Reichen 60 Sekunden Training pro Monat für mehr Kraft im Bizeps?
Keine Zeit ist kein Grund. Eine japanische Studie zeigt: Krafttraining kann sehr effizient gestaltet und mit minimalem Zeitaufwand Erfolge erzielt werden. Du musst nicht stundenlang ins Gym, um sinnvolles Krafttraining zu machen.
In einer Studie, für die 894 australische Personen (Alter: 25 - 54 Jahre) bezüglich der Motivation und Gründe, keinen Sport zu machen, befragt wurden, war der häufigste genannte Grund, zu wenig Zeit zu haben [1]. Der Faktor Zeit scheint also bei inaktiven Personen das Hauptargument gegen Sport darzustellen.
Da Bewegung und Krafttraining aber quasi Medizin darstellen, ist es kaum verwunderlich, dass die Forschung bestrebt ist, allfällige Barrieren wie eben den Faktor Zeit zu eliminieren und darum konstant auf der Suche nach der Optimierung von Effektivität und Effizienz ist.
Minimale Trainingsfrequenz von einer maximalen exzentrischen Kontraktion
Der Frage der Effizienz ging ein japanisches Forschungsteam nach und publizierte vor wenigen Wochen einen Artikel zum Thema exzentrisches Krafttraining [2]. Die Forschenden wollten wissen, wie oft rsp. wie selten man in der Woche eine maximal 3 s anhaltende exzentrische Kontraktion machen muss, um die Kraft im Bizeps signifikant zu erhöhen. Sie nahmen hierzu Resultate einer bereits früher publizierten Studie zu Hilfe, für die Trainierende an 5 Tagen pro Wochen über einen Studienzeitraum von 4 Wochen, jeweils eine 3 s anhaltende exzentrische Kontraktion ausführten [3]. Die Frage, der das Team nun nachging, war, ob 2 oder 3 Trainings mit jeweils einer 3 s maximalen exzentrischen Kontraktion ebenfalls bereits ausreichend ist, um die Kraft signifikant zu erhöhen, um so die minimale wöchentliche Trainingsfrequenz zu ermitteln. Hierzu wurden 26 junge, gesunde Personen (19 Männer und 7 Frauen, Alter: 21 – 22 Jahre) rekrutiert und in zwei Gruppen randomisiert aufgeteilt. 13 Personen trainierten jeweils 2 Mal pro Woche und 13 Personen 3 Mal pro Woche über einen Zeitraum von 4 Wochen. Die Gruppen trainierten jeweils Montag und Donnerstag oder Dienstag und Freitag (Gruppe 2 Mal pro Woche) oder Montag, Mittwoch, Freitag beziehungsweise Dienstag, Donnerstag und Samstag (Gruppe 3 Mal pro Woche). Wie bei der vorherigen Studie mit einer Trainingsfrequenz von 5 Tagen pro Wochen (Montag bis Freitag), wurde auch hier das durch den Bizeps erzeugbare Drehmoment untersucht.
Das Training fand auf einem Dynamometer statt. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das einen Hebelarm mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen kann. Das heisst, dass man eine Winkelgeschwindigkeit (°/s) vorgeben kann und der Trainierende mit seiner maximal willentlich erzeugbaren Kraft dagegen drückt. Dies ermöglicht uns u.a. die Kraft, bei jeder Gelenksposition zu ermitteln.
Für die Studie wurde zwischen Gelenkswinkeln von 100° und 10° trainiert, wobei 0° den komplett gestreckten Arm darstellt. Somit wurde über eine Gelenkswinkelbewegung von 90° trainiert. Um den Bizeps während 3 s exzentrisch zu belasten, wählten die Forschenden für die Dynamometereinstellung also eine Winkelgeschwindigkeit von 30°/s und instruierten die Probanden während 3 s mit maximal willentlich erzeugbarer Kraft gegen den sich abwärts bewegenden Hebelarm zu drücken.
Resultate
Die Forschenden untersuchten die folgenden Kraftgrössen:
- Isometrische erzeugbare Kraft über 3 s bei den folgenden Gelenkspositionen: 20°, 55° und 90°
- Konzentrisch erzeugbare Kraft bei einer Winkelgeschwindigkeit von 30°/s und 180°/s
- Exzentrisch erzeugbare Kraft bei einer Winkelgeschwindigkeit von 30°/s und 180°/s
- Gemitteltes Drehmoment über alle Kraftgrössen
Mittels Ultraschall wurde zudem die Muskeldicke des trainierten Arms bestimmt, um die Auswirkungen der Trainingsfrequenz darauf hin zu untersuchen.
Das absolvierte Trainingsvolumen (Nm·s) ist bei allen drei Gruppen (2, 3 und 5 Mal Training pro Woche) aufgrund des Studiendesigns signifikant unterschiedlich. Das höchste Volumen wurde von der Gruppe, die 5 Mal (3658 ± 1051 Nm·s ) pro Woche trainiert hat, absolviert. Gefolgt von der Gruppe, die 3 Mal (2070 ± 508 Nm·s) pro Woche trainierte. Das Volumen der Gruppe mit der kleinsten Trainingsfrequenz betrug 1233 ± 257 Nm·s.
