Michelle Brändle
Hintergrund

«Unsere beliebtesten Games sind über 10 Jahre alt» - Einblick in die Welt von Innogames

Die Browser- und Mobile-Spiele «Innogames» sind teilweise seit Jahrzehnten auf dem Markt – und das mit Erfolg. Wie der Hamburg Spieleentwickler das anstellt, und was sie sonst so planen, verrät uns der «Head of Studio» Nino Protic.

Im Hauptquartier des Spieleentwicklers «Innogames» in Hamburg ist Nino Protic als Head of Studio beschäftigt. Meistens arbeitet er von daheim, für ein Interview macht er aber eine Ausnahme und erzählt im Büro von seinen Anfängen bei der Browser-Spieleschmiede und wie rasch sich alles entwickelt hat.

Hallo Nino, vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst. Magst du dich vielleicht zuerst vorstellen und verraten, was deine Aufgabe bei Innogames ist?
Nino: Ich bin Nino Protic und nahezu seit der Gründung von Innogames dabei. Angefangen habe ich damals als Community Manager in meinem Heimatland Schweden. Wir haben zu jener Zeit hauptsächlich an «Die Stämme» (international: Tribal Wars) gearbeitet. Im Jahr 2009 bin ich nach Deutschland gezogen und wurde Produktmanager des Spiels.

Nino Protic im Büro in Hamburg. Meistens arbeitet er von Zuhause aus.
Nino Protic im Büro in Hamburg. Meistens arbeitet er von Zuhause aus.
Quelle: Michelle Brändle

Jetzt bin ich Leiter des Studios, das sich um unsere Klassiker kümmert. Dazu gehören «Die Stämme», «Grepolis» und «Elvenar». «Forge of Empires» gehört auch in diesen Topf, das ist aktuell unser wichtigster Titel. Damit sind wir von gefühlt vier Leuten auf 350 Mitarbeitende angewachsen.

Wow, das ist beeindruckend. Wofür, denkst du, ist Innogames am ehesten bekannt?

Nino: Ich denke, «Forge of Empires», weil es mit Abstand die grösste Nutzerbasis hat. Nach 11 Jahren auf dem Markt hat es im Sommer 2023 die Marke von einer Milliarde Euro Gesamtumsatz geknackt. Das haben bisher weltweit keine 100 Spiele geschafft.

«Forge of Empires» (...) hat uns über eine Milliarde Gesamtumsatz eingebracht.
Nino Protic

Einige haben als bekanntes Produkt vielleicht auch unser Startprodukt «Die Stämme» im Kopf. Obwohl es bereits 21 Jahre alt ist, war es noch nie so erfolgreich wie jetzt. Wir arbeiten an beiden Games kontinuierlich weiter und fügen ständig eine Menge neuer Items hinzu.

«Forge of Empires» gilt als das bekannteste Spiel von Innogames.
«Forge of Empires» gilt als das bekannteste Spiel von Innogames.
Quelle: Innogames

Wenn ihr ein neues Game entwickelt: Was sind die grundlegenden Prozesse? Was sind die ersten Gedanken, die ihr euch machen müsst?

Nun, es beginnt normalerweise mit einer Spielidee. Die Idee muss mit unserer Strategie, unserer Vision und unseren Werten, die wir als Unternehmen haben, in Einklang stehen. Und dann muss sie natürlich zu unserer Zielgruppe passen. Dazu stellen wir im Vorfeld Recherchen an. Zudem soll es natürlich kreativ sein und Spass machen.

Eine Spielidee muss wohlüberlegt sein und gut ins Konzept passen, das weiss auch Nino.
Eine Spielidee muss wohlüberlegt sein und gut ins Konzept passen, das weiss auch Nino.
Quelle: Michelle Brändle

Sobald der Pitch genehmigt wurde, bilden wir ein kleines Kernteam. Dieses Kernteam besteht im Wesentlichen aus einem oder zwei Entwicklern und Spieldesignern, einem Künstler und einem Produktmanager. Sie setzen sich dann zusammen, um einen Prototyp zu entwickeln, der so schnell wie möglich stehen muss. Diese lassen wir intern testen.

Der Prototyp eines Spiels ist also ein erster, früher Entwurf?

Nino: Ja, ein sehr früher. Er konzentriert sich auf die Kernmechanik und den ersten Tag des Spielens. Nichts darin ist endgültig. Das Tutorial ist sehr kurz – wenn es überhaupt eines gibt. Es geht mehr um den Kern des Spiels. Macht es wirklich Spass? Ist es etwas, mit dem sich die Benutzer beschäftigen würden? Anschliessend versuchen wir, eine Art von Benutzer-Feedback zu bekommen.

Wie bekommt Ihr dieses Feedback normalerweise?

Nino: Wir machen Videocalls mit Leuten, die spielen und uns dann sagen, was sie davon halten. Oder wir stellen es in den App Store. Nur ein paar Dateien und nur auf dem europäischen Markt. Wir achten dann darauf, wie die Leute mit diesem Prototyp interagieren und welche Bewertungen wir erhalten und was wir in den Zahlen sehen. Das sind unsere Key Performance Indicators (KPIs).

