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«Way of the Hunter» im Test: Diese Jagdsimulation braucht viel Geduld

Stundenlang herumzuschleichen oder regungslos dazuliegen, klingt vielleicht nicht sonderlich spannend. «Way of the Hunter» schafft es aber, selbst mich als Simulationsmuffel zu begeistern. Wenn das ganze nur nicht so viel Geduld bräuchte.

Da lieg ich nun. Im hüfthohen Gras auf einem kleinen Hügel mitten im Wald. Unbeweglich. Seit fast einer Stunde. Und dieser dumme Weissfudi-Hirsch, oder wie er schon wieder heisst, taucht einfach nicht auf. Als ob er wüsste, dass ich mit meinem letzten bisschen Motivation kämpfe. Dabei habe ich doch alles richtig gemacht. Tränke am Flussufer ausgespäht. Passende Tageszeit abgewartet. Mich gegen die Windrichtung positioniert, damit die Tiere mich nicht riechen. In sicherer Entfernung für einen sauberen Schuss. Ich glaube, ich hätte bessere Chancen, trotz miserabler Ergebnisse im obligatorischen 300-Meter-Schiessen in der echten Natur ein Wildtier zu erlegen. Die Jagdsimulation «Way of the Hunter» braucht Geduld, viiiiel Geduld.

Von den Hochsitzen aus lässt sich gut die Gegend auskundschaften.
Von den Hochsitzen aus lässt sich gut die Gegend auskundschaften.

Ein Spiel zum Entschleunigen

«Way of the Hunter» besteht aus zwei Gebieten zu je über 140 Quadratkilometern. Alleine oder mit bis zu sieben Freunden kann ich an der nordwestlichen Pazifikküste, respektive in Transsylvanien, auf die Jagd gehen. Die Kampagne führt mich dabei mit verschiedenen Quests langsam an das Jägerleben heran. Anfangs schiesse ich mit Müh und Not ein paar Dachse und Fasane, später kommen Hirsche, Elche und sogar Bären dazu.

Das Spiel nimmt mich zwar an die Hand, aber bereits der zweite Auftrag ist kein Spaziergang mehr. Also irgendwie schon, denn das Auto muss ich stehen lassen, wenn ich nicht den ganzen Wald aufscheuchen will. So geht es zu Fuss weiter zum auf der Karte markierten Bereich. Rennen kann ich übrigens vergessen. Offenbar trampelt mein Avatar so laut durch den Wald, dass selbst Tiere am anderen Ende der Karte Reissaus nehmen. Das gemächliche Tempo hat aber auch Vorteile. So kann ich die unheimlich detaillierte Welt bestaunen, die das slowakische Studio Nine Rocks Games entworfen hat.

Dank dynamischem Tag-Nacht-Wechsel und verschiedenen Wettereffekten bietet sich zu jeder Tageszeit ein atemberaubendes Panorama. Auch die Tiere, bekomme ich denn mal eines zu Gesicht, bewegen sich realistisch und spitzen die Ohren, wenn ich mal wieder zu ungeduldig beim Anschleichen bin. Die PC-Version, die ich getestet habe, hat auf der höchsten Detailstufe und 4K-Auflösung meinen PC ziemlich ins Schnaufen gebracht. Da es in «Way of the Hunter» aber nicht um schnelle Reflexe geht, spielt es sich auch mit 40 fps wunderbar.

Optisch ist das Spiel ein Augenschmaus.
Optisch ist das Spiel ein Augenschmaus.

Auf dem Weg zum Jagdgebiet finde ich dank meinem Jägersinn erste Spuren. Der Jägersinn lässt sich auf Knopfdruck aktivieren. Damit werden Fussspuren, Kothäufchen, Blutflecken sowie Weide-, Schlaf- und Trinkplätze farblich hervorgehoben. Wer es realistischer mag und noch mehr Entschleunigung sucht, kann die Funktion teilweise oder komplett deaktivieren. So masochistisch bin ich dann doch nicht veranlagt. Mich stört aber, dass der Jägersinn das gesamte Bild dunkler einfärbt. Wenn du wie ich den Sinn praktisch immer aktiviert hast, liegt so konstant ein Schleier über dem Spiel. Das schleckt doch keine Geiss weg.

