The Batman ist ein Triumph – ein Meisterwerk!
2/3/2022
The Batman ist kein Superhelden-Film. Viel mehr eine epische, drei Stunden lange Mischung aus Film Noir und Psychothriller – und das Beste, was ich seit Monaten im Kino gesehen habe.
Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.
Schritte. Dumpfe, schwere Schritte. Pom. Pom. Pom… Im Schatten lauert etwas. Pirschend. Seine Beute umkreisend. Auf einmal deutet sich eine Silhouette an. Kaum sichtbar, zuerst. Pom. Pom. Pom… Ein breitschultriger Mann mit Cape und spitzen Ohren. Zwei Augen starren leer aus dem Schatten. Pom. Pom. Pom… Sie nähern sich. Pom. Pom. Pom…
«Wer zum Teufel bist du?», fragt die ahnungslose Beute.
«Ich bin Vergeltung», antwortet Batman, ehe er sie reisst.
Darum geht’s in The Batman
Gotham City. Eine Stadt wie eine Krankheit. Milliardärssohn und Waisenkind Bruce Wayne (Robert Pattinson) durchstreift die Strassen und Schatten seit zwei Jahren als Batman, alleine, die Kriminellen der Stadt in Angst und Schrecken versetzend. Nur: Was kann er schon bewirken? Die Stadt zu heilen, ist ein aussichtsloser Kampf. Aber einer muss ihn ja auf sich nehmen.
Auch dann, als ein wichtiger politischer Kandidat in seinem eigenen Heim ermordet wird. Der Täter: Unbekannt. Die einzige Spur, die er hinterlässt, sind Rätsel – Riddles. Aber nur Lieutenant Gordon (Jeffrey Wright) ist im Gegensatz zum Rest der Polizei mutig – oder verrückt – genug, Batman, einen Aussenstehenden, an den Tatort zu lassen. Nicht zum Wohlwollen aller. So führen Batmans eigene Ermittlungen bald schon von einem sadistischen Mord zum nächsten – der Riddler hat es auf die Elite Gothams angesehen. Und nicht nur.
Seine Pläne sind viel grösser und gefährlicher, als es zunächst scheint.
Matt Reeves – den Namen solltest du dir merken
Es war ein cleverer Schachzug, Regisseur Matt Reeves diesen Batman-Film anzuvertrauen. Gerade, weil es nicht der offensichtlichste Zug war. Noch nicht. Dafür bräuchte der US-Amerikaner eine klare Handschrift, die er nach drei Filmen in 14 Jahren kaum haben kann.
Oder doch?
Reeves erste Regiearbeit – «Cloverfield» – kam anno 2008 zwar gut an, gilt aber nicht als Meilenstein des Science Fiction. Es sind seine zwei «Planet of the Apes»-Filme, die ihm 2014 und 2017 viel Anerkennung in Hollywood eingebracht haben. Gerade, weil Reeves mehr gelang, als ihm zugetraut worden war. Reeves spülte dem Studio nicht nur eine knappe Milliarde Dollar an den Kinokassen rein – Reeves hatte auch massgeblich Anteil daran, dass die Trilogie noch heute von Kritikern und Publikum mehr gefeiert wird als die ikonischen Vorgänger mit Charlton Heston in der Hauptrolle.
Kommen sehen hat das kaum jemand. Reeves Verdienst lag darin, es sich nie einfach gemacht zu haben. Das, obwohl er eine starke Marke wie «Planet of the Apes» im Rücken hatte, bei der selbst ein «nur» solider Film zum Kassenschlager gereicht hätte. Reeves aber hatte andere Pläne. Keine stumpfe Action. Keine anspruchslose Geschichte. Lieber Figuren voller Hoffnungen, Träume – und tiefen Abgründen. Für die nimmt er sich in beiden Filmen Zeit. Auch auf Kosten des Mainstream-Spektakels. Das zeichnet seine unerwartet düsteren «Planet of the Apes»-Filme aus. Das zeichnet auch «The Batman» aus.
Das zeichnet Matt Reeves aus.
