Kritik

«Pokémon: Der Schatz von Zone Null»: Zwischen Frust und Langeweile

Die «Pokémon»-Erweiterung «Der Schatz von Zone Null» bietet eine fade und teils frustrierende Erfahrung. Das Spiel ist nur was für hartgesottene Fans.

Einige Monate nach dem katastrophalen Launch von «Pokémon Karmesin & Purpur» kündigte Entwicklerstudio Game Freak eine zweiteilige Erweiterung für das Open-World-Spiel an: «Der Schatz von Zone Null». Im September erschien mit «Die Türkisgrüne Maske» das erste Kapitel des Erweiterungspakets. Im Dezember folgt nun mit «Die Indigoblaue Scheibe» der zweite Teil.

Ich wage einen erneuten Ausflug in die Welt der Taschenmonster und schaue mir an, ob der DLC die massiven Probleme des Hauptspiels ein Jahr später ausbügeln kann.

Die Story nervt

Der DLC entführt mich in zwei neue Regionen. Im ersten Teil unternehme ich einen Schulausflug in die Kitakami-Region – eine komplett neue Spielwelt, inspiriert von den Bergregionen Nordjapans. Im zweiten Teil besuche ich als Austauschschüler die Blaubeer-Akademie – eine Elite-Schule, die zu Forschungszwecken ein riesiges Unterwasser-Terrarium voller wilder Pokémon errichtet hat.

Im Verlauf der Story erfahre ich mehr über die sagenumwobenen «Zone Null» und über das mysteriöse Phänomen der «Terakristallisierung», das Pokémon in lebende Edelsteine verwandelt. Zudem mache ich Bekanntschaft mit gleich fünf neuen legendären Pokémon. Wenn dir die Hintergrundgeschichte des Hauptspiels gefallen hat und du die märchenhaften Erzählungen rund um legendäre Pokémon magst, wirst du auch die Geschichte im DLC gut finden. Vorausgesetzt, du kannst dich mit der zähen Erzählweise anfreunden.

Im ersten DLC-Teil erforsche ich die Legende eines bösartigen Taschenmonsters.
Im ersten DLC-Teil erforsche ich die Legende eines bösartigen Taschenmonsters.
Quelle: Nintendo

Besonders die Geschichte «Die Türkisgrüne Maske» leidet unter einigen der nervigsten Charaktere, die ich je in einem Videospiel getroffen habe. Im Zentrum der Geschichte steht das Geschwisterpaar Hana und Jo. Auf meinem Schulausflug in Kitakana muss ich mit ihnen die Legende um ein böses Pokémon erforschen, das vor Jahren die Dorfbewohner in der Gegend terrorisiert hat. Das gestaltet sich aber als sehr schwierig, weil die beiden ununterbrochen miteinander oder mit mir streiten. Die Dialoge sind zum Davonlaufen, die Motivationen und Handlungen der Charaktere ergeben keinen Sinn. Ich will mit diesen nervigen Teenies nichts zu tun haben. Das ist schade, denn die Hintergrundgeschichte des legendären, scheinbar bösen Terror-Pokémon ist durchaus interessant.

Gestatten? Hana und Jo. Die nervigsten Videospiel-Charaktere aller Zeiten.
Gestatten? Hana und Jo. Die nervigsten Videospiel-Charaktere aller Zeiten.
Quelle: Nintendo

Zum Glück muss ich in meinem Austauschsemester an der Blaubeer-Akademie nicht mehr so oft mit den zwei nervigen Schreihälsen herumhängen. Dort kann ich mich grösstenteils auf eine klassische «Ich will der Allerbeste sein»-Story konzentrieren. Nur zum Schluss werde ich gezwungen, wieder mehr mit den zwei Vollpfosten zu interagieren. Immerhin werden die unzähligen Stunden am Ende der zweiten Erweiterung mit ein paar coolen Momenten und unerwarteten Twists belohnt.

Das Ende des Erweiterungspakets führt mich zurück in die Zone Null. Dort entdecke ich unter anderem ein neues, legendäres Pokémon.
Das Ende des Erweiterungspakets führt mich zurück in die Zone Null. Dort entdecke ich unter anderem ein neues, legendäres Pokémon.
Quelle: Domagoj Belancic

Das Open-World-Design ist immer noch traurig und leer

Einer der grössten Kritikpunkte an «Pokémon Karmesin & Purpur» war für mich die seelenlose Open World. Einerseits habe ich die grosse Freiheit genossen, die mir die riesige Spielwelt gegeben hat. Andererseits war diese sehr... leer. Sie diente nur als leblose Kulisse für das Spielgeschehen, die ich mit meinem fliegenden Pokémon ohne jegliche Challenge durchqueren konnte. Das hat sich leider auch mit den zwei neuen Regionen nicht geändert.

