filmschaffende ist es der grösste Traum, ein Mal im Leben für BBC, Netflix, National Geographic oder Disney zu arbeiten. Nuno Sá hat es in kürzester Zeit geschafft, für all diese Big Names zu filmen. Wie es dazu kam und was ihn an seiner Arbeit als Unterwasser-Filmer fasziniert, erfährst du hier.

Wenn dich die Unterwasserwelt begeistert, stehen die Chancen gut, dass du mit Nuno Sás Werken vertraut bist, selbst wenn dir der Name des portugiesischen Filmemachers auf Anhieb nichts sagt. Er hat unter anderem an der ikonischen BBC-Serie «Blue Planet 2», der Netflix-Serie «Our Oceans», gesprochen von Barack Obama, und der Disney-Serie «Ocean Explorers», produziert von James Cameron, mitgearbeitet.

Auf der internationalen Wassersportmesse «Boot» in Düsseldorf war er Finalist für einen Dive-Award. Was ihn bewegt und welche Tipps er für angehende Unterwasser-Filmschaffende hat, liest du im Interview.

Du hast einen Beruf, von dem viele träumen. Wie hat es bei dir angefangen?

Nuno Sá: Ich habe Jura studiert und in meinem zweiten Studienjahr einen Tauchkurs auf den Azoren gemacht. Ich war absolut begeistert. Ich habe zwar mein Studium noch beendet, aber mir war klar: Ich will mein Leben eng verbunden mit dem Meer verbringen.

Wie hast du diesen Wunsch in die Tat umgesetzt?

Erst einmal bin ich zu allen bekannten Tauchplätzen der Welt gereist, in Ägypten, Australien – aber am besten gefallen hat es mir dort, wo alles begonnen hat, auf den Azoren. Ich bin also auf die Azoren-Insel São Miguel gezogen und hatte Glück, dass ich gleich in einem Tauchshop und bei Walbeobachtungs-Touren arbeiten konnte. Ich habe zudem parallel Meeresbiologie studiert.

Geht für atemberaubende Aufnahmen in die Tiefe: der Unterwasser-Kameramann Nuno Sá.
Geht für atemberaubende Aufnahmen in die Tiefe: der Unterwasser-Kameramann Nuno Sá.
Quelle: Arlindo Carmacho

Und dann kam die Kamera ins Spiel.

Genau. Ich habe zunächst Bilder für meine Freunde und Familie gemacht, um ihnen zu zeigen, wie grossartig die Unterwasserwelt ist. Und habe immer weiter an meinen Skills als Fotograf gearbeitet. Das Meer hat mich unglaublich fasziniert und im Atlantik um die Azoren gibt es so viel zu sehen. Wale, Haie, Delphine, Octopusse – ich entdeckte immer wieder Neues. Zum Beispiel Walhaie, von denen man zuvor nicht wusste, dass es sie in dieser Region gibt. Deshalb spreche ich auch immer mit den Fischern, die sich sehr gut auskennen.

Du hast schnell einen sehr begehrten Preis gewonnen. Wie kam es dazu?

2008 wurde ich im «Wildlife Photographer of the Year» in der Kategorie Säugetiere mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet. Es war der erste Wettbewerb, an dem ich überhaupt teilnahm.

Ganz nah dran: Nuno Sá dokumentiert das Leben der Haie.
Ganz nah dran: Nuno Sá dokumentiert das Leben der Haie.
Quelle: Nuno Sá

Aber nicht der letzte. Du hast ja eine ganze Reihe von Auszeichnungen. 2015 warst du Underwater Photographer of the Year und 2024 hast du wieder einen wichtigen Award gewonnen.

Das war der Marine Conservation Photographer of the Year Award der Save Our Seas Foundation. Ausgezeichnet wurde eine Luftaufnahme eines gestrandeten Wals, der von Menschen zurück ins Meer geschoben wird. Das Pottwal-Weibchen wurde von einem Schiff gerammt. Jedes Jahr sterben mehr als 20 000 Wale infolge von Zusammenstössen mit Wasserfahrzeugen. Als professioneller Unterwasser-Kameramann sehe ich mehr und mehr, welchen Einfluss wir Menschen auf die Gesundheit der Meere haben. Ich hatte das Privileg, in allen Regionen vom Nordpol bis zum Südpol tauchen zu dürfen. Aber dieses Foto habe ich praktisch vor meiner Haustür an einem Strand in der Nähe von Lissabon aufgenommen. Es erweckt sehr gemischte Gefühle in mir. Einerseits zeigt das verletzte Pottwal-Weibchen, wie sehr wir durch Schiffsverkehr, Unterwasserlärm, Überfischung, Plastik- und Chemieverschmutzung den Meeren und ihren Lebewesen schaden. Andererseits vermittelt das Bild eine positive Message. Nämlich dass wir, wenn wir zusammenarbeiten, Dinge zum Besseren verändern können. Auch wenn der Wal nicht überlebt hat, glaube ich, dass jeder, der beim Rettungsversuch mitgemacht hat, sich irgendwie für den Schutz der Meeressäuger engagieren wird.

Faszinierende Begegnungen mit Walen.
Faszinierende Begegnungen mit Walen.
Quelle: Nuno Sá

Beruflich konzentrierst du dich auf Unterwasserfilme. Wie hast du den Einstieg geschafft?

