USB-auf-RJ45-Netzwerkkabel im Test: Goobays versprochene «Revolution», die keine ist
Vollmundig verspricht mir Goobay im Werbeprospekt eine Revolution der Netzwerktechnik: Kabel mit USB und RJ45. Ich teste das angebliche Wunderprodukt in allen möglichen Längen. Leider erweist es sich weder als revolutionär, noch als evolutionär sinnvoll oder auf dem Stand der Zeit.
Goobay hat Netzwerkkabel auf den Markt gebracht, die am einen Ende über USB-A oder -C und am anderen über RJ45 verfügen – und verkauft das als Revolution. Das alleine klingt für mich genügend absurd, um es zu testen. Bei näherer Betrachtung des Werbeprospekts werde ich bereits auf Seite 1 skeptisch. Was da steht, klingt verdächtig nach Marketing-Geschwurbel:
Wie kann LAN via USB in Anbetracht existierender USB-Netzwerkadapter eine Neuheit sein? Gar nicht. Goobay kombiniert lediglich ein normales Netzwerkkabel (Cat 6 – seit 2006 existent), einen Chip, der bereits 2012 auf den Markt kam, und zwei Stecker – USB und RJ45. Auch beim Wort «Performance» runzle ich die Stirn. Es hat zwar an sich eine relative Bedeutung, suggeriert aber eine hohe Leistung.
«Revolution der Netzwerktechnik» – mit nur einem Gigabit Datendurchsatz?
Auf Seite 3 und 4 des Prospekts erfahre ich schliesslich, was das Kabel für einen Datendurchsatz bietet: ein Gigabit! Nicht zweieinhalb, fünf oder zehn Gigabit bringt das bisher (und vielleicht auch künftig) noch nicht von Europäern genutzte Wunderkabel. Die Revolution bringt den Datendurchsatz, der vor 25 Jahren als der letzte Schrei galt.
Weiter im Text – nach dem Titel geht's im Prospekt irritierend weiter:
Wirklich, aller Internetnutzer? Und was, wenn jemand dieser Aller eine Netzwerkinfrastruktur mit zweieinhalb, fünf oder zehn Gigabit Datendurchsatz nutzen möchte?
Neuheit mit integriertem «Smart-Chip» von 2012
Danach steht was davon, dass in Büros das WLAN oft an seine Grenzen stösst und dies mit Instabilität, einer limitierten Geschwindigkeit oder Sicherheitsrisiken einhergeht. Und dass der Smart-Chip im USB-Stecker des neuen Kabels die Lösung sei. Es soll nach dem Plug-and-play-Prinzip funktionieren.
Gegen schlechtes WLAN soll also ein Kabel die Lösung sein? Ganz Unrecht hat Goobay damit nicht, doch gibt es da auch andere Möglichkeiten, das zu beheben:
Weiter steht:
Moment. Ist nun das Verbauen des Chips im Kabel eine raffinierte Sache oder der Chip an sich?
Um das herauszufinden, genügt es, das Kabel einzustöpseln und einen Blick in den Windows Geräte-Manager zu werfen. Das Kabel wird unter Windows automatisch erkannt und soll auch mit Linux, macOS und weiteren Betriebssystemen funktionieren.
Goobay hat den Ethernet Controller ASIX AX88179 im Kabel verbaut. Ein kleiner Chip, der seit Januar 2012 in Netzwerkgeräten verbaut wird. Laut ASIX ist es sogar der erste Chip, der Gigabit-Ethernet in Verbindung mit USB 3.0 konnte. Also greift Goobay zum ältesten möglichen Chip. Immerhin funktioniert er, wie meine Tests weiter unten zeigen.
Goobays Behauptung, dass USB-Netzwerkadapter umständlich sein sollen, kann ich kein bisschen bestätigen. Die sind klein, praktisch und bieten je nach Modell auch viel mehr Datendurchsatz.
