
Schritt für Schritt zu deinem ersten digitalen Porträt
Ein Gesicht zu zeichnen muss nicht schwer sein, wenn du einige Punkte beachtest. Mithilfe eines Grafiktabletts und eines Kunstprogramms zeige ich dir, wie du Schritt für Schritt dein erstes Porträt kreierst.
Der Vorteil bei digitalen Bildern ist, dass du dein Werk unendlich oft ausbessern kannst. Das hilft dir, die Angst beim Zeichnen zu nehmen. Dennoch gibt es Techniken, die ein gutes Ergebnis begünstigen.
Falls du noch keine Erfahrung mit digitaler Kunst hast, keine Sorge – ich halte die Anleitung möglichst einfach. Möchtest du dennoch üben, hilft dir mein kurzer Einsteigerkurs bei Procreate. Da die Arbeit mit Ebenen sehr wichtig ist, habe ich dazu einen separaten Artikel, den du dir bei Gelegenheit anschauen kannst.
Meine genutzte Hard- und Software im kurzen Überblick
Als Tablet nutze ich das XP-Pen Artist Pro 22, das mir der Hersteller zur Verfügung gestellt hat. Ein etwas kleineres Modell der Serie, das Artist Pro 14, habe ich bereits ausführlich getestet. Der Vorteil der Pro-Geräte von XP-Pen: Das mitgelieferte Zubehör ist sehr umfangreich, sodass du sofort loslegen kannst und dabei nichts vermisst. Für meine Anleitung zum Porträt-Malen kannst du aber auch ein anderes Tablet mit Stift benutzen.
Als Kunstprogramm habe ich mich für Adobe Fresco entschieden. Die Benutzeroberfläche ist hier sehr reduziert und damit optimal für den Einstieg. Zudem weist es starke Ähnlichkeit zu anderen Programmen wie Procreate oder Infinite Painter auf, sodass du der Anleitung auch ohne Adobe-Abo gut folgen kannst.
Das Warm-up: schnelle Striche zur Auflockerung
Das Warm-up beim Malen kannst du dir vorstellen, wie beim Sport. Du solltest nicht gleich voll loslegen. Zuerst bewegst oder dehnst du sachte deine Gelenke, Beine, Schultern und den Kopf. Dann erst steigerst du dich mehr und mehr rein. So funktioniert das auch beim Malen. Erst wärmst du dich locker auf, bevor du dich ans eigentliche Bild wagst.

Öffne dafür eine hochformatige Leinwand. Ich habe mich bei der Grösse für A4 entschieden. Für Warm-ups und das spätere Skizzieren ist ein Bleistift besonders angenehm. Probiere aber gerne im Programm aus, womit du dich wohlfühlst.
Nun kreierst du ein paar schnelle Skizzen unter dem Thema «Porträt». Hierfür kannst du dir ein paar Vorlagen von Pinterest, Google, einem Magazin oder wo auch immer heraussuchen. Ich habe mir ein paar Gesichter von Pinterest ausgesucht und sie direkt ins Programm auf eine eigene Ebene kopiert. Eine Ebene darüber skizziere ich dann.
Das Ziel dieses Warm-ups ist es, rasch die Grundformen zu erfassen und Details möglichst wegzulassen. Fällt dir das schwer, malst du direkt über die Vorlage und versuchst so, die Formen zu erkennen. Bei digitalen Vorlagen malst du eine Ebene darüber. Bei analogen Vorlagen kannst du entweder mit einem Stift direkt aufs Papier malen oder eine Klarsichtfolie oder ein Backpapier darüber legen.

Ein grosser Kreis für den Kopf, zwei kleine Kreise für die Augen und je einen für Nase und Mund, unten die ovale oder v-förmige Kinnpartie. Mit der Zeit bekommst du ein Gespür für diese Formen und erkennst das repetitive Muster, das alle Gesichter gemein haben. Weiter unten gehe ich nochmals darauf ein.
Vergiss nicht, dass duu erst beim Aufwärmen bist. Es muss nicht schön sein – und vor allem: Lass die Details weg. Du kannst dir natürlich ein Auge oder eine Nase heraussuchen und diese mit ein paar wenigen Strichen festhalten. Das Ergebnis spielt hier aber keine Rolle.