Handwerklich schlichtweg meisterlich
Dem Fledermaus-Franchise tut die Reeves-Kur unheimlich gut. Tatsächlich fühlt sich Reeves Batman-Film wie ein Epos an, dessen anfangs fest zusammengeknüllte Geschichte nur langsam und sachte auseinandergefaltet wird. Und das Gesamtbild, das nach beinahe drei Stunden endlich sichtbar wird, gefällt. Nein, es begeistert.
Genre-mässig bedient sich Reeves zunächst des Film Noirs. Überraschend, wenn du an Superhelden-Verfilmungen der letzten Jahre denkst. Weniger, wenn du an die Ursprünge Batmans denkst. Seinen ersten Auftritt hatte er anno 1939 als «Batman, the world's greatest detective», in der 27. Ausgabe des «Detective Comics», das erst viel später zu «DC» abgekürzt werden sollte.
Das passt zum Film Noir. Denn viele Elemente sind hier vertreten: Batman, der Anti-Held, befindet sich anfangs in einer zynischen, pessimistischen Welt und spricht aus dem Off, während er einen Mord aufklären will. Rätsel um Rätsel. Hinweis um Hinweis. Die Handlung selbst rückt in den Hintergrund, die Charaktere in der Geschichte nicht.
Etwa Colin Farrells Klubboss «Pinguin» – der Schauspieler ist unter dem ganzen Make-up kaum wiederzuerkennen –, Zoë Kravitz’ gewiefte «Catwoman», Jeffrey Wrights charismatischer James Gordon oder Peter Sarsgaards weinerlicher Gil Colson. Tief tauchen wir zusammen mit Batman in den Sündenpfuhl Gothams hinab. Ähnlich wie einst in David Finchers «Seven» fragen wir uns dabei immer wieder, wann wir endlich ganz unten angekommen sind.
Eine Reise, die lange ohne Action auskommt, und trotzdem, oder gerade deswegen, fasziniert. Vollkommen in diese Atmosphäre einzutauchen, ist auch dank Kameramann Greig Fraser ein Leichtes, der schon für die schiere Bildgewalt in Filmen wie «Dune» oder «Rogue One: A Star Wars Story» verantwortlich war. Keine seiner Einstellungen ist belanglos. Nie regiert der Zufall. Mit Bravour konstruiert Fraser jeden einzelnen Shot bis ins kleinste Detail.
Was «The Batman» aber von allen bisherigen Batman-Filmen am meisten unterscheidet, ist seine Welt. Seine Stadt. Gotham. Nie wirkte die Petrischale aus Verbrechen, Korruption und Gewalt lebendiger und realer. Worldbuilding at its finest. Als ob die Stadt einen eigenen Charakter besässe. Wo sie in bisherigen Filmen mehr als Theaterkulisse eingesetzt wurde, wirkt sie hier vielmehr wie ein lebendiger Mikrokosmos, den es schon vor den Batman gab. Den es auch nach ihm noch geben wird – und der kaum zu retten ist.
Das Ganze untermalt Komponist Michael Giacchino mit einem Filmscore, der selbst Hans Zimmers’ «The Dark Knight» in den Schatten stellt. Zimmers’ Score lässt sich zwar auch ohne Bilder gut hören. Aber spätestens, wenn du Giacchinos Musik mit dem Gesehenen verbindest, entfaltet sie eine zusätzliche Wucht – düster und schwer, als sässest du in einem Horrorfilm, während du auf das Erscheinen des Monsters wartest.
Nur, dass das Monster Batman ist.
Der Elefant im Raum: Wie gut ist Robert Pattinsons Batman – und Paul Danos Riddler?
Schauspieler Robert Pattinson gibt den stoischen Ruhepol, den wir Zuschauer:innen als Anker brauchen. Nichts an seinem Spiel erinnert an den glitzernden Vampiren, den Pattinson vor Jahren in «Twilight» gespielt hatte. Der britische Schauspieler ist gereift. Gewachsen. Spätestens seit seinen Performances in Christopher Nolans «Tenet» oder im Indie-Film «The Lighthouse» müsste sich das rumgesprochen haben.
«The Batman» ist keine Ausnahme. Seine Batman-Interpretation könnte gar die bisher beste sein – eine kühne Ansage, nur Stunden nach der Pressevorführung. Und dennoch: Pattinson verkörpert Batman wie kein Zweiter. Seine Körperhaltung. Seine schweren Schritte. Wie er seine Umgebung analysiert. Seine Beute. Ein Blick da. Ein Kopfneigen dort. Dann pirscht er – und greift an. Zunächst abgebrüht und kalkuliert wie John Wick. Dann sich immer mehr der puren Rage hingebend. Kein Zweifel: Nie habe ich die Angst der «Beute» so sehr am eigenen Leib gespürt wie hier.