Weitere unfassbar innovative Innovationen
Auf Prospekt-Seite 2 springt mir ein Quartett an Bildern ins Auge:
Das Kabel sieht echt schön aus. Es hat eine Textilummantelung und wie alle anderen Kabel einen Knickschutz. Dass es mit dem geringen Datendurchsatz für die Ewigkeit gemacht ist, glauben aber wohl nicht mal diejenigen, die diesen Spruch zu verantworten haben.
Cool, das Teil kann auch an ein Modem oder einen Router gehängt werden. Genau wie ein, naja, Netzwerkkabel.
Ich nutze für eine stabile Verbindung ebenso am liebsten LAN – nur etwas schnelleres. Für die allermeisten Nutzer dürfte ein Gigabit heute auch genügen. Damit bekommst du das rund 37-fache von dem, was ein Netflix-UHD-Stream maximal benötigt (25 Megabit pro Sekunde). Falls du über Netzwerkspeicher (NAS) verfügst, dürftest du trotzdem eine schnellere Verbindung wollen.
Endlich sehe ich zumindest angedeutet, welche Geschwindigkeit mich erwartet. Ob die LAN-Anbindung sicher ist, hängt übrigens von der Netzwerkkonfiguration ab. Und was Goobay als blitzschnell bezeichnet, ist nur ein Bruchteil von dem, was heute bereits möglich wäre.
Der Test: stabile Verbindung und bis zu 941 Megabit pro Sekunde
Ich teste insgesamt sechs Kabel: jeweils ein USB-A- und ein USB-C-auf-RJ45-Netzwerkkabel der Grössen 1 Meter, 7,5 Meter und 15 Meter. Somit decke ich die kleinste, mittlere und grösste Länge ab. Total gibt es acht Längen im Angebot zum empfohlenen Verkaufspreis von 24,99 bis 59,99 Euro.
Ich hänge das jeweilige Kabel an einen aktuellen Laptop und einen Netzwerkswitch. Dort ist auch mein Synology NAS angeschlossen. Allerdings nutze ich bei diesem nicht einen der integrierten Netzwerkanschlüsse, sondern einen USB-Netzwerkadapter mit 2,5 Gigabit Datendurchsatz.
Das Ergebnis meiner Tests ist mit jedem Kabel identisch. Sie erreichen einen Datendurchsatz von bis zu 941 Megabit in der Sekunde. Soviel passt auch bei Gigabit-LAN-Kabeln mit zwei RJ45-Anschlüssen durch. Das volle Gigabit wird nicht erreicht, weil auch noch Overhead-Daten dazukommen, welche die Kommunikation zwischen den Geräten regeln.
Ich habe drei Tage mit dem 15-Meter-Kabel gearbeitet. Abbrüche gab es keine. Die Technik ist zwar nicht auf dem Stand der Zeit, doch tut sie genau das, was laut Hersteller des verwendeten Controller Chips möglich ist.
Fazit
Entspricht nicht der versprochenen Revolution
Von mir bekommt das Produkt drei Sterne – und das Marketing einen. Die neuen Kabel von Goobay sind bei genauem Hinsehen leider ziemlich rückständig. Dass das Produkt schön aussieht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass du nur Gigabit-Ethernet bekommst – das alles andere als State of the Art ist. Immerhin funktioniert der darin integrierte Ethernet Controller von 2012 tadellos. Du bekommst einen Datendurchsatz von bis zu 941 Megabit pro Sekunde, egal mit welcher Länge und ob über USB-A oder USB-C.
Ich rate dir trotzdem, anstelle eines Goobay-Kabels einen USB-Netzwerkadapter mit höherer Geschwindigkeit zu kaufen. Damit bist du für die Zukunft abgesichert. Falls du trotzdem eines der getesteten Kabel möchtest, findest du alle bisher in unserem Shop erhältlichen Versionen hier.
Pro
- Stabile LAN-Verbindung mit bis zu 941 Megabit pro Sekunde
Contra
- Nur Gigabit-LAN (Cat 6 Kabel, Ethernet Controller Chip von 2012)
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.