Hintergrund

Mode-Wörter: Wem bereitet der Kummerbund eigentlich Kummer?

Laura Scholz
9/2/2023

Die Handtasche ist eine Tasche für die Hand, das Schulterpolster ein Polster für die Schulter und der Kummerbund … tja. Wofür ist der überhaupt gut und vor allem: Warum heisst der so?

Gerne ist ja hier und da mal «der Name Programm» oder ein Begriff fällt in die Kategorie «selbsterklärend». Beim Kummerbund … ist das nicht der Fall. Der Ken meiner Barbie trug einen. Schon damals war mir der Begriff ein Rätsel. Es sei meinem Mini-Ich verziehen. Aber auch jetzt, rund 30 Jahre später, kann ich mir nicht sinnvoll herleiten, wem oder was die noble Bauchbinde ihren Namen verdankt. Bereitet sie der tragenden Person denn wirklich Kummer? Oder hat besagte Person vielleicht längst welchen und möchte den mithilfe des Bunds zum Ausdruck bringen? Nee, das kann beides nicht sein. Ken führte mit Barbie und mir ein fabelhaftes Leben, für Kummer gab es da beim besten Willen keinen Anlass.

Woher kommt der Name Kummerbund?

Warum heisst das Teil also so und warum wird nicht einfach eine Weste unter der Smokingjacke getragen? Es ist folgendermassen: Schon seit tausenden von Jahren sind in Südasien und dem Nahen Osten Leibbinden oder Taillenbänder Teil vieler National- und Volkstrachten. Aus dekorativen Gründen oder auch, um kleinere Waffen wie zum Beispiel Dolche darin zu verstauen. Vom einfachen Volk fanden die Binden im 17. Jahrhundert schliesslich ihren Weg in die Oberschicht und dienten, plötzlich gefertigt aus hochwertigen Materialien wie Seidenbrokat oder Kaschmir, nur noch der Optik.

Auch die Briten fanden während des Kolonialismus Gefallen am sogenannten kamarband, das bei hohen Temperaturen unter der Anzug- oder Uniformjacke so viel angenehmer zu tragen war als ihre Westen. Moment, Kamarband? Jap, im Persischen nämlich ganz einfach hergeleitet aus den Worten kamar = Taille und band, dem Präsensstamm von bastan = binden. So viel zum Thema «der Name ist Programm» und «selbsterklärend».

Was dann passierte, liegt sprachgeschichtlich beinahe auf der Hand. Die Briten, machten sich nicht nur das traditionelle Accessoire zu eigen, sondern verhunzten noch dazu kamarband ganz plump zu cummerbund – und brachten das Ganze mit sich nach Europa. Hier erlebte das Teil in den 1930er-Jahren sowohl ein echtes Beliebtheitshoch als auch die noch plumpere Eindeutschung vom cummerbund zum Kummerbund und etablierte sich als obligatorische Zutat für einen gelungenen Auftritt im Smoking. Übrigens schlicht mit dem Nutzen, den Hosenbund zu verdecken.

Wer heute zu einem «Black Tie»-Event eingeladen ist, greift zwar meistens wieder zur Weste, aber wir wissen ja: Früher oder später kehrt jeder Trend für ein zweites, drittes oder viertes Vergnügen in die Modewelt zurück. Wenn es so weit ist, denk dran: Der Kummerbund sollte farblich immer auf Fliege und Einstecktuch abgestimmt sein. Ok? Ok.

In der Serie «Mode-Wörter» versuche ich regelmässig Licht ins Kommunikations-Dunkel zu bringen. Falls auch du manchmal lost in translation bist, kann ich bestimmt weiterhelfen – einfach mit deinem Input in die Kommentare sliden.

Titelfoto: Spotlight

9 Personen gefällt dieser Artikel


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Mode-Wörter: Was bedeutet «Brat Girl Summer»?

    von Laura Scholz

  • Hintergrund

    Dieser Brand ist auf dem Weg, der beliebteste von allen zu werden

    von Laura Scholz

  • Hintergrund

    Unvollkommen, aber wertvoll: Was mich tropfende Kerzen in Mexiko über das Leben lehrten

    von Pia Seidel

Kommentare

Avatar