Das Spiel teilt mir jedenfalls mit, dass die Spuren vom Maultierhirsch stammen. Den suche ich. Was mir das Spiel nicht sagt, ist, in welche Richtung sie zeigen. Zum Glück erkenne sogar ich bei Hirschhufen, was vorne und was hinten ist. Im Gegensatz zu Dachsspuren: Das könnte auch ein in Dreck geritzter Kandinsky sein. Beim aktuellen Jagdauftrag ist die Spurensuche aber ohnehin nicht nötig, weil der Zielort wie erwähnt auf der Karte markiert ist. Später muss ich die Lebensräume meiner Beute selber finden.

Die Farbe des Blutes verrät, wo das Tier getroffen wurde.
Die Farbe des Blutes verrät, wo das Tier getroffen wurde.

Erst lesen, dann schiessen

Den Jägersinn lasse ich dennoch aktiv, denn damit werden auch Tiergeräusche markiert. Ohne diese Hilfe wär ich heillos verloren. Von blossem Auge sind die nämlich kaum auszumachen. Im markierten Bereich pirsche ich mich langsam durch das Dickicht, bis mir mein Jägersinn zeigt, dass sich in 250 Meter Entfernung eine Herde von Hirschen befindet. Mein Supersensor verrät mir auch gleich das Geschlecht des Tieres und sein Befinden. Das wechselt dann prompt von ruhig auf aufgeschreckt. Come on. Ich war doch so leise. Völlig jägerunkomform jage ich den davonspringenden Tieren frustriert zwei Kugeln nach. Aber selbst, wenn ich etwas getroffen hätte, hätte das nicht viel gebracht.

«Way of the Hunter» legt viel Wert auf Realismus. Um für ein erlegtes Tier einen guten Verkaufspreis zu erzielen oder es gar in meiner Lodge auszustopfen und aufzustellen, muss ich es sauber treffen. Meistens reicht ein Schuss ins Herz oder die Lunge. Ein Kopfschuss gilt als unethisch. Ein rennendes Tier sauber zu treffen, ist praktisch unmöglich. Neben der Treffergenauigkeit zählt auch die Aufprallgeschwindigkeit. Die ergibt sich aus der Art des Gewehrs und der Distanz. All diese Infos finde ich in der Enzyklopädie zusammen mit Ruhe-, Ess- und Trinkzyklen. Stürme ich blindlings in den Wald, kann ich höchstens ein paar Tannenzapfen bestaunen.

Es lohnt sich, vor der Jagd die Enzyklopädie aufzurufen.
Es lohnt sich, vor der Jagd die Enzyklopädie aufzurufen.

Weil sich meine Beute aus dem Staub gemacht hat, teleportiere ich mich kurzerhand zurück in die Lodge. Das resetet meist die Position der Tiere und ich kann das Spielchen von vorne beginnen. Ich brauche insgesamt fünf Anläufe und die letzten 250 Meter schleiche ich kriechend an mein Ziel heran. Ich nehme Luft, respektive drücke dafür die Shift-Taste, ziele aufs Herz und drücke ab. Die Herde rennt davon, mein Hirsch leider auch. Allerdings hinkt er. Getroffen habe ich ihn also, allerdings nicht sauber, sonst wäre er an Ort und Stelle umgekippt. Zum Glück befindet er sich auf einem offenen Feld, sodass ich nicht lange den Blutspuren folgen muss. Endlich. Mein erster richtiger Abschuss. Beim Beanspruchen der Beute sehe ich in hübscher 3D-Röntgen-Animation, wo meine Kugel das Tier getroffen hat

Nachdem ein Tier erlegt wurde, sehe ich, wo es getroffen wurde und wie schnell die Kugel eingeschlagen hat.
Nachdem ein Tier erlegt wurde, sehe ich, wo es getroffen wurde und wie schnell die Kugel eingeschlagen hat.

Das erlegte Tier könnte ich nun in der Lodge präparieren und aufstellen. Ich weiss zwar, dass Jäger auch ihren Teil zum Naturschutz beisteuern, doch das Zurschaustellen von Tieren ist mir selbst virtuell irgendwie zuwider. Die Dekoration des Eigenheims ist zum Glück optional.

Eine Portion Rollenspiel für Gamer wie mich

Nach abgeschlossener Quest kann ich neue Aufträge annehmen. Jemand hätte gerne Gänseleber. Weil Stopfleber Tierquälerei ist, möchte die Person, dass ich ein paar Wildgänse jage. Mit solchen Aufträgen oder sonstigen Abschüssen verdiene ich Geld, womit ich neue Waffen, Zielfernrohre oder Lockpfeifen kaufen kann. Zusätzliche Rollenspielelemente gibt es durch «Vorteile». Die schalte ich frei, indem ich verschiedene Tätigkeiten genügend oft ausführe. Bin ich beispielsweise drei Kilometer weit gekrochen, gibt es einen Bonus, dank dem ich mich künftig 15 Prozent leiser bewege. Wenn ich zehnmal ein Herz oder eine Arterie mit einem Gewehr mit Kammerverschluss treffe, kann ich meinen Atem 25 Prozent länger anhalten. Solche Dinge sind perfekt für jemanden wie mich, der in Simulationen immer etwas Antrieb braucht. Denn so richtig harmonieren «Way of the Hunter» und ich noch nicht.

