Beurer PO 40
Wie gut eine Sportuhr die Sauerstoffsättigung misst
Sportuhren sammeln am Handgelenk eine Fülle von Daten. Sie messen zum Beispiel die Sauerstoffsättigung im Blut. Mit zunehmender Höhe scheint die Technik an Grenzen zu stossen.
Darf’s noch ein bisschen mehr sein? Der Funktionsumfang von halbwegs ambitionierten Sportuhren oder Smartwatches ist erschlagend gross. Neben Navigations- und Trainingsfunktionen werden auch allerhand Daten gemessen, für die bis vor ein paar Jahren noch ein Gang zum Spezialisten nötig gewesen wäre. So ist es zum Beispiel beim Pulsoxymeter, das über Sensoren die Sauerstoffsättigung des Bluts ermittelt. Ein Feature, das nicht nur in Sportuhren verbaut ist. Es gibt günstige Clips, die den Wert am Finger messen und deren Verkaufszahlen seit dem Beginn der Pandemie sprunghaft gestiegen sind.
Sogar Apps versprechen eine Messung am Smartphone, von deren Zuverlässigkeit Experten allerdings wenig halten. Wie aber sieht es bei den Alleskönnern am Handgelenk aus? Natürlich weisen Hersteller wie Garmin darauf hin, dass die Angaben zur Sauerstoffsättigung nicht für medizinische Diagnosen oder zur Prävention von Krankheiten vorgesehen sind.
Diese Hinweise sind wichtig. Kein Clip, keine Uhr, keine App kann eine professionelle Abklärung ersetzen. Aber es stellt sich die Frage, wie gut so ein Consumer-Produkt sein kann. Wie hoch ist das «hohe Mass an Genauigkeit», wenn die Uhr richtig sitzt? Schliesslich schauen doch viele darauf und sehen in der Regel einen beruhigenden Wert knapp unter 100 Prozent. Manche fahnden per Smartwatch nachts nach Anzeichen einer Schlafapnoe oder tragen sie beim Sport in den Bergen, wo die Höhe zum Problem werden kann.
Wie gemessen wird
Wer die Funktionsweise bis ins physikalische Detail verstehen möchte, muss sich einlesen. In die Tiefe gehen kannst du hier. Um das zugrundeliegende Prinzip zu verstehen, genügt es, die Sache so zu besprechen, wie auch gemessen wird: oberflächlich. Die Pulsoxymetrie arbeitet mit rotem und infrarotem Licht verschiedener Wellenlängen. Es wird von Leuchtdioden ausgesendet und von einer Photodiode wieder empfangen. Beides findest du an der Rückseite der Sportuhr oder, beim reinen Pulsoxymeter, gegenüberliegend in einem Clip.
In unserem Blutkreislauf transportiert Hämoglobin den Sauerstoff. Je nachdem, wie viele Transportplätze mit Sauerstoff besetzt sind, werden die Lichtwellen unterschiedlich absorbiert und reflektiert. Auch der Puls beeinflusst das Licht und kann auf diese Weise gemessen werden. Aus den empfangenen Werten berechnen Pulsoxymeter die partielle Sauerstoffsättigung, die in Prozent angegeben und mit SpO2 bezeichnet wird. So ist klar, dass der Wert mit diesem Verfahren und nicht durch eine genaue Blutgasanalyse ermittelt wurde.
Eine Sportuhr misst das vom Gewebe reflektierte Licht, weil die empfangende Photodiode neben den LED sitzt. Ein Clip-Sensor misst, was auf der gegenüberliegenden Seite ankommt. Er wird an einen Finger, einen Zeh oder ans Ohrläppchen geklemmt.
Auch wenn im Idealfall beides relativ zuverlässig funktioniert, interessiert natürlich die Ausnahme: Was passiert, wenn die Sauerstoffsättigung tatsächlich stark sinkt? Wie es um die Möglichkeiten und Risiken bei der Pulsoxymetrie mit Sportuhren am Handgelenk bestellt ist, wurde exemplarisch in zwei Studien untersucht. Dabei zeigen sich je nach Setting deutliche Unterschiede.
Kein einheitliches Bild
In dieser Publikation haben sich Forschende die Garmin Fenix 5x Plus vorgenommen und mit 23 Probandinnen und Probanden in einer Druckkammer verschiedene Höhen simuliert. Gemessen wurde in Ruhe, der Druck entsprach Höhen zwischen 900 und 12 000 Fuss, also ungefähr 275 bis 3650 Meter. Wird die Luft dünner, kommen Menschen unterschiedlich gut damit zurecht, wobei die Sauerstoffsättigung kein allgemein gültiger Indikator für das Wohlbefinden ist. Teilweise werden bei trainierten Personen sogar niedrigere SpO2-Werte gemessen als bei untrainierten – was laut dieser Studie unter anderem daran liegen dürfte, dass sie einfach noch nicht so sehr nach Luft japsen.
