Samsung Galaxy S: Die Legende lebt, aber nur noch knapp
Mit dem Galaxy S habe ich mein erstes Smartphone noch immer im Schrank. Gut verstaut in der Originalverpackung. Doch die ursprüngliche Idee, eine Woche nur das alte Gerät zu benutzen, musste ich schnell verwerfen.
Das Galaxy S I9000 kam im Sommer 2010 auf den Markt. Hat inzwischen also 13 Jahre auf dem Buckel. Für mich war es damals das erste Smartphone jenseits des iPhone, das wirklich so gut war, dass ich mich vom klassischen Handy verabschiedet habe. Fotos machen, im Internet surfen, Spiele zocken. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete. Jetzt, bei erneutem Gebrauch, bleibt mir diese Welt größtenteils verschlossen.
So schön handlich
Der Wechsel vom Barrenhandy mit Tasten und ohne Kamera hin zum Android-Smartphone mit vier Zoll großen Super-AMOLED-Display – ja, das hatte Samsung schon damals – mit 800 × 480 Pixeln und einer 5-Megapixel-Kamera war gewaltig. Aus heutiger Sicht dürfte da höchstens noch die Displaygröße für Interesse sorgen. Zumindest, wenn ich an meinen Kollegen Martin denke.
Das Galaxy S fühlt sich mit seinen kleinen Abmessungen gut in der Hand an. Ich erreiche das komplette Display einhändig, ohne meine Finger verrenken zu müssen. Ich kann für einen Moment nachvollziehen, warum Martin so auf ein kleines Smartphone erpicht ist.
Samsung hat sich damals für einen guten Kunststoff entschieden. Er ist über die Jahre weder klebrig geworden, noch hat er anderweitig an Stabilität verloren.
Die aktuelle Gestensteuerung von Android ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich muss mich erstmal an die drückbare Home-Taste sowie die Zurück-Taste daneben gewöhnen.
Einen Fingerabdrucksensor oder eine Gesichtserkennung gibt es nicht. Die Displaysperre habe ich zum Glück entfernt, nachdem ich das Galaxy S damals zur Seite gelegt habe. Ich wüsste nicht mehr, welches außergewöhnliche Muster ich zum Entsperren gewählt hatte.
Ab Werk lief Android 2.2 auf dem Galaxy S. Es hat Updates bis Android 2.3.3 erhalten. Das ist heute noch drauf. Ich habe zwar gelegentlich mit dem Gedanken gespielt, es aber nie geschafft ein Custom ROM auszuprobieren. Etwas über zwei Jahre habe ich damals mit dem Galaxy S ausgehalten. Dann war im Sommer 2013 das Nexus 4 eine zu große Verlockung.
Aber zurück zum Galaxy S. Nachdem ich ein Micro-USB-Kabel gefunden habe, um es aufzuladen, startet es ohne Probleme. Der Akku, den ich ohne Werkzeug auswechseln könnte, hält noch etwas durch. Im Standby sogar mehr als 24 Stunden – und das mit einer aus heutiger Sicht winzigen Kapazität von 1500 mAh. So richtig darauf verlassen kann ich mich auf die den angezeigten Akkustand aber nicht. Er springt irgendwann von fast ganz voll auf die Warnung, dass das Smartphone demnächst ausgeht.
Zu alt für das Internet von 2023
Das Galaxy S läuft und lässt sich benutzen. Es erscheint mir nicht langsamer als das günstige und desaströse Nokia C12 aus diesem Jahr zu sein. Aber mit dem 13 Jahre alten Smartphone bin ich nachsichtiger.
Als Problem erweist sich jedoch die Software, bzw. grundlegende Technologien dahinter. Das Galaxy S ist zu alt und hat einige technologische Entwicklungen verpasst. Es ist ausgesperrt. Eine Anmeldung mit einem Google-Konto ist weder in Gmail noch im Play Store möglich. Das bedeutet auch: keine Updates für Apps und keine neuen Apps. Der Grund: Seit September 2021 unterbindet Google Logins auf allen Geräten mit älteren Versionen als Android 2.3.7.
Die Youtube-App startet zum Beispiel. Teilt mir dann aber mit, dass es eine neuere Version gibt. Ohne Anmeldung mit meinem Google-Konto komme ich aber nicht in den Play Store, um das Update zu installieren.
Selbst der Browser führt mich nur noch zu Google. Es dürfte das gleiche Problem wie bei Kollege David sein, der für sein Powerbook G4 einen Weg ins Internet gefunden hat, der aber nicht zufriedenstellend ist. Gegen fehlende Zertifikate und veraltete Browser-Technologien hilft eine Internetverbindung alleine nicht.
Einen funktionierenden Internetdienst habe ich doch noch gefunden: Google Maps lässt sich auch ohne Anmeldung benutzen. Die App ist zwar langsam, aber das Kartenmaterial aktuell. Sogar die Ende Mai neu eröffnete S-Bahnstation bei unserem Hamburger Büro ist schon zu sehen. Optisch wirkt das Design zwar altbacken, Einschränkungen beim Funktionsumfang fallen mir als Casual-User des Kartendienstes aber nicht auf. Ich kann mir sogar Routen berechnen lassen. Allerdings muss ich Start- und Zieladresse händisch eingeben. Das GPS des Galaxy S zeigt keinen Standort mehr an. Daran scheitert dann auch die weitere Navigation nach der Berechnung einer Route.