Besonders enttäuschend ist die Region Kitakami aus der «Türkisgrünen Maske». Es ist im Grunde nur eine Miniaturversion von Paldea. Die Map hebt sich weder visuell noch spielerisch vom Hauptspiel ab und langweilt mich schon nach der ersten Spielstunde. Besonders trist ist die Tatsache, dass in ganz Kitakami nur ein Dörfchen existiert, das aus ein paar wenigen Häusern besteht.

Kitakami ist noch leerer als Paldea.
Kitakami ist noch leerer als Paldea.
Quelle: Domagoj Belancic

Etwas spannender ist das Konzept des Unterwasser-Terrariums aus der «Indigoblauen Scheibe». Die künstliche Landschaft der Blaubeer-Akademie ist in vier Biome unterteilt, die durch weisse Mauern getrennt sind. Spielerische Auswirkungen hat die künstliche Trennung der Klimazonen keine – es sieht aber zumindest spannender aus, als die triste Bergregion in Kitakami.

Das Unterwasser-Terrarium ist ein spannendes Konzept.
Das Unterwasser-Terrarium ist ein spannendes Konzept.
Quelle: Domagoj Belancic

Genau wie die riesige Map des Hauptspiels, motivieren mich auch die neuen, kleineren Regionen nicht, die Spielwelt zu erkunden. Ausser wilden Pokémon, Trainern und unzähligen Items gibt es nichts zu entdecken. Kitakami und das Unterwasser-Terrarium sind die Antithese zum herausragenden Open-World-Design eines Spiels wie «Tears of the Kingdom». Während ich in diesem für meine Neugier und das Erkunden belohnt werde, werde ich in «Pokémon» schon fast dafür bestraft. Jedes Mal, wenn ich von meiner Mission abkomme, um eine spannend aussehende Höhle zu erforschen, werde ich enttäuscht. Meist fertigt mich das Spiel mit popeligen Items (juhu, ein Supertrank) oder random Pokémon ab. Langweilig.

Was sich wohl in dieser Höhle befindet? Absolut gar nichts von Bedeutung.
Was sich wohl in dieser Höhle befindet? Absolut gar nichts von Bedeutung.
Quelle: Domagoj Belancic

Mühsame To-do-Liste

Als wäre das unspektakuläre Open-World-Design nicht genug, frustriert mich «Die Indigoblaue Scheibe» zusätzlich mit einem mühsamen Aufgaben-System. Dieses zwingt mich, repetitive Tasks in der leeren Spielwelt zu wiederholen. Für jeden erledigten Task erhalte ich BP – die zentrale Währung, mit der ich Sachen freischalten kann. «Sammle zehn Items», «fange ein Pokémon vom Typ Boden» oder «fotografiere ein schwimmendes Pokémon» lauten die Aufgaben. Sobald ich eine erledigt habe, folgt sofort die nächste. Ein unendlicher Loop.

Die Aufgaben gehen mir schnell auf den Keks.
Die Aufgaben gehen mir schnell auf den Keks.
Quelle: Domagoj Belancic

Die langweiligen Tasks illustrieren, wie wenig spannende Aktivitäten es in der Spielwelt zu erledigen gibt. Spätestens bei der fünften Wiederholung von «stelle eine TM her» habe ich keinen Bock mehr auf das System. Das ist schade, denn mit den BP-Punkten lassen sich essenzielle Upgrades freischalten.

So kann ich beispielsweise die Biodiversität in den vier Biomen schrittweise erhöhen. Mit den Upgrades kann ich im Terrarium alle (!) Starter-Pokémon der vergangenen Generationen fangen. Auch legendäre Pokémon aus den alten Games lassen sich so freischalten. Eigentlich sehr cool. Aber bis ich genug Punkte dafür gesammelt habe, vergehen unzählige langweilige und frustrierende Spielstunden. Besonders ärgerlich ist auch, dass ich einige der Taschenmonster nur freischalten kann, wenn ich online mit anderen Trainern spiele.

Grafik und Performance sind immer noch inakzeptabel

Grafisch hat sich in der Hauptregion Paldea nicht viel geändert. Auch Kitakami und das Unterwasser-Terrarium sind auf demselben Niveau wie das Hauptspiel. Also irgendwo zwischen PS2- und PS3-Grafik. Ich übertreibe nicht.

Die Spielumgebung ist gekennzeichnet durch matschige und offensichtlich gekachelte Texturen.

Das sieht nicht gerade einladend aus.
Das sieht nicht gerade einladend aus.
Quelle: Domagoj Belancic

Absurd ist, dass das Game mich teilweise zwingt, auf diese tristen Texturen zu schauen. Die Kamera lässt sich während den häufigen 2vs2-Kämpfen oft nicht optimal positionieren. So muss ich den trostlosen Boden und das unschöne Gras statt die Pokémon-Kämpfe ansehen.

