Ratgeber
Ferien mit Kindern: Pack die Badehose ein – und ganz viel Nerven
von Katja Fischer
Seit wir Kinder haben, sind wir furchtbar einfallslos geworden, was Ferien angeht. Viermal waren wir im Sommer am selben Ort. Klingt langweilig. Ist es auch. Aber gerade deshalb wunderbar.
Der erste Kaffee am massiven Holztisch neben der Türkiswand. Der erste Morgenrun am Meer bis zum Strandturm Nummer zwölf. Die erste Velofahrt entlang der Strandpromenade, vorbei an in Flip-Flops schlurfenden Menschen mit bunten Liegestühlen unter den Armen. Auf all das habe ich mich in meinen Sommerferien in Italien gefreut.
Zum vierten Mal.
So oft reiste ich schon mit meinen Mann und unseren zwei Kindern ans gleiche Ferienziel. Klingt furchtbar uncool. Insbesondere in Konversationen mit anderen: «Wart ihr da nicht schon mal?» – «Ja genau, viermal». Während ich mich das selbst sagen höre, gähne ich innerlich. Wie langweilig wir geworden sind.
Früher waren wir noch reiselustig. Mit dem Rucksack durchquerten wir Südamerika. Auf dem Surfboard ritten wir über die Wellen vor den philippinischen Inseln. Per Auto tuckerten wir die US-Westküste hinab. Wir suchten neue Orte, Abenteuer und Begegnungen.
Und heute? Alles zu strapaziös. Seit wir Kinder haben, sind wir ferienmässig zu Spiessern mutiert. Machten wir uns in den ersten Jahren mit Nachwuchs noch die Mühe, jedes Jahr einen neuen, möglichst kindertauglichen Reiseplan auszuhecken, sind wir inzwischen organisationsfaul geworden.
Oder wie es meine im Reisebüro angestellte Freundin im charmanteren Fachjargon nennen würde: Wir entwickeln uns allmählich zu «Repeatern» – zu Menschen, die Jahr für Jahr an den gleichen Ort verreisen. Diese (oft ältere) Spezies bucht seit 20 Jahren immer Zimmer 267 im gleichen Hotel auf Mallorca. Nächtigt seit 30 Jahren in ein- und demselben Ferienhaus in Südfrankreich. Oder stellt ihren Camper seit 40 Jahren immer auf dem exakt gleichen Stellplatz an der Adria ab.
Viermal sind noch keine 40 Mal. Immerhin. Doch Fakt ist: Was mir vor zehn Jahren alle Nackenhaare zu Berge stehen liess, kann ich inzwischen nachvollziehen.
Auch wir setzen uns in ein gemachtes Nest. Mobilheim direkt am Meer. Klein, supereinfach, aber mit dem Luxus einer Klimaanlage und eigener Dusche. Und mit viel Unterhaltung für unsere Kinder in Form von anderen Kindern. Praktisch, gut, langweilig. Aber Langeweile hat eben auch entscheidende Vorteile:
Du weisst, was dich erwartet. Wo du etwas findest. Wie alles läuft. Du musst nichts mehr herausfinden. Die Erholung startet in dem Moment, in dem du deinen Fuss ins Feriendomizil setzt. Gerade im oft stressigen Familienalltag, der kurz vor dem Schulferienstart seinen kräftezehrenden Höhepunkt erreicht, ist das Gold wert. Ihr kommt sofort an, auch emotional.
«Wie soll ich mich auf etwas freuen, das ich noch gar nicht kenne?», sagte meine Tochter vor ihrem ersten Schultag vor einem Jahr. Sie hat absolut recht: Richtig freuen kannst du dich nur auf etwas, das du schon kennst. Klar, bist du neugierig auf einen neuen Ferienort. Aber ihn dir ausmalen und dich von Herzen auf ihn freuen kannst du dich nur, wenn du schon mal dort warst.
Nirgendwo sonst kannst du genau das tun, was du schon lange wieder mal solltest: nichts. Es ist wie mit dem Wetter. Scheint die Sonne, steigt der Druck, etwas draussen unternehmen zu müssen. Nur bei Regen chillst du guten Gewissens auf dem Sofa. Kennst du deinen Ferienort und die Umgebung schon, musst du nicht herumrennen, um alles zu entdecken. Du weisst genau, welche Ausflüge sich lohnen und welche nicht. Ansonsten: ausschlafen, am Strand dösen, Buch lesen, herumliegen, einfach sein – wo und wann denn sonst, wenn nicht in den Sommerferien? Und ja, das geht auch mit Kindern irgendwann wieder. Wenn sie etwas älter sind. Und sich wohlfühlen in ihrer Umgebung.
Rein gar nichts tun wir dann doch nicht. Wir brunchen jeden Morgen ausgiebig auf der Veranda. Sammeln stundenlang Muscheln im Sand. Lassen unseren neonfarbenenen Drachen im Wind steigen. Bauen meterhohe Burgen und metertiefe Glacestände im Sand. Essen uns durch die XL-Glacekarte des echten Glaceverkäufers, der jeden Nachmittag auf seinem vierrädrigen Vehikel den Strand entlang tuckert. Gleiten auf dem Stand-up-Paddle mit Gummi-Einhorn auf dem Bug übers Meer. Spielen Uno bis zum Familienstreit, um uns dann beim Ausdruckstanz in der Kinderdisco wieder zu versöhnen. Oder wir fahren abends bei Sonnenuntergang auf unseren Velos ins Städtchen. Been there, done that? Nein! Rituale schaffen Erinnerungen. Und jedes Jahr kommen neue Rituale hinzu.
Es gibt Menschen, für die die Ferien schon bei der Planung beginnen. Die nichts lieber tun, als Flüge zu vergleichen, sich durch Hotel-Reviews zu wälzen, die schönsten Routen zu planen und Ausflüge zu organisieren. Ich gehöre nicht dazu. Meine Freude an der Reiseplanung verfliegt dann, wenn ich das erste Mal feststelle, dass es noch eine bessere Alternative gäbe. Oder dass mein Wunschhotel schon ausgebucht ist. Also spätestens nach einer halben Stunde. Ausserdem habe ich absolut keine Lust, mich schon im Frühherbst um die Sommerferien des Folgejahres kümmern zu müssen, um während der Schulferien-Hochsaison noch etwas schönes und bezahlbares zu finden. Als Ferien-Wiederholungstäterin schone ich da mein Nervenkostüm.
Das schlagkräftigste Argument für Repeater-Ferien ist gleichzeitig dasjenige, das du am wenigsten gern an die grosse Glocke hängst: die Kinder. Wer gibt schon gern zu, alles nach dem Nachwuchs zu richten. Die Kinder wollen unbedingt wieder an den gleichen Ort mit Kinderdisco, Animationsprogramm und Nutella-Waffeln? Können sie sich ans Bein streichen, wir Eltern haben schliesslich auch noch ein Leben. Aber Hand aufs Herz: Sind die Kids happy, bist du es auch. Weil du nur dann auch zu deiner Auszeit kommst. Im Grunde genommen kehrst du also nicht der Kinder wegen zurück ans gleiche Feriendomizil, sondern vor allem wegen dir. Win-win.
Falls du jetzt davon ausgehst, unsere nächsten, übernächsten und überübernächsten Sommerferien seien bereits in Stein gemeisselt, irrst du dich. Mein Mann hat nämlich angedeutet, kommendes Jahr «doch wieder mal etwas Neues ausprobieren zu wollen». Die Kinder und ich schauten ihn entgeistert an und protestierten, bissen aber auf Granit. Wir sind dann also mal mit der Planung für unsere Sommerferien 2024 beschäftigt.
Insgeheim hoffe ich aber noch, dass er diesen Text liest und sich auf die Vorzüge unseres Stammplatzes zurückbesinnt. Zur Sicherheit reserviere ich ihn schon mal für nächstes Jahr. Stornieren könnten wir ja immer noch…
Machst du gerne Ferien am selben Ort?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.