Dabei ist das Spiel nicht mein erster Abstecher in die Welt der Jagdsimulationen. «The Hunter: Call of the Wild» habe ich vor fünf Jahren mit einem echten Jäger ausprobiert. Die Lektionen von damals sind offenbar längst verblasst. Ich bin einfach zu ungeduldig. Selbst wenn ich das Spiel auf einfach stelle, nehmen die Tiere ständig Reissaus. Egal, wie sehr ich mich auch bemühe. Wo wir wieder bei der Jagd auf den Weissfudi-Hirsch vom Anfang wären.

Sitzend oder stehend, anders treffe ich die Tiere sowieso nicht.
Sitzend oder stehend, anders treffe ich die Tiere sowieso nicht.

Mittlerweile habe ich sogar ein Buch ausgepackt. EIN ECHTES BUCH. Das nutze ich als Wartelektüre, während ich auf dem Sofa fläze und ab und zu den Fernseher nach Tiersignalen scanne. Ich versuche wirklich, geduldig zu sein. Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben habe und gedanklich bereits auf «Deinstallieren» klicke, regt sich etwas am Bildschirmrand. Es ist mein Hirsch. Der Jägersinn zeigt, dass sich das Tier unbeobachtet fühlt. Ich liege in perfekter Schussposition. Nur ein paar Grashalme stören die Sicht. Aber irgendwann muss sich das jahrelange Ballergame-Training ja auszahlen.

Ich warte, bis mir der Hirsch die Seite zuwendet. Atme aus – in echt und im Spiel. Ziele auf die Brust, und drücke die linke Maustaste. Es knallt. Neben mir schreckt eine Schar Vögel in die Luft. Nur der Hirsch bleibt stehen. Habe ich ihn verfehlt? Nein, einen Moment später sackt er leblos zu Boden. Yes. Volltreffer. Ich sprinte zu meiner Beute. Den Wald habe ich sowieso schon aufgescheucht. Da liegt er. Ein Prachtexemplar. Irgendwie macht «Way of the Hunter» eben doch Laune. Aber Moment. Als ich das Tier beanspruchen will, passiert nichts. Stattdessen steht da: «Vom Landbesitzer beansprucht». Ich fasse es nicht. Ich habe hier gar keine Jagderlaubnis. Das Ganze Warten. Für nichts. Wiesoooooo?

Fazit: Idyllisch, entspannend, aber etwas zu langsam für meinen Geschmack

Nun gut. Das mit der Jagderlaubnis hätte ich wissen müssen. Das steht in fetter, roter Schrift, sobald ich das Gebiet betreten habe. Aber der Landbesitzer hat mir schliesslich diesen Auftrag erteilt. Da ist es doch naheliegend, dass ich das Tier auch in seinem Gebiet jage. Jänu. Es hat nicht sein sollen.

Das Auto dient primär dazu, neue Gebiete zu entdecken und dort den Schnellreisepunkt freizuschalten.
Das Auto dient primär dazu, neue Gebiete zu entdecken und dort den Schnellreisepunkt freizuschalten.

Trotz allem: «Way of the Hunter» hat seinen Reiz. Es ist entspannend, durch die weitläufigen Jagdgebiete zu wandern und im Rauschen des Waldes Tierlaute zu Orten. Mich stört es auch nicht, dass ich die Lebensräume erkunden und mich in der Enzyklopädie schlau machen muss, welche Waffe die passende ist und wie der Tagesablauf aussieht. Nur dass ich mich bei der Jagd minutenlang im Schneckentempo bewegen muss, wenn ich meine Beute nicht erschrecken will, ist etwas zu viel für meine Geduld. Aber darauf dürften sich die Fans solcher Simulationen wohl einstellen. Und dann gibt es wohl kein schöneres und umfangreicheres Jagdspiel als «Way of the Hunter». In diesem Sinne: Waidmannsheil.

«Way of the Hunter» ist erhältlich für PC, PS5 und Xbox Series S/X und wurde mir von THQ Nordic zur Verfügung gestellt.

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