Muscle Food – alles Protein oder doch nur Bullshit?
Der Shake danach: Die einen schwören darauf, für die anderen gehört er in die Kategorie der Fake-News. Was ist dran, am Post-Workout-Protein?
Auch die Nahrungsmittelindustrie hat das Eiweiss entdeckt, substituiert Kohlenhydrate mit Protein und schlachtet dies auf den Verpackungen entsprechend aus. Egal, ob Hüttenkäse oder Berner Rösti: Protein ist trendy. Doch die Wirkung dieses Makronährstoffes wird in Bezug auf seine Bedeutung für das Muskelwachstum auch immer wieder infrage gestellt. Also alles Bullshit oder doch nicht?
Faszination Muskel
Die Skelettmuskulatur ist aufgrund ihrer enormen Plastizität eines der faszinierendsten Gewebe des menschlichen Körpers. Sie macht bis zu 40 Prozent der Körpermasse aus und passt sich an unterschiedliche Reize wie kontraktile Aktivität, Energieversorgung, Umweltfaktoren und Belastungsbedingungen an. Weiter trägt sie zu mechanischen und metabolischen Funktionen bei.
Mechanisch gesehen besteht ihre Hauptfunktion darin, chemische in mechanische Energie umzuwandeln, die zur Krafterzeugung genutzt werden kann. Somit ermöglicht uns die Skelettmuskulatur die Fortbewegung und Interaktion mit unserer Umwelt. In metabolischer Hinsicht dient die Skelettmuskulatur als Speicher für Substrate wie Aminosäuren, Kohlenhydrate, Fettsäuren, Mineralien und anorganische Salze. Diese sind essenziell zur Aufrechterhaltung des Energiestoffwechsels sowie der Versorgung der Muskelfasern bei körperlicher Aktivität und oder Bewegung. Da die Muskulatur metabolische und mechanische Funktionen wahrnimmt, trägt sie wesentlich zu unserem Überleben bei.
Woraus besteht die Muskulatur?
Das Spektrum der Antworten auf diese Frage von Studenten oder Kraftsportlerinnen ist beeindruckend. Du kannst das testen und deine Trainingspartner:innen darauf ansprechen. Die wenigsten werden wissen, woraus das Organ, welches sie eigentlich trainieren, besteht.
Strukturell gesehen besteht die Skelettmuskulatur aus Muskelfasern, welche wiederum aus Myofibrillen bestehen. Myofibrillen weisen hoch organisierte, sich wiederholende und regelmässige Anordnungen kontraktiler, also sich zusammenziehender Module auf – die Sarkomere. Das Sarkomer ist die grundlegende kontraktile Einheit der Skelettmuskulatur. Die Sarkomere selbst bestehen wiederum aus Aktin- und Myosinfilamenten. Dabei handelt es sich um molekulare Motorproteine, welche Kraft erzeugen können. Es sind also die aus Proteinen bestehenden Sarkomere, die Kraft produzieren.
Auf molekularer Ebene macht der grösste Anteil der Skelettmuskulatur Wasser (75 Prozent) aus. Die restlichen 25 Prozent sind Proteine (20 Prozent) und rund 5 Prozent anorganische Salze, Mineralien, Fett und Kohlenhydrate. Wir sehen, dass Proteine, abgesehen vom Wasseranteil gegenüber anorganischen Salzen, Fett und Kohlenhydraten, ungefähr 80 Prozent der Muskulatur ausmachen.
Wie wird die Muskelmasse eigentlich reguliert?
Die Skelettmuskelmasse wird durch einen kontinuierlichen Umbauprozess reguliert, welcher aus dem Auf- und Abbau von Proteinen besteht. Durch die Aufnahme von Proteinen über die Nahrung hält sich die Muskelmasse bis ins mittlere Alter relativ konstant, wobei sie zwischen der vierten bis fünften Lebensdekade beginnt, abzunehmen.
Was hat Krafttraining damit zu tun?
Untersuchungen zeigten, dass ein einzelnes Krafttraining mit entweder konzentrischer oder exzentrischer Beinstreckung den Auf- und Abbau von Muskelproteinen bei acht untrainierten Teilnehmer:innen (vier Männer, vier Frauen) erhöhte [1]. Dies bei acht Sätzen und jeweils acht Wiederholungen bei 80 Prozent des 1-Repetitionsmaximums. Im Vergleich zur Rückkehr der Abbaurate auf die in Ruhe gemessenen Ausgangswerte war der Proteinaufbau noch 48 Stunden nach dem Training verglichen mit dem Ausgangswert (P < 0,01) signifikant erhöht. Darüber hinaus war die Erhöhung des Proteinaufbaus grösser als diejenige des Abbaus, was insgesamt zu einer positiven Nettobilanz führte. Daher hat Krafttraining eine starke stimulierende Wirkung auf den Aufbau und Abbau von Proteinen, während Erhöhung und Dauer für den Proteinaufbau grösser sind. Krafttraining sensitiviert daher die Muskulatur gegenüber dem Nahrungsprotein.
Deshalb optimieren Krafttraining und eine angemessene (d. h. 1,6 – 2,2 g/kg Körpermasse/Tag [2–4]) Proteinzufuhr die Hypertrophie, indem sie die Stimulation von Aufbau gegenüber Abbau fördern, was zu einer positiven Nettoproteinbilanz führt [5,6]. No Bullshit!
Referenzen
- Phillips SM, Tipton KD, Aarsland A, Wolf SE, Wolfe RR. Mixed muscle protein synthesis and breakdown after resistance exercise in humans. https://doi.org/101152/ajpendo19972731E99. American Physiological Society Bethesda, MD ; 1997;273. doi:10.1152/AJPENDO.1997.273.1.E99
- Lemon PWR, Tarnopolsky MA, MacDougall JD, Atkinson SA. Protein requirements and muscle mass/strength changes during intensive training in novice bodybuilders. J Appl Physiol. 1992;73: 767–775. doi:10.1152/jappl.1992.73.2.767
- Tarnopolsky MA, Atkinson SA, MacDougall JD, Chesley A, Phillips S, Schwarcz HP. Evaluation of protein requirements for trained strength athletes. J Appl Physiol. 1992;73: 1986–1995. doi:10.1152/jappl.1992.73.5.1986
- Stokes T, Hector AJ, Morton RW, McGlory C, Phillips SM. Recent Perspectives Regarding the Role of Dietary Protein for the Promotion of Muscle Hypertrophy with Resistance Exercise Training. Nutrients. Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI); 2018;10. doi:10.3390/NU10020180
- Millward DJ, Garlick PJ, Stewart RJC, Nnanyelugo DO, Waterlow JC. Skeletal muscle growth and protein turnover. Biochem J. Portland Press Ltd; 1975;150: 235–243. doi:10.1042/bj1500235
- Phillip SM. Physiologic and molecular bases of muscle hypertrophy and atrophy: Impact of resistance exercise on human skeletal muscle (protein and exercise dose effects). Appl Physiol Nutr Metab. 2009;34: 403–410. doi:10.1139/H09-042
Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.