Ganz am Anfang habe ich Bilder von Walhaien bei den Azoren gemacht und einen Artikel für National Geographic Portugal geschrieben. So habe ich mein erstes Geld mit der Kamera verdient. Und dann dachte ich, vielleicht ist es ja möglich, davon zu leben. Also habe ich mein Glück versucht und einen erfolgreichen Unterwasser-Kameramann aus Kanada um Rat gefragt, was ich tun könnte, um Profi zu werden.

Welchen Rat gab er dir?

Er sagte, mach einfach weiter, was du machst. Du brauchst nicht um die Welt zu reisen. Bleibe auf den Azoren, dort gibt es noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Genau das habe ich gemacht und es hat funktioniert.

Das Erscheinen von Walhaien vor den Azoren brachte den ersten Auftrag für National Geographic Portugal.
Das Erscheinen von Walhaien vor den Azoren brachte den ersten Auftrag für National Geographic Portugal.
Quelle: Nuno Sá

Sehr gut offenbar.

Ja, ich bekam einen Auftrag für BBCs ‹Blue Planet 2›. Das war mein erster Filmauftrag überhaupt. Dann kam die Dokumentation ‹Europe's Wild Islands› des National Geographic Wild Channels und andere Dokumentarfilme wie ‹Animal with cameras› der BBC, ‹Islands of the Atlantic› des japanischen Senders NHK. Zudem habe ich für die Sender Arte, ORF und ZDF gearbeitet.

Du bist auf der ganzen Welt getaucht. Was war dein bisher schönstes Erlebnis?

Das war, als wir für die Disney-Serie ‹Ocean Explorers› unterwegs waren. Wir, die Kameraleute und Biologen, hatten ein U-Boot, um in grosse Tiefen zu gelangen. Als wir auf etwa 1000 Meter angekommen waren, sagte der Kapitän, dass wir alle Geräte ausschalten sollten. Kein Filmen, keine Monitore, nichts. Dann sollten wir die Augen schliessen. Er leuchtete dreimal ganz hell mit seinen Scheinwerfern. Als es wieder völlig dunkel war, öffneten wir die Augen und waren umgeben von Millionen von durch Biolumineszenz leuchtenden Meerestieren. Einige von ihnen sahen aus, als würden sie nicht einmal auf diesen Planeten gehören. Dahinter einfach unendliche Weite. Es war so einzigartig und ein unglaublich schöner Augenblick.

Ein tiefer Blick in Auge und Maul der faszinierenden Raubtiere.
Ein tiefer Blick in Auge und Maul der faszinierenden Raubtiere.
Quelle: Nuno Sá

Bei deinen Aufnahmen von Haien bist du nahe dran. Hast du schon gefährliche Situationen erlebt?

Mit Haien nicht. Aber ich filmte einmal für die Netflix-Serie ‹Our Oceans› riesige Blaufinnenthunfische bei der Jagd. Die Fische werden bis zu vier Meter gross und wiegen bis zu 700 Kilo. Auf einmal war ich mitten im jagenden Schwarm und um mich herum war es stockdunkel. Er war so dicht, dass ich eine ganze Zeit nicht mehr aus dem Chaos herauskam. Jede Lücke, die sich öffnete, schloss sich sofort wieder. Die Fische können bis zu 100 Stundenkilometer schnell schwimmen und sind sehr kräftig. Wäre einer in mich rein geschwommen, hätte das ernste Konsequenzen gehabt. Glücklicherweise bin ich dann doch noch unverletzt entkommen.

Extreme Bedingungen stellen hohe Anforderungen an Mensch und Material.
Extreme Bedingungen stellen hohe Anforderungen an Mensch und Material.
Quelle: Nuno Sá

Die filmischen Expeditionen bringen dich von eisigen Buchten zu tropischen Gewässern. Welche Ausrüstung nutzt du?

Ich habe sicher 20 bis 30 Tauchanzüge, damit ich auf jede Situation vorbereitet bin. Und sehr spezialisierte Tools wie Freitauchflossen aus Carbon. Ich habe auch mehrere Rebreather, also Kreislaufatemgeräte, die 13 000 bis 15 000 Euro pro Stück kosten. Je nach Auftrag kommt dann das eine oder andere dazu.

Und Kameras?

Meine erste Kamera, eine Red, hat mit einem professionellen Unterwassergehäuse zwischen 70 000 und 80 000 Euro gekostet. Aber heute gibt es etwa das Gleiche für ein Zehntel des Preises oder weniger. Eine Sony Alpha 7s iii oder eine ähnliche Kamera macht jetzt schon das, was vor 15 Jahren nur ein viel, viel teueres Gerät konnte.

Welchen Rat würdest du Menschen geben, die davon träumen, mit der Unterwasserfotografie erfolgreich zu sein?

Investiere in ein kleines System und filme dort, wo du dich besser auskennst als sonst jemand. Das kann ein See in deiner Nähe sein oder ein Stück Küste. Du brauchst nicht auf die Malediven oder die Galapagos Inseln zu reisen. Erzähle mit deinen Bildern die Geschichten, die du richtig gut kennst. Zeige das, was in deiner Umgebung etwas Besonderes ist, so kannst du erfolgreich sein.

Was sind deine nächsten Projekte?

Ich werde diesen Sommer auf den Azoren an einer internationalen IMAX-Produktion arbeiten und ausserdem einen Dokumentarfilm für das portugiesische Fernsehen über das Meeresleben in Portugal von der Küste des portugiesischen Festlands bis zu den Azoren und Madeira produzieren. Es wird eine Art ‹Blauer Planet Portugal› werden.

Vielen Dank, Nuno, für die Tipps und die Einblicke in dein Leben und Arbeiten.

Titelbild: Nuno Sá

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