Steam Deck im Langzeittest: Das beste aus Konsole und PC
Produkttest

Steam Deck im Langzeittest: Das beste aus Konsole und PC

Philipp Rüegg
24/10/2022

Das Steam Deck ist eine Nintendo Switch auf Steroiden. Auch nach sechs Monaten begeistert mich das Gerät immer wieder aufs Neue.

Valve ist immer für Überraschungen gut. Sei es mit der Lancierung des unkonventionellen Steam Controllers, einer eigenen Premium-VR-Brille oder dem Handheld-PC Steam Deck. Letzterer scheint das bislang erfolgreichste Hardware-Projekt des US-Amerikanischen Spieleunternehmens zu sein. Über eine Million Geräte sind seit Februar verschickt worden. Das ist zwar weit entfernt von den rund fünf Millionen Switches, die Nintendo in den ersten sechs Monaten abgesetzt hat. Für einen ersten Versuch ist es dennoch eine riesige Leistung. Zu Recht, wie ich nach mehrmonatiger Testzeit bestätigen kann.

Die portable Konsole mit der grössten Spieleauswahl

Das Steam Deck ist ein portabler Mini-PC. Am ehesten ist es mit der Nintendo Switch vergleichbar. Auf dem Steam Deck lässt sich theoretisch jedes beliebige PC-Spiel installieren. Auf dem Gerät läuft das Linux-basierte Betriebssystem SteamOS. Das bietet eine Konsolen-ähnliche Benutzeroberfläche, die perfekt auf den Handheld abgestimmt ist. Wie die Switch kann ich das Steam Deck mitten im Spiel ausschalten und später, ohne Unterbruch, an der gleichen Stelle weiterspielen.

Das Steam Deck ist deutlich grösser als eine Switch. Damit ist sie für mich als Erwachsener aber auch ergonomischer. Die Tasten und Analog-Sticks sind perfekt positioniert, so dass ich auch mehrere Stunden völlig unverkrampft spielen kann. Die 200 Gramm Mehrgewicht stören mich nicht im Geringsten.

Das Steam Deck ist definitiv ein grosser Mocken und doch ergonomischer als eine Switch oder die betagte PS Vita.
Das Steam Deck ist definitiv ein grosser Mocken und doch ergonomischer als eine Switch oder die betagte PS Vita.

Um PC-Spiele zu meistern, ist das Steam Deck neben der traditionellen Controller-Steuerung mit einem Touchscreen, zwei Touch-Pads, sowie vier zusätzlichen Tasten auf der Rückseite ausgestattet. Die Tasten sind frei belegbar. Ausserdem gibt es für praktisch jedes Spiel zahlreiche Community-Layouts zum Herunterladen. Damit sind Echtzeitstrategie-Spiele, Ego-Shooter oder Jump-'n'-Run-Spiele problemlos spielbar.

SteamOS bietet dir Zugriff auf alle Spiele, die es auf der Plattform Steam gibt. Ich kann somit auf einen Schlag hunderte Spiele aus meiner bestehenden Steam-Bibliothek installieren, ohne auch nur eines erneut kaufen zu müssen. Ob die dann starten, ist eine andere Frage. Denn nicht jedes Spiel ist mit dem Steam Deck kompatibel.

Die meisten der zehntausenden Steam-Spiele sind für Windows gemacht. Ein Bruchteil davon ist zusätzlich mit MacOS oder Linux kompatibel. Damit Windows-Spiele auf SteamOS laufen, hat Valve eine Software namens Proton entwickelt. Dieser «Kompatibilitäts-Layer» sorgt dafür, dass viele – wenn nicht die meisten – Steam-Spiele automatisch auf dem Steam Deck spielbar sind. Spieleentwicklerinnen und -entwickler müssen nichts weiter tun. Mittlerweile tragen über 5000 Spiele das Gütesiegel «Steam Deck verifiziert». Hinzu kommen Tausende, die mit kleineren Einschränkungen als «kompatibel» gelten. Meine Erfahrung zeigt, dass die meisten Spiele funktionieren, selbst wenn sie noch ungeprüft sind. Am häufigsten Schwierigkeiten bereiten Online-Spiele mit Anti-Cheat-Software wie «Destiny 2», «Lost Ark» oder «FIFA 23».

Mit dem Steam Deck habe ich alle meine PC-Spiele immer dabei.
Mit dem Steam Deck habe ich alle meine PC-Spiele immer dabei.

Die mit Abstand grösste Spieleauswahl einer Konsole ist aber nicht das Highlight des Steam Decks. Es sieht zwar aus und fühlt sich an wie eine portable Konsole, im Kern bleibt es aber ein PC. Und das bedeutet, dass ich damit viel mehr machen kann, als von Steam Spiele zu installieren.