«Angst ist ein Werkzeug. Wenn das Signal am Himmel erscheint, ist das nicht nur ein Ruf. Es ist eine Warnung», sagt er zu Beginn des Films. Batman kann nicht überall sein. Aber er könnte überall sein. Gänsehaut.
Auffällig ist, dass Pattinson seinen Charakter immer gleich spielt. Das machte beispielsweise Christian Bale anders. In «Batman Begins» verkörperte er drei Charaktere in einem Film: Den wahren Bruce Wayne, den Philanthropen- und Playboy-Bruce-Wayne – und Batman. Pattinson hingegen unterscheidet nicht: Bruce Wayne braucht sich nicht mehr zu verstellen, weil er sich längst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Den Weltschmerz, die Bitterkeit und gar die Abscheu vor dem Leben im Licht – all das glauben wir Zuschauer ihm allzu gern.
Ihm gegenüber steht der Riddler, unfassbar bedrohlich von Paul Dano gespielt. Vielleicht, weil er nicht nur seine Verbrechen, sondern seine eigene Persona in Rätseln hüllt. Was macht mehr Angst als das Unbekannte? Genau mit diesem Wahnsinn spielt Dano meisterhaft. Ganz offensichtlich ist seine Inspiration das Mysterium rund um den Zodiac-Killer, der zwischen Dezember 1968 und Oktober 1969 die Polizei und Bevölkerung San Franciscos in Angst und Schrecken versetzte; bis heute ist die wahre Identität des angeblich 37-fachen Serienmörders nicht bekannt.
Die Parallelen jagen endlos Schauder über den Rücken. Etwa, wenn der Riddler die bevorstehenden Morde in Form von Rätseln, Symbolen und verschlüsselten Texten ankündigt. Oder wenn er sich mit ihnen brüstet. Riddlers sadistische Methoden ähneln dabei jenen Jigsaws, und auch wenn «The Batman» keineswegs so blutig ist wie «Saw», so frage ich mich, wer zum Henker dem Film «nur» eine FSK-12-Freigabe erteilt hat.
Tatsächlich hat auch Schauspieler Paul Dano selber in Interviews immer wieder davon gesprochen, während den Drehs Mühe gehabt zu haben, aus seiner Rolle zu schlüpfen und abends friedlich einzuschlafen. Denn wenn «The Batman» im Herzen ein Film Noir ist, dann einer mit einer gehörigen Portion Psychothriller, der erst in seinem letzten Drittel mit der grossen, aber niemals überbordenden Action-Keule schwingt.
Fazit: Das ist grosses Kino
Für mich besteht kein Zweifel, dass Regisseur Matt Reeves mit «The Batman» ein Meisterwerk erschaffen hat. Denn Reeves erliegt nicht der Versuchung, sich trotz starkem Franchise mit solidem Durchschnitt zufrieden zu geben. Stattdessen geht er Risiken ein. Nimmt sich Zeit, seine Welt und die Charaktere darin zu etablieren. Gerade anfangs mit wenig Tempo. Mainstream ist das nicht. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass der Mainstream dennoch solch grosse Kinokunst zu würdigen weiss.
Siehe «Dune» und «Joker», zum Beispiel.
Dazu kommt, dass «The Batman» bis in die kleinsten Nebenrollen grossartig besetzt und auch handwerklich über alle Zweifel erhaben ist. Von der beeindruckenden Kameraarbeit des erfahrenen Greg Frasers bis hin zur eindringlich düsteren Musik Michael Giacchinos. Wer den Film abends schaut, wird sie nach dem Abspann im Kopf nachhallen. Auch beim Hinaustreten in die Dunkelheit, abseits vom Kinosaal, jeden Schatten beobachtend.
Pom. Pom. Pom…
«The Batman» läuft ab dem 3. März im Kino. Laufzeit: 175 Minuten.
Luca Fontana
Senior Editor
Luca.Fontana@digitecgalaxus.chAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»