Pflanzliche Beruhigungsmittel: Nur eines wirkt nachweislich
Die Stiftung Warentest hat die Wirkung pflanzlicher Beruhigungsmittel genauer unter die Lupe genommen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Nur eines der vielen frei verkäuflichen Mittel wirkt nachweislich.
Wer generell gestresst ist, schlecht schlafen kann oder eine schwierige Situation vor sich hat, stand vielleicht schon einmal vor der schier unendlichen Auswahl pflanzlicher Präparate, die beruhigen sollen. Gefühlte Regalmeter voll pflanzlicher Beruhigungsmittel als Kapseln, Tee oder Tinkturen: Hopfen, Lavendel, Johanniskraut, Baldrian, Melisse, Passionsblume und Kombinationen daraus. All das gibt es ohne Rezept in der Apotheke, Drogerie, im Supermarkt oder Onlineshop. Aber wirken die sanften Mittel wirklich?
25 pflanzliche Beruhigungsmittel im Test
Das wollte die gemeinnützige Verbraucherorganisation Stiftung Warentest herausfinden und überprüfte dafür 25 pflanzliche Beruhigungsmittel, die rezeptfrei erhältlich sind. Eine Liste der untersuchten Präperate und wie sie jeweils abgeschnitten haben, findest du hier (Bezahlinhalt). Ausgewählt wurden die Mittel, die am häufigsten über den Ladentisch wandern.
Nur Baldrianwurzel-Trockenextrakte überzeugen
Das Ergebnis war (um ein Wortspiel zu bemühen): wenig beruhigend. Denn die meisten der Mittel (21 von den 25) schnitten mit dem Ergebnis «wenig geeignet» eher schlecht ab. Nur vier Produkte schafften immerhin ein «mit Einschränkung geeignet». An pflanzlichen Inhaltsstoffen war es einzig Baldrian, der die Tester überzeugen konnte. Und auch hier nur die reinen Baldrianwurzel-Trockenextrakte ohne weiteren Wirkstoff in Tablettenform.
Was und wie wurde geprüft?
Genau genommen testet die Stiftung Warentest die Beruhigungsmittel nicht, sondern wertet die wissenschaftliche Studienlage zu den verschiedenen Inhaltsstoffen, Wirkstoff-Kombinationen und Darreichungsformen aus. Dabei wird beurteilt, ob in der Fachliteratur der Nutzen des getesteten Mittels im Vergleich zu Scheinmedikamenten oder Standardmitteln nachgewiesen ist. In ihr Ergebnis fließen Daten zu Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Langzeiteinnahme ein und ob es Nebenwirkungen und andere Risiken gibt, allergische Reaktionen etwa.
Darauf achten die Tester
- Welcher Teil der Pflanze wird verarbeitet?
Bei der Wirksamkeit von pflanzlichen Mitteln kann es entscheidend sein, welcher Teil der Pflanze verarbeitet wird. Die Wurzeln enthalten andere Inhaltsstoffe als etwa die Blüten oder gleich die ganze Pflanze. - Welches Extraktionsverfahren wird verwendet?
Je nachdem, auf welche Art die Wirkstoffe aus den Pflanzenteilen gelöst (extrahiert) werden, unterscheiden sich auch die enthaltenen Wirkstoffe. In Tees finden sich vornehmlich wasserlösliche Stoffe. Wird mit Aceton extrahiert, gelangen die fettlöslichen Inhalte in die Präperate. Eine Extraktion mit Alkohol löst beides. Und schließlich gibt es auch hier Mischformen, bei denen wiederum das Verhältnis entscheidend ist.
Schlechtes Zeugnis aus Mangel an Beweisen
Insgesamt untersuchte die Stiftung Warentest folgende Pflanzen und Kombinationen:
- Baldrian
- Baldrian + Hopfen
- Baldrian + Hopfen + Melisse
- Baldrian + Hopfen + Passionsblume
- Baldrian + Melisse
- Baldrian + Melisse + Passionsblume
- Hopfen + Lavendel + Melisse
- Johanniskraut
- Lavendel
- Melisse
Baldrian in Reinform hat dabei als einziges der untersuchten Mittel einigermaßen überzeugt. Mehr zu dem altbekannten Beruhigungsmittel liest du hier.
Johanniskraut schnitt zwar als Mittel gegen Nervosität und Unruhe nicht überzeugend ab. Was nicht heißt, dass es schadet, aber es ist wissenschaftlich kein Nutzen belegt. Dafür kann es aber durchaus bei leichten depressiven Verstimmungen und geistiger Erschöpfung Linderung bringen, wenn es hoch genug dosiert ist.
Zur Einnahme von Lavendelöl in Kapselform gibt es Studien, die auf eine Wirksamkeit bei Unruhezuständen hinweisen. Allerdings reichen diese nicht als endgültiger Beleg. Wer Lavendelöl einsetzen möchte, sollte sich mit seinem Arzt dazu besprechen.
Für Melisse, Passionsblume, Hopfen und Kombinationen daraus existieren insgesamt keine belastbaren Studien, die ihre Wirkung als Beruhigungsmittel bestätigen könnten.
Fazit: Baldrian ist klarer Testsieger
Das Ergebnis ist ernüchternd für diejenigen, die sich gerne auf die Wirkung von Pflanzen verlassen. Trotzdem gibt es immerhin einen Gewinner: Baldrian wird nicht umsonst seit langer Zeit als Hausmittel zur Beruhigung eingesetzt. Und für die anderen Pflanzen und deren Wirkstoffkombinationen wurde die Wirkung nicht widerlegt, konnte aber auch nicht befriedigend nachgewiesen werden.
Titelfoto: Pixabay/ShutterstockWissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.