Patricks Parfüms: Impressionen aus Grasse
Ein Parfüm ist ein Kunstwerk, Parfümeure sind Künstler und ich bin Sammler ihrer Kreationen. Heute dreht sich alles um die Welthauptstadt der Düfte. Ein Besuch in Grasse.
Es beginnt schon auf dem Flughafen in Nizza. Als auf dem Band der Gepäckausgabe die ersten Koffer noch einsam ihre Runden drehen, meldet sich meine Blase. Zum Glück ist die Toilette gleich nebenan und meine Tasche noch nirgends zu sehen. Einmal tief eingeatmet und in Erwartung der für öffentliche sanitäre Anlagen üblichen geruchlichen Belästigung stehe ich kurz darauf am Pissoir und kann es kaum glauben. Hier riecht es angenehm. Ach, was sage ich: Hier riecht es gut. Während die WCs auf Bahnhöfen und Flughäfen bei mir sonst wechselweise Brechreiz oder Fluchtimpuls auslösen, bin ich hier beinahe enttäuscht, als das Geschäft erledigt ist. Man möchte glatt noch eine Extrarunde drehen.
Die nächste erfreuliche Begegnung der olfaktorischen Art lässt nicht lange auf sich warten. Am Infoschalter des Flughafens frage ich nach dem Bus nach Grasse. Während mir die freundliche Dame am Schalter den Weg zur Busstation erklärt, schnappt meine Nase den Duft eines vorübergehenden Herren auf. Er riecht fantastisch. «Pardon, quel est le parfum, das sie tragen», (mein Französisch ist medioker) will ich ihn fragen, lass es dann aber bleiben.
Egal, ob Flughafentoilette in Nizza, Restaurant und Souvenirshop in Antibes oder grosse und kleine Parfümerien in Grasse: Die nächsten Tage sind ein Fest für meine Nase.
La vie en rose
Etwa 20 Kilometer nördlich von Cannes liegt Grasse, die Welthauptstadt des Parfüms mit ihren rund 52 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Als Schauplatz des Romans «Das Parfüm» von Patrick Süskind aus dem Jahr 1985 und der Filmadaption von 2006 erlangte der Urlaubsort im Hinterland der französischen Riviera weltweite Berühmtheit. Er ist aber auch architektonisch reizvoll. Das markante Stadtbild ist von kleinen engen Gassen, eleganten Palais aus dem 19. Jahrhundert sowie prachtvollen Bauten des 17. und 18. Jahrhunderts geprägt.
Die klimatischen Bedingungen sind hier ideal für den Anbau einiger empfindlicher Pflanzen wie Jasmin, Tuberose oder Rosa centifolia, in Frankreich auch «Mairose» genannt. Sie blüht im Mai, prägt das Stadtbild jedoch das ganze Jahr hindurch. In einigen Metern Höhe sind pinkfarbene Regenschirme über die Gassen und Strassen der Stadt gespannt. Sie tauchen das Leben tagsüber in ein rosa Licht.
An diesem Wochenende Anfang August steht jedoch eine andere Pflanze im Mittelpunkt: Die Stadt begeht das Jasminfest. Seit 1946 feiert Grasse jedes Jahr die kleine weisse Blume.
Molinard, Fragonard und Galimard
Drei grosse Parfümerie-Häuser prägen die Stadt: Molinard, Fragonard und Galimard. Dazwischen laden unzählige kleine Shops auf Schritt und Tritt zum Schnuppern ein.
Quelle: Patrick Bardelli
Neben dem 1989 gegründeten Musée International de la Parfumerie stellt auch das Maison Fragonard Objekte rund ums Thema Parfüm aus.
Im Musée International wird die Geschichte der Parfümerie erzählt: Rohstoffe, Herstellung, Industrie, Innovation, Handel, Design und Verwendung werden in der Ausstellung durch sehr unterschiedliche Formen thematisiert. Gezeigt werden unter anderem Kunstobjekte, dekorative Kunst, Textilien, archäologische Zeugen, Einzelstücke und industrielle Formen.
Quelle: Patrick Bardelli
Quelle: Patrick Bardelli
Quelle: Patrick Bardelli
Quelle: Patrick Bardelli
Ferien für die Nase
Nach einer Woche im Parfümschlaraffenland stehe ich wieder am Flughafen in Nizza. War Vorfreude bei der Ankunft das vorherrschende Gefühl, macht sich nun in der Abflughalle Wehmut breit. Es waren Ferien für die Nase. Von keinem anderen Ort auf der Welt nahm ich je so viele gute olfaktorische Erinnerungen mit nach Hause wie von hier. Beinahe bin ich versucht, noch rasch einen Zwischenstopp auf der Toilette einzulegen, obwohl ich gar nicht muss.
Quelle: Patrick Bardelli
PS: Als Erinnerung an meinen Trip nach Grasse habe ich mir unter anderem einen Feigenduft von Molinard gegönnt. Einerseits, weil ich ein Fan von Parfüms mit Feige bin. Und andererseits, weil mir das süssliche Aroma schon beim Betreten der Boutique in der Altstadt in die Nase stach.
Mein Name ist Patrick. Bardelli, nicht Süskind. Wie der Autor des Buches «Das Parfüm». Trotzdem bin ich auch ein Parfüm-Fan und schreibe hier immer mal wieder über gute und schlechte Düfte. Meine textlichen Ausdünstungen sicherst du dir, wenn du mir als Autor folgst. Immer der Nase nach.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.