Kritik

«The Flash» and the Multiverse of Madness – aber diesmal wirklich

Luca Fontana
14/6/2023

«The Flash» müsste ein Desaster sein. Gerade bei all den Skandalen und Eskapaden rund um die Produktion. Aber: Der Film ist nicht nur gut. Er ist fantastisch. Vielleicht sogar einer der besten Filme des alten DC-Universums überhaupt.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Vielleicht ist das Bemerkenswerteste an «The Flash», dass der Film überhaupt existiert. Einerseits steckt das Studio im epochalen Wandel. Seit «Guardians of the Galaxy»-Regisseur James Gunn das Ruder bei Marvels Erzrivalen DC übernommen hat, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen – Gunn rebootet das Franchise gerade neu. «The Flash» ist lediglich einer der letzten losen Fäden des alten cinematischen Konstrukts – des DC Extended Universe –, der abgeschnitten werden muss. Und doch gibt es diesen Film.

Andererseits ist da noch der Elefant im Raum: Ezra Miller. Wie eine dunkle Gewitterwolke drohten die wiederholten Verhaftungen und Gerichtsverhandlungen des Hauptdarstellers, die Produktion zu stoppen. Fans befürchteten, der Film könnte wegen Millers Eskapaden gar ganz abgeblasen werden. Aber der Schauspieler zeigt sich inzwischen reuig und befindet sich in psychologischer Behandlung. Vielleicht kommt er ja wieder zur Besinnung.

Trotzdem frage ich mich: Wie soll ein Film gut sein, bei dem rund um seine Entstehung irgendwie alles schlecht war? Keine Ahnung. Aber «The Flash» ist zu meiner Überraschung nicht nur gut geworden. Er könnte der beste Film des sterbenden DCEUs sein.

Darum geht’s in «The Flash»

Barry Allen (Ezra Miller) ist nicht besonders geschickt darin, sein Doppelleben als Forensiker des Central City Police Departments und Superheld Flash unter einen Hut zu bringen. Wenn er nicht gerade zu spät zur Arbeit erscheint, hilft er Batman (Ben Affleck), Kriminelle hinter Gitter zu bringen. Als ob das nicht genug wäre, versucht Barry immer noch, in seiner wenig verbliebenen Freizeit die Unschuld seines Vaters zu beweisen. Denn als Barry noch ein Kind war, wurde seine Mutter (Maribel Verdú) von einem Einbrecher ermordet und sein Vater (Ron Livingston) zu Unrecht dafür verurteilt.

Gerade, als Barry am Tiefpunkt gelangt, entdeckt er, dass er nicht einfach nur schnell rennen, sondern auch die Zeit zurückdrehen kann. Bis zum Zeitpunkt des Mordes an seiner Mutter. Warum also nicht genau das tun und die Dinge richtigstellen? «Die Narben, die wir tragen, machen uns zu dem, was wir sind», warnt ihn Batman. Denn wer weiss, welchen multiversalen Orkan der Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings auslösen kann?

Warner Bros.’ Geschichte des Versagens

Die Zeit: In «The Flash» dreht sich alles um sie. Darum, die Vergangenheit zu ändern. Fehler zu korrigieren. Filmstudio Warner Bros. kann ein Lied davon singen. Als 2013 Zack Snyders «Man of Steel» in die Kinos kommt, soll daraus das schwergewichtige Äquivalent zu Marvels Cinematic Universe entstehen. Fast zehn Jahre später – und 14 Filme –, muss sich das Studio eingestehen, dass seine Filme selten auch nur annähernd so populär und erfolgreich waren wie jene von Marvel.

Was schief ging? Vielleicht war der grösste Fehler des Studios, ungeduldig gewesen zu sein. Nach «Man of Steel» folgte mit «Batman v. Superman» bereits das erste Crossover zwischen zwei ikonischen Superhelden. Und kurz darauf legte man mit «Justice League» gleich die restliche Palette der DC-Superheldinnen und -Helden ab. In einem Film. Zu viel, wenn die Hälfte der Charaktere noch Einführung benötigt, selbst bei einer 2-Stunden-Laufzeit.

Marvel war da cleverer. Erzählte zuerst geduldig die Geschichte der einzelnen Figuren, ehe man sie in grossen Actionschlachten aneinander geraten liess. DC machte es umgekehrt. Präsentierte zuerst das Team, und dann erst die Geschichte hinter jeder Figur. Etwa in den durchaus passablen Filmen «Wonder Woman» und «Aquaman». Es schien, als hätte das Studio seine Lektion gelernt. Dann wiederum nicht. Echte DCEU-Hits gelangen Warner Bros. kaum. Dafür leistete man sich Gurken wie «Suicide Squad» und «Wonder Woman 1984». Zuletzt wirkte «Black Adam» wie die endgültige Bankrotterklärung des Studios.

  • Kritik

    «Black Adam»? Werde ich morgen schon wieder vergessen haben

    von Luca Fontana

Für «The Flash» hatte ich entsprechend wenig Hoffnung. Die überdrehten Trailer schienen meine Befürchtungen zu bestätigen. Nämlich, dass das Studio einfach alles nach uns Fans schmeisst, was in den DC-Archiven noch zu finden ist, um zu sehen, was haften bleibt.

Daneben lag ich nicht; «The Flash» tut im Grossteil seiner 144 Minuten genau das. Überrascht hat mich aber, wieviel haften geblieben ist. Batman vor allem. Nicht einer. Zwei! Michael Keatons Batman!! Du weisst schon: Der aus Tim Burtons beiden «Batman»-Filmen. Der «Die Jahre 1989 und 1992 rufen gerade an und wollen ihren Batman zurück»-Batman. Bekommen werden sie ihn aber nicht. Da, wo er jetzt ist, in «The Flash», gefällt er mir nämlich zu gut.

Ich Nostalgie-Opfer ich.

Fanservice? Ich bin ein Fan, service me!

Oh, ja. Wenn’s um Michael Keaton geht, schwingt «The Flash» die Nostalgie-Keule mit voller Wucht – und trifft ins Schwarze. Denn Keaton ist immer noch schlagfertig. Redet einerseits voller Schalk. Andererseits mit seiner bedrohlich tiefen Batman-Stimme, wenn er in beeindruckenden Martial-Arts-Choreographie die Gegner reihenweise auf die Bretter schickt. Danny Elfmans berühmtes Batman-Theme im Hintergrund gibt mir den Rest. Das Kind in mir jubelt. Meine Wette, dass Keatons Auftritt zum blossen Cameo für den Trailer verkommen würde – ich schloss sie einst mit einem guten Freund ab –, verliere ich deutlich. Diese Runde geht an dich, Dominik.

Tatsächlich wirkt der mittlerweile 71-jährige Schauspieler um keinen Tag gealtert, seit er das 25 Kilo schwere Fledermauskostüm aus Latex zum letzten Mal trug. Im Gegenteil. Moderne Filmmagie sei Dank (nein, kein De-Aging… glaube ich).

Michael Keaton feiert seine triumphale Rückkehr als Dunkler Rächer in «The Flash».
Michael Keaton feiert seine triumphale Rückkehr als Dunkler Rächer in «The Flash».
Quelle: Warner Bros. / DC Studios

Schön, dass ihm auch eine mittelgrosse Rolle im Film geschrieben worden ist. Ezra Millers Flash braucht sie, um eine Charakterentwicklung durchzumachen, auch wenn Affleck – der eigentliche DCEU-Batman – die Rolle genauso gut hätte spielen können. Dass es trotzdem Keaton ist, der sich zwischenzeitlich die Ehre gibt, begründen die Macherinnen und Macher mit Barrys multiversaler Reise. Denn seine Handlungen verändern Vergangenheit und Zukunft im Film so stark, dass selbst neue Personen in altbekannte Kostüme schlüpfen – und nicht nur Batman. Keaton vergleicht das mit einem Teller Spaghetti: Manche Spaghettis verlaufen parallel. Andere kreuzen sich. Wiederum andere verlaufen in ganz andere Bahnen. Dann wühlt er darin rum und erklärt mit Keaton’sche Trockenheit, dass der Sugo das Schlamassel sei, das Barry mit seiner Zeitreise angerichtet hat.

Wer braucht schon Wissenschaft, wenn er einen Teller Spaghetti hat?

Aber machen wir uns nichts vor: Ja, Keaton (und andere) ist Fanservice pur. Das weiss das Studio. Das weiss Keaton. Das weiss sogar Batman im Film, wenn er augenzwinkernd und sich selbst zitierend «You wanna get nuts? Let’s get nuts!» in die Kamera sagt. Stören tut’s mich nicht, auch wenn Fanservice von manchen immer noch als billiger Trick belächelt wird, um unverdiente Sympathiepunkte zu sammeln. Sie werfen den Machern dann vor, sich die Lorbeeren anderer aufzusetzen. Für mich hingegen ist Fanservice eine Treuebelohnung für Comic- und Film-Nerds, die sich über jedes noch so kleine Detail freuen. Ich bin schliesslich ein Fan. Ich will bedient werden. Dafür kaufe ich ein Kinoticket. Zumindest solange, wie der Film nicht vergisst, über den Fanservice hinaus eine gute Geschichte zu erzählen. Natürlich mit Charakteren, an denen mir etwas liegt.