Einteilung und Grundformen: Das Gesicht besteht aus Kreisen
Bist du nach fünf bis zehn Minuten aufgewärmt, geht es an das Grundgerüst. Auch hier kannst du dir eine Vorlage heraussuchen und sichtbar platzieren.
Wie bereits erwähnt, lässt sich das Gesicht gut in verschiedene Formen aufteilen. Damit schaffst du dir ein Grundraster für das eigentliche Porträt. Der Aufbau lässt sich wie folgt gliedern:
- ein grosser Kreis mit Kinnpartie oder ein Oval für den Kopf
- ein Kreuz in der Mitte des Kreises oder etwas über der Mitte des Ovals
- über dem Kreuz befinden sich die beiden Augen als Kreise, jeweils in der Mitte der linken und rechten Gesichtshälfte platziert
- zwischen den Augen passt ein exakt gleich grosser Kreis
- unter dem Kreuz befindet sich die Nase, die Nasenspitze liegt zwei Augenkreise von der Kreuzmitte entfernt
- nochmals darunter liegt der Mund, in gleicher Kreisgrösse wie Augen und Nase
- links und rechts befinden sich die Ohren als Ovale, sie beginnen am oberen Ende der Augen und enden in etwa bei der Nasenspitze
Die Ausarbeitung darf skizzenhaft bleiben
Hast du die Grundstruktur auf einer Ebene gezeichnet, geht es an die grobe Ausarbeitung. Wähle dafür entweder einen dickeren Bleistift oder einen Tuschepinsel, der dir liegt. Das ist alles Geschmacksache. Ich probiere gerne kurz ein paar verschiedene Optionen aus. In der digitalen Welt kannst du praktischerweise alles ganz leicht ausradieren.
Nun legst du eine neue Ebene auf dein Grundgerüst. Beim Grundgerüst selbst kannst du bei Bedarf die Deckkraft sanft herunterschrauben, dann lenken die Linien weniger ab.
Für dein erstes Porträt rate ich dir, dich nicht zu sehr in Details zu verlieren. Halte das Porträt skizzenhaft und verspielt. Du bekommst mit jedem Bild mehr das Gespür für Linien und Formen. Es muss also keineswegs perfekt sein. Auch lässt sich am Schluss beim Kolorieren noch einiges herausholen.

Falls du dich schwertust mit gewissen Gesichtspartien, zeichne sie neben dem Porträt nochmals hin. Wenn ich ein Auge nicht gleich hinbekomme, male ich beispielsweise am Rand des Bildes auf einer eigenen Ebene nochmals eines hin. So bekomme ich ein besseres Gefühl für die Zusammensetzung und lasse mich nicht vom restlichen Gesicht ablenken. Anschliessend kann ich diese Ebene einfach wieder löschen oder ausblenden.
Feinarbeit durchs Kolorieren
Deine mehr oder weniger skizzenhafte Ausarbeitung benötigt nun noch ein bisschen Farbe. Verliere dich auch hier nicht in Details. Dabei hilft die Auswahl des Pinsels. Ich nehme gerne einen grossflächigen mit weniger Deckkraft als einen Aquarellpinsel. Der Vorteil dabei ist, dass ich mit der gleichen Farbe zweimal übereinandermalen kann, und so direkt Schattierungen entstehen.

Beim Ausmalen digitaler Bilder ist es völlig egal, wenn du über den Rand malst. Das lässt sich mit dem Radiergummi problemlos beheben. Achte allerdings darauf, mit jeder Farbe auf einer separaten Ebene zu malen, damit du sie auch einzeln bearbeiten kannst – oder mit den Farben experimentieren kannst.
Ich beginne gerne mit der Hautfarbe, da sie den grössten Teil des Porträts ausmacht. Dann ein sanftes Rot für Lippen und allenfalls Wangen. Mit einem Überblendungspinsel kann ich das Rot für die Wangen noch etwas sanfter ausarbeiten.
Ein Weissgrau unter der Augenfarbe lässt die Augen schön leuchten. Bei den Haaren halte ich es gerne so ungenau wie bei den Linien der Skizze. Ein paar grobe Schatten bringen Spiel rein.

Anschliessend setze ich mit dem Bleistift vom Anfang ein paar helle und weisse Strähnen in die Haare. Zu guter Letzt gibt es noch ein paar weisse Lichtpunkte bei den Augen, der Nase und den Lippen.
Viel Spass beim Ausprobieren. Ich würde mich übrigens riesig über deine Ergebnisse per Mail freuen.
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Seit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los.