Auch wenn Werte überraschend sein können – sie sollten natürlich stimmen. Im Fall der Garmin Fenix 5x Plus lieferte ein medizinisches Gerät von Nonin die Referenzwerte und die Messungen der Sportuhr wichen nur leicht davon ab. Den grössten Ausreisser gab es bei der partiellen Sauerstoffsättigung auf der Maximalhöhe von 12 000 Fuss, aber auch der lag mit 3,3 Prozent Abweichung noch im Rahmen. Ansonsten gab die 5x Plus den SpO2-Wert tendenziell nur minimal höher und den Puls minimal tiefer an als das Referenzgerät. Das Urteil dieser (nicht von Garmin finanzierten) Studie: Ja, die Angaben taugen etwas. Also alles gut?
Die Grenzen der Genauigkeit
Anders sieht es aus, wenn die Höhe zunimmt. In der zweiten Studie wird die Garmin Forerunner 245 verwendet. Die Forschenden beziehen sich auf die guten Ergebnisse der 5x Plus und wählen das Setting deshalb bewusst etwas anders. Sie simulieren den Einsatz zwischen Meereshöhe und 5500 Metern und messen die Werte ihrer zehn fitten Probandinnen und Probanden nicht nur in Ruhe, sondern jeweils auch nach fünfminütiger lockerer Belastung auf dem Fahrradergometer. Während der Messung halten sie den Anweisungen entsprechend still, um das Resultat nicht zu verfälschen.
Ziel ist es, herauszufinden, was die erhobenen Werte unter extremeren Bedingungen taugen. Referenzwerte liefern ein EKG und eine weitere pulsoxymetrische Messung, der Clip des Geräts von Nonin wird am Ohrläppchen angebracht.
Während die Pulsmessung auch bei moderater Belastung trotz einiger Ausreisser noch akzeptable Werte liefert, ist das bei der gemessenen Sauerstoffsättigung nur eingeschränkt so. Wie im Fall der Garmin Fenix 5x Plus liegen die Daten bis etwa 3500 Meter Höhe noch nahe beieinander, doch danach sind die Abweichungen gross. Ab 4000 Meter sind die Messergebnisse der Sportuhr derart zu hoch, dass sie als gefährlich bewertet werden. Es sei zum Beispiel möglich, dass bei einer potenziell lebensgefährlichen Sättigung von unter 65 Prozent immer noch 85 Prozent angezeigt würden.
Was ist der Wert wert?
Die Resultate zeigen, wo die Grenzen der Technik liegen. Dass pulsoxymetrische Messungen im Vergleich mit der Blutgasanalyse in grossen Höhen generell dazu neigen, zu hohe Werte anzuzeigen, stellt auch diese Dissertation fest. Bei der Messung am Handgelenk scheint dieses Risiko zu steigen. Die Stärke einer Sportuhr ist, dass sie quasi nebenbei allerhand Daten erfassen kann. Dass sie das am Handgelenk tut, macht die Sache bequem, aber technisch nicht einfacher. Dort ist die Lage anatomisch komplizierter als am Finger, Zeh oder Ohrläppchen. Die Autor*innen der Forerunner-Studie nehmen an, dass in diesem Bereich schlicht nicht genug arterielles Blut analysiert werden kann, um bei abnehmender Sättigung zuverlässige Werte zu errechnen.
Ganz egal, an welcher Stelle und mit welchem Gerät nach diesem Verfahren gemessen wird: Es gibt Fehlerquellen. Das gilt auch für Clip-Sensoren. Deshalb klärt in den USA die zuständige Gesundheitsbehörde FDA darüber auf: Tabakkonsum, Nagellack, die Hauttemperatur, -dicke und -farbe können beispielsweise einen Einfluss haben und die Ergebnisse verfälschen. Bewegung oder eindringendes Umgebungslicht sind ebenfalls ein Problem. Unter dem Strich ist das Pulsoxymeter in der Sportuhr oder Smartwatch eine nette Zusatzfunktion, die im besten Fall auf Probleme hinweisen kann. So gut die Multitalente am Handgelenk inzwischen geworden sind – bei allen Möglichkeiten ist es auch wichtig, ihre Grenzen zu kennen.
Sportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.