Wie lange dauert der Prozess bis hierher?

Nino: Ich spreche jetzt von den ersten drei bis vier Monaten der gesamten Produktion. Bis hierhin geht es schnell.

Dann beginnt die Produktionsphase mit einem Team von 15 bis 20 Leuten. Hier werden die Spielgrundlagen und das Game-Design ausgearbeitet. Zudem alle Funktionsbeschreibungen. Diese Arbeit dauert ein oder zwei, manchmal sogar drei Jahre.

Im Moment habt ihr neun Spiele. Gibt es ein Spiel, an dem die Arbeit am schnellsten fertig war? Oder ein Spiel, bei dem es bedeutend mehr Probleme gab?

Nino: «Forge of Empires» war in meinen Augen die einfachste Produktion. Von der Idee bis zur sogenannten Betaversion waren es nur neun bis elf Monate. Auch daran haben wir nach dem Release weitergearbeitet. Bei neueren Spielen wie «Rise of Cultures» dauerte die Entwicklung länger – zwei oder drei Jahre bis zum Release.

Die Produktion von «Forge Of Empire» bleibt Nino gut in Erinnerung. Kein Wunder begrüsst ein Hauptcharakter daraus dich beim Haupteingang von Innogames.
Die Produktion von «Forge Of Empire» bleibt Nino gut in Erinnerung. Kein Wunder begrüsst ein Hauptcharakter daraus dich beim Haupteingang von Innogames.
Quelle: Michelle Brändle

Ich würde deswegen nicht sagen, dass der Prozess bei «Rise of Cultures» schwieriger war. Jedoch sind Spiele, die heutzutage auf den Markt kommen, deutlich grösser als früher. Als Unternehmen muss man da mitziehen, sonst läuft man Gefahr, dass man das Publikum nicht für sich gewinnt.

Wir haben gesehen, dass die Spiele von Innogames hauptsächlich im Bereich der Aufbaustrategie angesiedelt sind. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Nino: So hat Innogames angefangen. «Die Stämme» war das Baby-Projekt unserer Gründer. Sie haben es schon 4 Jahre, bevor sie Innogames gegründet haben, aus ihren Kinderzimmern heraus gelauncht. Sie waren Fans von Aufbaustrategiespielen.

Diese Leidenschaft der Gründer hat sich auch auf unsere Mitarbeitenden abgefärbt und der Grund, warum wir im Genre Aufbaustrategie so stark sind. Dass die Leute selbst Spass an dem Produkt haben, ist ein wichtiger Indikator für einen späteren Erfolg.

Nino brennt selbst für Aufbau- und Strategiespiele. Bei Innogames hat er Gleichgesinnte gefunden.
Nino brennt selbst für Aufbau- und Strategiespiele. Bei Innogames hat er Gleichgesinnte gefunden.
Quelle: Michelle Brändle

Wir haben uns auch schon aus unserer Komfortzone herausbewegt und Gelegenheitsspiele entwickelt – und tun das immer noch. Aber wir haben definitiv nicht die gleiche Erfahrung darin. Deshalb denke ich, dass wir uns auch in den nächsten Jahren stark auf Aufbau- und Strategiespiele konzentrieren werden und so unsere Community weiter stärken können. Um Games am Leben zu erhalten, muss man sich ausgiebig mit seiner Community auseinandersetzen.

Die Anfänge von Innogames liegen in «Die Stämme». Es ist bereits 20 Jahre alt.
Die Anfänge von Innogames liegen in «Die Stämme». Es ist bereits 20 Jahre alt.
Quelle: Innogames

Ihr arbeitet also viel mit dem Feedback aus Ihrer Gemeinschaft?

Nino: Ja, definitiv. Wir haben eine sehr grosse Community-Management-Abteilung bei Innogames. Ein zentraler Wert in unserem Unternehmen ist, dass wir wirklich auf unsere Community und unsere Spieler hören.

Darum geht es im Kern: dass wir auf das Feedback der Spieler hören, oder auf [ihre] Vorschläge.
Nino Protic

Darum geht es im Kern. Die Community kennt die Spiele besser als irgendjemand sonst. Da geht es nicht um das nächste grosse Feature, sondern vielmehr darum, wie wir das Produkt für sie verbessern können.

Eure Spiele sind grösstenteils kostenlos zu spielen. Wie verdient ihr mit dem ganzen Spielgeschäft Geld?

Nino: Ja, unsere Spiele sind alle free-to-play. Das bedeutet im Grunde, dass wir uns durch In-Game Werbung, In-App-Käufe und optionale Premium-Inhalte finanzieren, die die Spieler kaufen können, um das Spielerlebnis zu verändern. In Aufbauspielen wie «Forge of Empires» oder «Rise of Cultures» kauft man sich zum Beispiel ein Gebäude. Oder kosmetische Verbesserungen.

Darüber hinaus bieten einige unserer Spiele auch die Möglichkeit, ein bestimmtes Feature oder eine bestimmte Sache freizuschalten, die das Spielen erleichtert. So haben wir zum Beispiel in «Die Stämme» einen Premium-Account, der das Spiel ein bisschen einfacher macht. Etwa eine bessere Übersicht seiner eigenen Städte.