Bei allen Gruppen verglichen die Forschenden nun das über alle Kraftgrössen gemittelte Drehmoment in der ersten Trainingssession und verglichen es mit dem Drehmoment in der letzten Trainingssession in der 4. Woche. Alle Gruppen konnten ein gleich grosses Drehmoment in der ersten Trainingssession erzeugen. Da bestand kein Unterschied. Beim Vergleich zwischen der ersten und der letzten Trainingssession zeigte sich jedoch, dass die Gruppe, welche 5 Mal pro Woche trainierte, eine signifikante Zunahme von Δ15.7 ± 10.5% aufwies. Dies war bei den anderen Gruppen nicht der Fall.
Eine pro Kraftgrösse detaillierte Betrachtungsweise zeigte, dass die Gruppe, die 5 Mal trainierte bei den isometrischen Messungen bei allen Gelenkswinkeln signifikant mehr Drehmoment erzeugen konnte. Bei der Gruppe, die 3 Mal pro Woche trainierte, war dies nur bei einem Gelenkwinkel von 20° der Fall. Bei der Gruppe, die lediglich 2 Mal pro Woche trainierte, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied.
Auch bei der Betrachtung der konzentrisch erzeugbaren Kraft zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei der Gruppe, die 5 Mal pro Woche trainierte. Diese konnte ein höheres Drehmoment erzeugen bei einer Winkelgeschwindigkeit von 30°/s, jedoch nicht bei 180°/s. Die beiden anderen Gruppen zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied.
Beim exzentrischen Drehmoment zeigten sowohl die Gruppe, die 5 Mal und die Gruppe, die 3 Mal trainierten einen signifikanten Anstieg des Drehmoments im Vergleich zur Ausgangsmessung. Dies bei beiden Winkelgeschwindigkeiten. Nur die Gruppe, die 2 Mal pro Woche trainierte, zeigte keine Veränderung. Die Muskeldicke blieb bei allen Gruppen gleich und nahm nicht signifikant zu.
Schlussfolgerung und Limitationen
3 s lang maximale willentlich erzeugbare Kraft zu produzieren und das an mindestens 3 Tagen pro Wochen trägt dazu bei, dass man stärker wird. Nicht jedoch, dass die Muskeln wachsen. Aufgrund der Unterschiede zwischen den Gruppen, muss der Trainingsfrequenz eine grössere Bedeutung für diese Trainingsmethode zugeordnet werden.
Die Studie ist nicht frei von Limitationen. Ob die Resultate verallgemeinert werden können, zeigt sich erst, wenn andere Kohorten, wie z.B. ältere Personen und/oder klinische Kohorten untersucht werden. Die Frage, wie sich der Kraftzuwachs über eine längere Studiendauer verhält, kann mit dieser Studie ebenfalls nicht beantwortet werden. Ob ein ähnliches Resultat bei anderen Muskelgruppen festgestellt wird, müssen zukünftige Studien zeigen. Die oft noch mit Gewichtsplatten beladenen Kraftgeräte lassen zudem nur schwerlich rein exzentrisches Training zu, wobei maximale exzentrische Kontraktionen bei älteren Patienten oder klinischen Populationen gefährlich sein können.
Was die Studie jedoch andeutet ist, dass sich Krafttraining effizient gestalten lässt. Das Argument, keine Zeit zu haben für etwas, was für unseren Körper gesundheitlich sehr vorteilhaft ist, dürfte die Studie damit weitgehend entkräften. Als Gesellschaft würde es sich wohl auszahlen, den Nutzen von Krafttraining höher zu bewerten und zu einem Paradigmenwechsel anzuregen.
Nimm dir Zeit für deine Muskeln, sonst nimmt die Zeit dir deine Muskeln.
Referenzen
Hoare E, Stavreski B, Jennings G, Kingwell B. Exploring Motivation and Barriers to Physical Activity among Active and Inactive Australian Adults. Sports. 2017;5: 47. doi:10.3390/sports5030047
Yoshida R, Kasahara K, Murakami Y, Sato S, Tanaka M, Nosaka K, et al. Weekly minimum frequency of one maximal eccentric contraction to increase muscle strength of the elbow flexors. Eur J Appl Physiol. Springer Berlin Heidelberg; 2023; doi:10.1007/s00421-023-05281-6
Sato S, Yoshida R, Murakoshi F, Sasaki Y, Yahata K, Nosaka K, et al. Effect of daily 3-s maximum voluntary isometric, concentric, or eccentric contraction on elbow flexor strength. Scand J Med Sci Sports. Scand J Med Sci Sports; 2022;32: 833–843. doi:10.1111/SMS.14138
Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.