Im Herzen ein PC

Das Steam Deck kann ich einerseits wie eine normale Konsole benutzen. Einschalten, Spiel auswählen, Start drücken, fertig. Wenn ich demnächst noch die optionale Docking Station erhalte, kann ich damit sogar genau wie mit der Switch am Fernseher spielen. Doch das ist längst nicht alles.

Wenn ich lange die Ein-Aus-Taste drücke, wechselt das Steam Deck in den Desktop-Modus. Dort steht mir ein vollumfängliches Linux zur Verfügung. Programme kann ich aus «Discover», dem integrierten App Store, installieren. Dort gibt es eine eigene Kategorie für Emulatoren. Alleine dafür lohnt sich der Kauf des Steam Decks. Damit kann ich kinderleicht Super-Nintendo-, Switch-, Playstation-1- oder Game-Boy-Advance-Spiele zocken. Mittlerweile gibt es mit Emudeck sogar eine Software, welche die meisten gängigen Emulatoren zusammenfasst. So muss ich nur noch ein einziges Programm installieren. Damit ich nicht immer erst in den Desktop-Modus wechseln muss, wenn ich eine Runde «Goldeneye 64» spielen will, kann ich mir Shortcuts erstellen, die anschliessend in meiner Steam Bibliothek auftauchen – absolut genial. Retro-Spiele, die ohnehin schlecht aufgelöst sind, spielen sich hervorragend auf dem Steam Deck.

Im Desktop-Modus blüht das PC-Bastler-Herz auf.
Im Desktop-Modus blüht das PC-Bastler-Herz auf.

Wenn es mir nach modernen Spielen zumute ist und mir die Steam-Auswahl nicht ausreicht, kann ich andere Launcher installieren. Je nach Launcher ist das mit mehr oder weniger Aufwand verbunden, aber mittlerweile habe ich Epic, Ubisoft Connect, Battle.net und GOG zum Laufen gebracht. Die Spiele kann ich aus dem SteamOS starten. Anders sieht es mit Spielen des Game Pass aus. Microsoft nutzt die Universal Windows Platform, kurz UWP. Die läuft nur auf Windows. Weil Microsoft die Game-Pass-Spiele aber auch über die Cloud anbietet, kann ich mit dem Browser darauf zugreifen. Auch das lässt sich als App einrichten, die direkt aus der Steam-Bibliothek gestartet werden kann. Das funktioniert erstaunlich gut, schöner wäre trotzdem die lokale Installation. Platz dafür habe ich genug. Bei meinem 512-GB-Modell sind immer noch 150 Gigabyte frei. Und das bei über 30 installierten Spielen sowie unzähligen ROMs für die Emulatoren. Sollte das mal nicht mehr reichen, kann ich den Speicherplatz mit einer microSD-Karte erweitern.

Jedes kompatible Spiel lässt sich ohne zusätzliche Handgriffe spielen. Wenn ich will, kann ich zahlreiche Anpassungen vornehmen. Mit der gepunkteten Taste unterhalb des rechten Touchpads öffne ich das Menü für Benachrichtigungen, Chat, Schnelleinstellungen und die Performance. Über letzteres lässt sich ein Overlay aktivieren, das von einfachen Informationen wie den FPS bis zu Lüftergeschwindigkeit und Temperaturen alle wichtigen Leistungsangaben darstellt. Das ist nützlich, wenn ich Spiele justieren will. Denn auf dem Steam Deck laufen keine Konsolenportierungen, sondern vollwertige Spiele – inklusive allen grafischen Einstellungsmöglichkeiten. Über das Performance-Menü kann ich die Bildwiederholrate von 60 auf 30 limitieren, wenn ich ein ruckelfreieres Spiel auf Kosten weniger Frames möchte. Oder ich setze sie auf 15 herunter, um den Akku zu schonen.

Performance-Menüs lassen sich ganz einfach einblenden.
Performance-Menüs lassen sich ganz einfach einblenden.

Apropos Leistung. Das Steam Deck hat einiges unter der Haube, an einen modernen PC oder eine Konsole reicht es nicht heran. Um dem entgegenzuwirken, gibt es die FSR-Funktion. FidelityFX Super Resolution ist AMDs Alternative zu Nvidias DLSS. Eine Upscaling-Technologie, mit der die Auflösung eines Spiels hochgerechnet wird. Die Option gibt es in mehreren Abstufungen aus dem Schnellwahlmenü. Damit FSR funktioniert, muss im Spiel die Auflösung manuell heruntergestellt werden. Dank der Technologie ist so meist kaum ein Qualitätsunterschied feststellbar und ich erhalte beispielsweise in «Teardown» 20 Prozent mehr Bilder pro Sekunde.

Wem das immer noch nicht genug ist, der kann selbst die Prozessorleistung durch Verändern des Thermal-Design-Power-Wertes (TDP) beeinflussen oder den Grafikkarten-Takt bestimmen. Hier scheint das PC-Herz am deutlichsten durch.

Ich kann jedes Spiel auch von meinem PC auf das Steam Deck streamen. Das funktioniert in meinem Heimnetzwerk wunderbar mit kaum spürbarer Eingabeverzögerung. Es gibt sogar eine App, mit der ich von meiner PS5 streamen kann. Ich freue mich schon darauf, «God of War Ragnarök» auszuprobieren.

Ideal zum Reisen, Pendeln oder für junge Eltern

Das Steam Deck hat meine Liebe zum Handheld wiedererweckt. Etwas, das der Switch nie gelungen ist. Das liegt unter anderem daran, dass sie nicht sonderlich ergonomisch ist. Das Steam Deck hingegen löst jedes Mal Glückshormone aus, wenn ich es in die Hand nehme. Es fühlt sich perfekt an. Besonders, weil es mir fast uneingeschränkte Spielmöglichkeiten bietet und ich praktisch meine gesamte Spielesammlung stets dabei habe.

 «Goldeneye 64» spielt sich wunderbar auf dem Steam Deck.
«Goldeneye 64» spielt sich wunderbar auf dem Steam Deck.

In den letzten Sommerferien habe ich das sehr geschätzt. Gemütlich auf der Veranda in der Ferienwohnung ein Bierchen trinken und dazu Fusssoldaten in «Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge» aufs Maul geben. Ich muss mich nicht mit Handy-Games zufrieden geben, sondern kann mit dem Steam Deck unzählige grosse und kleine Spielerlebnisse geniessen.

Das Gleiche gilt beim Pendeln. Am Abend befreie ich am PC neue Sektenanwärter in «Cult of the Lamb», morgens im Zug werden sie auf dem Steam Deck dank Cloud Save indoktriniert. Dazu kann ich Podcasts oder Musik hören, denn das Steam Deck beherrscht auch Multitasking. Etwas, das ich bei der Switch schmerzlich vermisse.

Als perfekter Begleiter hat sich das Steam Deck in Verbindung mit dem Nachwuchs herausgestellt. Bis zum zweiten Geburtstag meines Sohnes ist es regelmässig vorgekommen, dass er beim Einschlafen oder auch mitten in der Nacht jemanden gebraucht hat, der im Zimmer ist. Das konnte 30 Minuten, eine Stunde oder manchmal sogar länger dauern. Das Steam Deck war dabei der ideale Zeitvertreib.

Für kurze Game-Sessions ist das Steam Deck perfekt. 15 Minuten hier, eine halbe Stunde dort. Das funktioniert nicht bei jedem Game, aber es gibt genügend Spiele, die in kurzen Intervallen konsumiert werden können

Das Steam Deck ist ideal für kurze Spiele-Sessions zwischendurch.
Das Steam Deck ist ideal für kurze Spiele-Sessions zwischendurch.

Fazit: Tausendsassa nicht nur für PC-Spieler

Das Steam Deck vereint die Flexibilität des PCs mit dem Komfort einer Konsole. Ich kann das Gerät einschalten und sofort losspielen. Es gibt keinen komplizierten Einrichtungsprozess oder Treiberupdates. Das Interface ist intuitiv und relativ übersichtlich. Trotzdem muss ich nicht auf die Vielseitigkeit eines PCs verzichten. Alle meine Steam-Games, und mit etwas Aufwand auch solche von anderen Plattformen, stehen mir zur Verfügung. In den meisten Fällen kompromisslos. Wenn ein Spiel nicht so flüssig läuft wie auf meinem PC, tröste ich mich mit dem Gedanken, dass es auf der Switch noch schlimmer sein muss – wenn das Spiel dort überhaupt verfügbar ist. Denn keine Konsole hat auch nur annähernd die Spieleauswahl des Steam Decks.

Was das Steam Deck für mich zum Knüller macht, ist, dass es auch ein PC ist. Wenn ich mag, kann ich komplexe Anpassungen an den Einstellungen vornehmen oder mich im Linux-Desktop-Modus austoben. Dieser ist auch Zugang zu einer riesigen Welt von Emulatoren, die das Steam Deck noch vielseitiger machen, als es ohnehin schon ist.

Das Einzige, das ich mir wünsche, ist, dass Spiele aus anderen Launchern einfacher implementiert werden können. Aktuell ist das mit zu vielen Hürden und Problemen verbunden. Das Gleiche gilt für den Game Pass. Ich mag nicht auf Cloud Gaming ausweichen, wenn ich die nötige Hardware-Leistung dafür habe. Wenn dann noch die restlichen Kompatibilitätsprobleme mit Anti-Cheat-Software gelöst werden, ist das Steam Deck nicht mehr zu toppen.

Leider hat sich an der Verfügbarkeit in der Schweiz seit dem Launch nichts geändert. Bis auf Weiteres muss das Gerät über beispielsweise Deutschland importiert werden. Meine Anleitung dazu müsste noch funktionieren.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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