Ein neuer alter und ein alter junger Flash – oder so

Genau darin dürfte die grosse Herausforderung für Drehbuchautorin Christina Hodson gelegen haben, die auch schon das Drehbuch zu «Birds of Prey» und «Bumblebee» schrieb. In den bisherigen DCEU-Filmen war Barry nämlich stets auf die Rolle des Sidekick für flotte Sprüche reduziert. Selbst in Zack Snyders epischen 4-Stunden-Cut von «Justice League». Nun Barry zur Hauptfigur seines eigenen Films zu machen, heisst auch, seinen Charakter umzuschreiben. Seine Energie. Seine Marotten. Ja, Sprüche klopft er noch immer. Aber deutlich weniger. Die übernimmt ein neuer Sidekick: eine jüngere und ziemlich dümmliche Version seiner selbst, die gefährlich nah am Stereotyp der Nervensäge ist.

Noch ein Trick, um den alten Sidekick von früher auch inhaltlich zu «befördern».

Jep, Sidekick-Flash guckt die meiste Zeit so deppert drein wie hier.
Jep, Sidekick-Flash guckt die meiste Zeit so deppert drein wie hier.
Quelle: Warner Bros. / DC Studios

Aber Hodsons Drehbuch beweist ein gutes Gespür für Barry. Vor allem, weil sie Barrys Motivationen einfach und doch emotional hält. Dazu Millers Schauspiel, der das gut verkauft: Ich spüre den Verlust, den Barry durch den Mord an seine Mutter und die ungerechte Einbuchtung seines Vaters erlitten hat. Ich beginne auch zu verstehen, warum er in Ben Afflecks Batman eine Ersatz-Vaterfigur fand. Warum Waisenkind Batman Barry überhaupt unter seine Fittiche nahm. Das schafft den emotionalen Kern, der mich durch die vor allem im letzten Drittel überbordende Action trägt. Sie wäre ansonsten reichlich flach gefallen – wie etwa im oben erwähnten «Black Adam».

Apropos Action: Dass sie nicht zum reinen CGI-Gewitter verkommt, ist auch Regisseur Andy Muschietti zu verdanken. Der balancierte bereits im zweiteiligen «It»-Remake Action und Computereffekte äusserst erfolgreich. Das tut er in «The Flash» wieder. Meistens. Wie gesagt, im letzten Drittel wird’s dann auch mir etwas zu bunt. Das hat dem Gesamteindruck aber wenig geschadet.

Fazit: Ja, doch, gerne wieder

«The Flash» ist kein perfekter Film. Aber einer, der seinen eigenen Dreh findet. Vor allem, weil die wichtigen Charaktere gerade genug Tiefe bekommen, um die überraschend geradlinige, aber nett erzählte Geschichte zu tragen. Der Rest geht entweder im CGI-Gewitter des letzten Drittels unter oder hat nur so wenig Screentime, dass deren Anwesenheit weder nützt noch schadet.

Sasha Calle hat als Supergirl leider einen eher kurzen, dafür prägnanten Auftritt.
Sasha Calle hat als Supergirl leider einen eher kurzen, dafür prägnanten Auftritt.
Quelle: Warner Bros. / DC Studios

Dazu habe ich handwerklich wenig zu meckern. Andy Muschietti führt uns Zuschauende meist souverän durch die Action. Lässt sich immer wieder kreative Kamerawinkel und -fahrten einfallen. Und die Computereffekte sind grösstenteils solide. Keine Selbstverständlichkeit. Nur etwas muss – gleich zu Beginn des Films – direkt aus jener Computereffekte-Hölle gekommen sein, aus der anno 2001 bereits Dwayne Johnsons Scorpion King kam. Was, verrate ich nicht. Aber eine Erklärung, wie sowas passieren konnte, hätte ich schon gerne.

Im grossen Kontext des nunmehr aussterbenden DCEUs verdient sich «The Flash» eine Position auf dem Siegertreppchen. Ich würde ihn direkt hinter Zack Snyders «Justice League» platzieren. Auch wenn ich zugeben muss, dass der billige Nostalgietrick mit Michael Keatons Batman bei mir womöglich doch besser zieht, als ich zugeben will.


«The Flash» läuft ab dem 15. Juni 2023 im Kino. Laufzeit: 144 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Titelfoto: Warner Bros. / DC Studios

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