Zwei Spiele für den Zeitvertreib
Immerhin zwei noch installierte Spiele kann ich nutzen. In «Sprinkle» lösche ich Feuer und in «Reckless Racing» jage ich über Rennstrecken. Von beiden Spielen gibt es nur noch Nachfolger im Play Store.
Grafisch sind sie zwar aus heutiger Perspektive sehr pixelig. Aber beim Feuerlöschen packt mich immer noch der Ehrgeiz. Für eine echte Langzeitmotivation reicht das Spielprinzip dann aber doch nicht aus.
Ruf mal wieder an
Ebenfalls ohne Google-Dienste sollte ich mit dem Galaxy S telefonieren können. Dafür muss meine aktuelle Nano-SIM mit zwei Adaptern auf das erste SIM-Format vergrößern. Im zweiten Versuch schiebe ich die Konstruktion dann auch richtig herum herein.
Es passiert aber nichts. Das Smartphone findet keine SIM-Karte. Es gibt keine Aufforderung, die SIM-Pin einzugeben. Schaue ich in den Einstellungen nach, teilt mir das Galaxy S mit, es sei keine SIM vorhanden. Als ich die SIM wieder herausnehme, stelle ich fest, dass ein Kontakt abgebrochen ist. Da scheine ich etwas kaputt gemacht zu haben. Das kleine abgebrochene Stück Metall ist noch da und war damit vorher ganz sicher noch an seinem Platz.
Musikalische Zeitreise
Die zweite Karte im Gerät bietet doch noch etwas Unterhaltung. Auf der microSD sind noch meine teilweise in Vergessenheit geratenen MP3s gespeichert. Der Musikplayer des Smartphones spielt sie immer noch ab.
Darunter befinden sich viele vergessene Titel, die in den letzten Jahren nicht mehr in meiner Heavy Rotation bei Spotify waren. Damals war eindeutig mehr Dancehall bei mir angesagt. «United State of Pop 2010» von DJ Earworm habe ich mir damals auch heruntergeladen – und das ist eine musikalische Zusammenfassung von 2010 in fünfeinhalb Minuten.
Aus dem einzelnen Lautsprecher auf der Rückseite des Galaxy S klingt das aber nicht schön. Der Mono-Sound scheppert. Aber ich kann Kopfhörer anschließen. Das klappt sowohl per Kabel und kabellos. Ich bin positiv überrascht, dass die Verbindung mit Bluetooth 3.0 beim ersten Versuch klappt.
Eine schlechte Kamera hält gute Fotografen nicht auf
Fünf Megapixel bei der Hauptkamera, kein Nachtmodus, kein HDR und Selfies nur mit 0,3 Megapixeln: Von heutigen Smartphone-Kameras ist die des Galaxy S Welten entfernt – und das liegt nicht nur am weiteren Blickwinkel der aktuellen Modelle.
Als zusätzliche kleine Hürde erweist sich die Übertragung der Fotos auf meinen Rechner. Kabellose Verbindungen sind mir zu langsam oder scheitern an nicht möglichen Anmeldungen. Zum Glück speichert das Galaxy S seine Bilder auf einer microSD-Karte und das Kartenlesegerät hole ich mit einem Handgriff aus der Schreibtischschublade.
Farbe und Belichtung
Bei vernünftiger Beleuchtung sehen die Aufnahmen des Galaxy S farblich gut aus. Die geringe Auflösung sorgt allerdings für eine auffällig niedrige Detailgenauigkeit.
Es herrscht aber nicht immer perfekter Sonnenschein: Das bunte Motiv im Schatten wirkt verwaschen. Bei der Sternbrücke ist der Himmel über- und die Straße unterbelichtet.
Nacht
«Bitte gehen Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen.» Die Kamera des Galaxy S schafft es bei Dunkelheit nicht einmal einen Punkt zum Fokussieren zu finden. Einen Blitz hat das Smartphone nicht. Die kamen erst später.
Selfie
640 × 480 Pixel sind vielleicht noch für ein Mini-Profilbild geeignet. Aber auch da würde ich mir eine bessere Farbwiedergabe als bei Galaxy S wünschen.
Retro funktioniert leider nicht immer
Das Galaxy S zeigt mir, warum handliche Smartphones immer noch cool sind. Das Gerät ist aber zu großen Teilen unbrauchbar geworden, seit Google die alte Android-Version aussperrt. Ich kann mit ihm noch Fotos machen, Musik hören, mich bei Google Maps umschauen und zwei Spiele spielen. Das ist mir ehrlicherweise aber zu wenig gewesen, um es eine Woche lang gegen mein aktuelles Smartphone, das Pixel 7 Pro, einzutauschen.
Das wäre kein Erfahrungsbericht über Retro-Tech, sondern über Digital Detox. Der fehlende Software-Support sorgt dafür, dass das Galaxy S für kaum noch eine weitere Verwendung geeignet ist.
Das Galaxy S erinnert mich aber daran, welche Fortschritte die Technologien im letzten Jahrzehnt gemacht haben. Das gerät leicht in Vergessenheit, wenn man nur Geräte vergleicht, die maximal ein Jahr Altersunterschied haben.
Titelfoto: Anna SandnerAls Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus.