Wer macht das Rennen in der Sportfotografie?
Seit Frühling 2020 haben wir ungewöhnlich wenig Sportanlässe, aber ungewöhnlich viele neue Sportkameras. Denn die Kamerahersteller befinden sich in einer entscheidenden Phase: Canon und Nikon müssen auch im Pro-Bereich auf spiegellos wechseln, sonst zieht Sony davon. Ein Überblick.
Die Sportfotografie befindet sich in einem seltsamen Zustand. Einerseits gibt es wegen der Corona-Pandemie noch immer viel weniger Sport-Events als üblich – das gilt insbesondere für Grossanlässe, die einen massiven Einsatz von Profi-Equipment rechtfertigen würden. Die Olympischen Sommerspiele in Tokyo, die eigentlich schon 2020 hätten stattfinden sollen, sind auf Juli und August 2021 verschoben – und es ist keineswegs sicher, ob sie wirklich durchgeführt werden können (Stand 10. Juni 2021).
Wenig Wettkampf in den Sporthallen und Stadien also – dafür umso mehr zwischen den Herstellern. Früher machten Canon und Nikon den Markt der Sportfotografie unter sich aus. Jetzt gibt es mit Sony einen dritten Mitbewerber, und erst noch einer, der die beiden ehemaligen Platzhirsche gehörig unter Druck bringt. Diese denken jedoch nicht im Traum daran, das Feld kampflos Sony zu überlassen. In nächster Zeit wird es einen harten Wettbewerb geben, bei dem es um viel geht: nämlich, wer künftig in der Top-Liga mitspielt und wer nicht.
Profi-Sportfotografie ist ein kleines, aber prestigeträchtiges Feld. Es stellt hohe Anforderungen an Kameras, Objektive und alles drum herum. Für die Hersteller ist es beste Werbung, wenn die Profis – an den Anlässen gut sichtbar – mit ihrer Marke arbeiten. Wesentliche Teile einer professionellen Sportkamera wie Sensor, Bildprozessor und Autofokusmodul werden später auch in günstigeren Kameras verbaut. Daher ist das, was im Profibereich abgeht, auch für Hobbyfotograf*innen interessant. Zudem geht der Trend in der Fotografie immer mehr in Richtung High-End. Die Leute wollen eine möglichst professionelle Ausrüstung, auch wenn sie nicht von der Fotografie leben.
Der heutige Stand bei Canon und Nikon
Weil 2020 Olympische Sommerspiele hätten stattfinden sollen, brachten Canon und Nikon bereits vor einem Jahr Profi-Sportkameras heraus: Die Canon EOS 1D X Mark III und die Nikon D6. Dabei handelt es sich aber um Spiegelreflexkameras. Früher oder später – und besser früher – müssen Canon und Nikon auch spiegellose Sportkameras herausbringen. Der Druck ist noch einmal gestiegen, seit Sony Anfang Jahr die Alpha 1 auf den Markt geworfen hat.
Canon und Nikon haben beide eine spiegellose professionelle Sportkamera für 2021 in Aussicht gestellt. Auch professionelle Superteleobjektive für die spiegellosen Systeme werden bald erscheinen. Natürlich können auch die Spiegelreflexobjektive verwendet werden – die Adapter ermöglichen dies ohne jede Einschränkung. Aber die speziell fürs spiegellose System entwickelten Objektive haben im Allgemeinen eine bessere Bildqualität.
Nikon bringt zudem mit NX Field ein Fernsteuerungssystem, das Nikons Ambitionen in der Sportfotografie unterstreicht.
Canon EOS R3
Zur kommenden Canon EOS R3 sind bereits viele Details bekannt. Noch unbekannt ist, wann die R3 genau erhältlich sein wird und zu welchem Preis. Die wichtigsten Merkmale:
- Neuer, rückseitig belichteter mehrschichtiger CMOS-Sensor
- Bis zu 30 Bilder pro Sekunde mit Autofokus-Nachführung
- Autofokus-Tracking von Menschen, Tieren (einschliesslich Vögeln) und Rennfahrzeugen (Rennmotorräder und Rennwagen)
- 4K-Oversampling oder RAW-Videos intern aufzeichnen; Canon Log 3
- Eye-Control-AF: da, wo das Auge hinschaut, ist der Fokus
- Low-Light-Autofokus bis –7 LW
- Dual Pixel CMOS AF
- Staub- und Spritzwasserschutz der EOS-1D-Serie
Dass die Kamera R3 heisst und nicht R1, deutet darauf hin, dass Canon die Kamera nicht als spiegellose Entsprechung der EOS-1D-Serie sieht. Wahrscheinlich plant Canon langfristig, ein spiegelloses Modell oberhalb der R3 einzuführen. Allerdings übertrifft schon die R3 das aktuelle Spiegelreflex-Topmodell in einigen Punkten.
Die für Sport wichtigen Superteleobjektive kommen im August.
Nikon Z9, Objektive und NX Field
Nikon hat für 2021 die Z9 angekündigt. Nur wenige Details sind bereits offiziell bestätigt, aber mit Sicherheit zielt auch die Z9 auf den Sportbereich ab. Sie hat ebenfalls einen rückwärtig belichteten mehrschichtigen Sensor, der schnell ausgelesen werden kann. Dies ist die Voraussetzung, um hohe Serienbilder ohne Rolling-Shutter-Effekt zu erreichen. Der Sensor bietet mit 50 Megapixeln eine hohe Auflösung, die auch 8K-Videos ermöglicht. Der Sensor ähnelt verdächtig demjenigen der Sony Alpha 1. Diese Z9 wird einen neuen Bildprozessor haben. Nur so kann überhaupt die hohe Datenmenge von 8K oder schnellen hochauflösenden Serienbildern bewältigt werden.
Trotz des sehr ähnlichen Sensors wird die Nikon Z9 bestimmt keine Sony Alpha 1 mit anderem Markenaufdruck sein. Sie sieht schon ganz anders aus: Wie bei Sportkameras üblich, hat sie einen integrierten vertikalen Griff.
Professionelle Superteleobjektive für das System Nikon Z sollen ebenfalls noch 2021 kommen. Eines mit 400 und eines mit 600 Millimeter Brennweite. Auch ein professionelles 100-400mm ist geplant. Das lichtstarke 70-200mm existiert bereits.
Anfang Juni hat Nikon NX Field vorgestellt, ein neues Aufnahme-Fernsteuerungssystem, das noch in diesem Monat verfügbar sein soll. Eine Master-Kamera kann bis zu 10 weitere Kameras auslösen, die das Geschehen aus verschiedensten Winkeln und Positionen aufnehmen. Die Kameras können per WLAN, Mobilfunk inkl. 5G oder auch per LAN-Kabel verbunden sein. Eine LAN-Verbindung ist immun gegen Störsignale anderer Geräte und damit zuverlässiger. Über eine App können alle Kameras gesteuert und im Unterschied zu bisherigen Remote-Systemen auch mit Autofokus verwendet werden. Das System unterstützt zudem den Live-Upload auf einen FTP-Server. Neben den professionellen Sportkameras D5, D6 und Z9 unterstützt NX Field auch die Z6 II und die Z7 II.
Spannender Wettkampf
Sony ist wesentlich früher auf das spiegellose Vollformat umgestiegen als Canon und Nikon – ein strategischer Vorteil. Doch deswegen würde ich Canon und Nikon nicht abschreiben. Die bevorstehenden Kameras klingen vielversprechend. Angesichts dessen, dass Canon und Nikon noch 2018 rein gar nichts im spiegellosen Vollformat hatten, ist die Entwicklung der letzten Jahre erfreulich. Ich würde mir wünschen, dass wir weiterhin mindestens drei starke Konkurrenten haben. In einem schrumpfenden Gesamtmarkt ist das aber keineswegs garantiert.
Titelbild: shutterstock.comDurch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.