The A500 Mini im Review: Die falsche Freundin
Nach C64 und VC-20 spendiert Retro Games dem legendären Commodore-Computer Amiga 500 ebenfalls einen Mininachbau. Nach anfänglicher Freude sorgt der The A500 Mini aber auch für Wehmut.
Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Simon Fistrich.
Unter allen Heimcomputern der 80er-Jahre genießt der Commodore Amiga einen gottgleichen Ruf. Insbesondere der grafische Sprung vom Quasi-Vorgänger C64 kommend war ein Donnerschlag von nahezu biblischen Ausmaßen. Mir stand Weihnachten 1988 jedenfalls der Mund offen, als ich den von Papa frisch erworbenen Amiga 500 zum ersten Mal mit «Sicherheitskopien» von Spielen wie Defender of the Crown oder Shadow of the Beast füttern durfte. Über den Commodore-Monitor flimmerte eine Grafikpracht, so etwas hatte man schlicht bisher noch nicht erlebt im Spiele-Bereich. «Omma, guck mal, das musst du dir ansehen, DAS können Computer heutzutage!».
Dass der optischen Opulenz oft klar untergeordnete Gameplay konnte in den seltensten Fällen mithalten. Aber das war sowohl Omma als auch mir herzlich egal, so großartig fühlte es sich an, den ganz sicher besten Computer der Welt zu besitzen. Ein bisschen war man in die Technik sogar verliebt – der heute eher unpassende Spitzname Freundin für den Amiga 500 etablierte sich selbst in seriösen Magazinen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als VGA-Grafik Einzug in die PC-Welt hielt und der Gamer-Tross zur nächsten Flamme weiterzog. Kann The A500 Mini dieses damalige Gefühl voller Nostalgie, Neugier und Spannung wiederbeleben?
Denn gut funktionierende Emulatoren bekannter Homecomputer aus den 80er-Jahren sind ein uralter Hut, und so einer werkelt letztlich auch im The A500 Mini. Während der Original-Amiga mit seiner ausgeklügelten Chipset-Architektur Hardware-Geschichte schrieb, lässt sich das Innenleben der Neuauflage mit einer einfach ausgestatteten Raspberry-Pi-Platine vergleichen. Genaue Angaben zur Technik des The A500 Mini und auch ein Exkurs über die damalige Amiga-Hardware liefert unser Schwestermagazin PCGH in ihrer Review.
Der putzige, etwa 20 mal 40 Zentimeter große Nachbau ist ein Blickfänger, von guter Plastik-Qualität und gleicht dem Amiga 500 fast bis auf die letzte Lüftungsritze. Nur ist eben alles viel kleiner und wesentlich weniger funktionsfähig als beim Originalgerät. Die Tastatur ist unbewegliche Staffage, das Laufwerk reine Dekoration. Schön dagegen, dass die beiden LED-Leuchten funktionieren und sich auf Wunsch auch wie beim Original-Amiga verhalten.
Der The A500 Mini wird mit dem mitgelieferten HDMI-Kabel an den Fernseher angeschlossen. Das ebenfalls mitgelieferte USB-Kabel sorgt für die Stromzufuhr – ein eigener Lade-Stecker fehlt allerdings. Bleiben noch drei zusätzliche USB-Anschlüsse. Einer passt für die beiliegende, aber kleinere Variante der grauen Amiga-Maus. Die enthält allerdings keinen analogen Mausball mehr, sondern funktioniert nun wie eine heutige Computermaus.
Für Überraschung sorgt ein weiteres Zubehörteil in der Packung. Retro Games hat sich dazu entschieden, statt des damals üblichen Joysticks ein der Flop-Konsole Amiga CD32 nachempfundenes Gamepad beizulegen. Das mag jüngeren Spielerinnen und Spielern zwar den Einstieg erleichtern und für Besitzer der The-C64-Replikas mit mitgeliefertem Joystick sogar erfreulich sein, wirkt aber aus Sicht alter Amiga-Fans seltsam deplatziert. Auch merkt man einigen Spielen an, dass sie nicht für das Gamepad gemacht wurden. Etwa der separat erhältliche Joystick, der dem The C64 Mini beilag, funktioniert laut Hersteller zum Glück auch mit dem The A500 Mini.
Bleibt ein freier Slot, in dem entweder eine externe Tastatur (die wir, falls benötigt, in virtueller Form auf den Bildschirm holen können, was ziemlich nervt) angeschlossen werden kann. Oder ein USB-Stick. Denn wie schon beim The C64 und The C64 Mini erlaubt Retro Games Nutzern, eigene Spiele auf der Konsole zu starten. Das weit verbreitete ADF-Format für Amiga-Diskettenimages findet zurzeit keine Unterstützung – tatsächlich ist eine etwas aufwändige Installation des Programms WHDLoad auf einem speziell formatierten USB-Stick notwendig, womit der The A500 Mini dann Spiele im LHA-Format abspielen kann. Das ausführliche Online-Handbuch beschreibt das Prozedere immerhin Schritt für Schritt.
Bei unserem Test funktionierte das in einigen Fällen gut, in anderen wiederum war das Spiel nicht zum Laufen zu bekommen. Bei wieder anderen Titeln stimmte das Timing der Spiele nicht richtig. Insgesamt ist das Prozedere etwas fummelig, und es wäre zu wünschen, wenn das ADF-Format in einem künftigen Firmware-Update Berücksichtigung fände.
Apropos Diskettenimages: Zwar finden sich im Internet per simpler Google-Suche sofort Quellen für so ziemlich jedes jemals erschienene Amiga-Spiel. Da bei vielen Games die Rechtelage aber schlicht unklar ist, gibt es keinen allgemeinen Freibrief für den Download. Eindeutig legal ist der nur dann, wenn man auch eine Lizenz oder das Original besitzt oder das Spiel offiziell zum Download freigegeben wurde.
Wem das alles zu kompliziert oder heikel ist, kann trotzdem sofort loslegen. Vorinstalliert sind 25 lizenzierte Spiele: Darunter befinden sich einige echte Klassiker wie Another World, Battle Chess, Cadaver, California Games, Kick Off 2, Pinball Dreams, Simon the Sorcerer oder Speedball 2: Brutal Deluxe. Außerdem gibt es bislang das Bonusspiel Citadel auf der Homepage von Retro Games zum Download, weitere sollen folgen. Bei einigen Spielen fehlt das Intro – ganz zu schweigen von den berühmt gewordenen Demos, spezielle, mitunter sehr aufwändige Intros aus der Coder- und Cracker-Szene, auf die man natürlich verzichten muss.
Fazit eines Amiga-Fans
Alles in allem also eine gelungene Zeitreise in die Homecomputer-Vergangenheit? Tatsächlich bleibt ein zwiespältiger Eindruck, insbesondere, wenn man an den gesalzenen Straßenpreis von aktuell gut 130 Euro denkt. Der kleine Amiga ist ein Blickfänger, ordentlich mit Zubehör ausgestattet, bietet viele Einstellungsmöglichkeiten und lässt sich einfach in Betrieb nehmen. Für weniger als ein Zehntel dieses Preises gibt es aber bereits einen Emulator für Windows-PCs
, mit offiziell lizenziertem Amiga-Betriebssystem, ebenfalls 25 vorinstallierten Spielen und der Möglichkeit, heruntergeladene Games zu starten.
Keine Frage: Für das vorhin beschriebene Gefühl ist ein Amiga-Nachbau natürlich besser als ein schnöder Software-Emulator. Nur sollte es dann im Optimalfall eine Replika sein, die weniger wirkt wie eine Kinderversion, sondern wie das echte Ding anno 1987. Dass Retro Games im Gegensatz zum The 64 eine große Variante mit funktionierenden Tasten noch nicht bestätigt hat, ist indes verständlich. Die Originalgröße würde sehr viel Platz einnehmen, und nur echte Fans würden zugreifen.
Dennoch stünde er sofort auf meiner Wunschliste, bitte mit funktionierender Tastatur und am liebsten auch den Original-Ladegeräuschen von damals, die sich anhörten, als wäre eine Schreinerfabrik im Amiga versteckt. Denn das ist doch der eigentliche Charme und auch Grund solcher im Prinzip ja eigentlich überflüssiger Retro-Konsolen: Sich mal kurz so zu fühlen wie damals als Kind.
Die aus heutiger Sicht zu einem großen Teil qualitativ durchwachsenen und stellenweise gelinde gesagt unerträglich altmodischen Spiele sind es nur in wenigen Fällen. So bleibt das Wiedersehen mit der alten, aber eben irgendwie falschen Freundin in Gestalt des The A500 Mini für alte Amiga-Liebhaber zwar nett, aber irgendwie unbefriedigend - und für den kurzen Nostalgiekick schlicht ein paar Euro zu teuer.
Außerdem sind folgende Spiele im Paket enthalten: Alien Breed 3D, Alien Breed: Special Edition 92, Arcade Pool, ATR: All Terrain Racing, California Games, Citadel (Bonusspiel zum Download), Dragon's Breath, F-16 Combat Pilot, Paradroid 90, Pinball Dreams, Project-X: Special Editon 93, Qwak, Stunt Car Racer, Super Cars 2, The Chaos Engine, The Lost Patrol, The Sentinel, Titus the Fox, Worms: The Director's Cut, Zool. Sämtliche Spiele können in einer Karusselansicht ausgeführt werden.
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