Die Kamera fokussiert auf die visuellen Schwächen des Spiels statt auf die rundenbasierten Kämpfe.
Die Kamera fokussiert auf die visuellen Schwächen des Spiels statt auf die rundenbasierten Kämpfe.
Quelle: Domagoj Belancic

Überall gibt es Ecken und Kanten. Klippen und Berge sehen dadurch nicht wie echte Objekte aus.

Ein Spiel mit wortwörtlichen Ecken und Kanten.
Ein Spiel mit wortwörtlichen Ecken und Kanten.
Quelle: Domagoj Belancic

Bezüglich der Performance gibt es auch nichts Positives zu vermelden. Die zwei neuen Maps laufen teilweise noch schlechter als das Hauptspiel. Besonders im Unterwasser-Terrarium habe ich mit massiven Framerate-Einbrüchen zu kämpfen. Teilweise bewege ich mich mehrere Sekunden lang in Zeitlupe durch die Map. Das Game hat zudem immer noch Probleme mit Objekten in der Ferne. Viele Pokémon poppen erst ein paar Zentimeter vor meiner virtuellen Nase auf. Und Spielfiguren sowie bewegliche Gegenstände werden schon auf kurze Distanz mit einer sichtbar niedrigeren Bildwiederholrate animiert.

Auch die beliebten Online-Raids sind technisch immer noch inakzeptabel. Will ich an einem Raid teilnehmen, muss ich mich auf unzählige Fehlermeldungen und Verbindungsabbrüche gefasst machen. Habe ich es in einen Raid geschafft, werde ich mit einem ruckeligen Kampf und spürbarem Lag konfrontiert. Das macht keinen Spass.

Online-Raids bedeuten Frust.
Online-Raids bedeuten Frust.
Quelle: Domagoj Belancic

Ist denn alles so schlecht und nervig?

Natürlich nicht. Der Kern des Erweiterungspakets besteht, wie das Hauptspiel auch, aus dem altbekannten «Pokémon»-Gameplay-Loop. Das Sammeln, Kämpfen und Hochleveln der putzigen Taschenmonster macht immer noch Spass. Lobenswert ist auch die Tatsache, dass besonders «Die Indigoblaue Scheibe» ziemlich schwer ist. Der Grossteil der Pokémon-Duelle im Unterwasser-Terrarium wird in 2vs2-Kämpfen bestritten. Das zwingt mich, mein Team neu aufzustellen und neue Strategien auszuhecken. Sonst habe ich gegen die teilweise verdammt cleveren Arenaleiter keine Chance.

Der Kern des Gameplays ist nach wie vor genial.
Der Kern des Gameplays ist nach wie vor genial.
Quelle: Domagoj Belancic

Besonders loben möchte ich an dieser Stelle auch die Musik des Spiels. Während Bosskämpfen liefert der Soundtrack epische Gänsehautmomente und während des Erkundens der Spielwelt passt sich die Hintergrundmusik dynamisch der aktuellen Umgebung an.

Das Game trumpft zudem mit einigen überraschenden Momenten auf, die Abwechslung in den Trainer-Alltag bringen. So kann ich mit einem neuen Item die Kontrolle über meine Pokémon erlangen und mit ihnen durch die offene Spielwelt laufen, fliegen oder schwimmen. Ein lustiger und süsser, wenn auch komplett sinnloser, Bonus.

Unterwegs als Sleimok. Lustig.
Unterwegs als Sleimok. Lustig.
Quelle: Domagoj Belancic

Fazit: Nur für Hardcore-Fans interessant

«Der Schatz von Zone Null» enttäuscht mit einer nervig erzählten Story, leeren Spielwelten, repetitiven Gameplay-Mechaniken und technischen Schwierigkeiten. Im Vergleich zum Hauptspiel hat sich also nicht viel getan. Das ist schade, denn unter all den Problemen schlummert im Kern der nach wie vor spassige «Pokémon»-Gameplay-Loop, der hervorragend in eine offene Spielwelt passen würde.

Falls du deine Zeit in «Pokémon Karmesin & Purpur» trotz Problemen genossen hast und auf der Suche nach mehr vom Gleichen bist, wirst du Spass mit der Erweiterung haben. Alle anderen machen lieber einen weiten Bogen um den DLC und hoffen auf das baldige Erscheinen einer neuen und hoffentlich qualitativ besseren «Pokémon»-Generation.

«Der Schatz von Zone Null» ist erhältlich für die Nintendo Switch. Die Erweiterung wurde mir zu Testzwecken von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Nintendo Pokémon Karmesin + Der Schatz von Zone Null - Erweiterung (Switch, DE)
Game

Nintendo Pokémon Karmesin + Der Schatz von Zone Null - Erweiterung

Switch, DE

Nintendo Pokémon Purpur + Der Schatz von Zone Null - Erweiterung (Switch, DE)
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EUR124,61

Nintendo Pokémon Purpur + Der Schatz von Zone Null - Erweiterung

Switch, DE

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.

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