«Die Stämme» kannst du gratis spielen.
«Die Stämme» kannst du gratis spielen.
Quelle: Innogames
Der kostenpflichtige Premium-Account bei «Die Stämme» bietet allerdings eine bessere Übersicht.
Der kostenpflichtige Premium-Account bei «Die Stämme» bietet allerdings eine bessere Übersicht.
Quelle: Innogames

Dazu braucht es Spieler, die bereit sind, Geld auszugeben. Wir versuchen aber, eine gute Balance zu finden – zwischen den zahlenden Spielern und jenen, die das Spiel umsonst spielen. Ich möchte nicht, dass eines unserer Spiele in Richtung Pay-to-Win geht. Die Harmonie zwischen den Spielertypen ist wichtig.

Die Spieler, die umsonst spielen, sind aber jene, die unsere Spielwelten beleben.
Nino Protic

Die zahlenden Spieler sind zwar diejenigen, die uns dabei helfen, die Gehälter zu bezahlen, sodass wir weiterhin Inhalte produzieren können. Die Spieler, die umsonst spielen, sind aber jene, die unsere Spielwelten beleben, die letztendlich unsere Community ausmachen. So sind beide Spielertypen unglaublich wichtig. Ohne den jeweils anderen würde es nicht funktionieren.

Mobile- und Browser-Games mit In-App-Käufen haben den Ruf, dass absichtlich Suchttrigger eingebaut werden. Wie geht ihr bei Innogames mit solchen Vorwürfen um, was sagt ihr dazu?

Nino: Das Problem ist, dass die Leute die Produkte von Innogames nicht sehr gut kennen. Wenn wir uns den gesamten Spielemarkt ansehen, haben wir eine geschätzte Anzahl von 3,7 Milliarden Spielern. Davon sind etwa 90 Prozent (auch) mobile Gamer.

Wenn man also sagt, dass bei kostenlosen Spielen Suchttrigger der einzige Weg sind, die Spieler am Ball zu halten, dann ist das so, als würde man Millionen von Spielern unterstellen, dass sie naiv sind und ständig von der Spieleindustrie manipuliert werden. Das ist meiner Meinung nach falsch.

Im Gegenteil: Vor allem bei Free-to-play-Spielen müssen wir mit einem guten Gameplay aufwarten. Und natürlich wollen wir, dass der Spieler das Spiel für so gut hält, dass er Geld ausgeben will. Aber nirgendwo in unseren Spielen zwingen wir jemanden dazu. Das ist der Unterschied zu den meisten Vollpreistiteln.

Innogames arbeitet stets an gutem Gameplay. Nur so bestehen Spiele wie «Elvenar» jahrelang fort.
Innogames arbeitet stets an gutem Gameplay. Nur so bestehen Spiele wie «Elvenar» jahrelang fort.
Quelle: Michelle Brändle

Wenn man mit einem Konsolen- oder PC-Spiel, das man auf eine Empfehlung hin für 70 Euro gekauft hat, und dann doch nicht zufrieden ist, kann man es vielleicht für die Hälfte des Preises auf eBay verkaufen. Bei Download-Käufen schaut man sogar komplett in die Röhre. Ich meine, beide Arten von Games – Vollpreistitel und Free-to-play-Spiele – haben ihre Vorteile. Bei einem Free-to-play-Spiel weiss ich aber vorher schon, was ich bekomme. Wenn es mir gefällt, gebe ich gegebenenfalls auch Geld aus. Gefällt es mir nicht, kann ich einfach aufhören, zu spielen.

Apropos PC- oder Konsolenspiele. Habt ihr jemals daran gedacht, eines zu entwickeln?

Nino: Nein. Ich glaube, am nächsten dran waren wir mit «Bounty Hunters Online». Das war ein Titel, den wir aus Asien lizenziert haben. Aber wir haben das ziemlich schnell aufgegeben, weil wir gemerkt haben, dass wir darin nicht wirklich gut sind. Allerdings ist etwa «Die Stämme» auch auf Steam erhältlich. Wir probieren solche Sachen aus. Unser Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Browser- und Handyspielen.

Browser- und Mobilegames bleiben wohl vorläufig das Kerngeschäft von Innogames.
Browser- und Mobilegames bleiben wohl vorläufig das Kerngeschäft von Innogames.
Quelle: Michelle Brändle

Woran arbeitet Innogames aktuell?

Nino: Der Fokus meines Studios liegt auf den Spielen, die wir bereits haben. Gleichzeitig sind aber auch immer neue Spiele in Produktion, denn wir wollen unseren Spielern auch etwas Neues bieten. Wir müssen in der Lage sein, mit dem Markt Schritt zu halten. Deshalb fliesst die meiste Arbeit in Spiele, die noch in der Pipeline sind. Unser Fokus wird dabei weiterhin auf Aufbaustrategie liegen, bei denen es Zeit und eine gewisse Taktik benötigt, um weiterzukommen.

Es bleibt also spannend. Vielen Dank für deine Zeit und das aufschlussreiche Gespräch!

Titelbild: Michelle Brändle

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Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.

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