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Windows-Games laufen jetzt auf Macs – wenn auch nicht perfekt
von Jan Johannsen
Mit Apples neuem Game Porting Toolkit lassen sich PC-Games unter MacOS starten. Ich probiere aus, wie gut das funktioniert und ob ich meine Windows-Kiste einmotten kann.
Windows-Games auf Macs mit Apple Silicon Chips, das geht nur auf Umwegen. Mit dem Game Porting Toolkit bietet Apple nun selber eine Möglichkeit, sogar aktuelle DirectX-12-Spiele auf Mac zu starten. Eigentlich ist das Tool für Softwarestudios gedacht. Es soll helfen, Games für Mac zu portieren.
Ich bin kein Softwarestudio. Aber ich würde die Grafikpower meines M1 Max Chips schon lange gerne in Games einsetzen. Doch welches Spiel gibt es schon für Mac? So gut wie keines. Früher konnte ich über Bootcamp Windows installieren. So liefen Windows-Games problemlos, wenn auch nicht in hoher Auflösung. Seit dem Umstieg auf Apples M-Chips mit Arm-Architektur funktioniert Bootcamp nicht mehr. Es gibt nur noch ein paar unbefriedigende Workarounds wie Crossover oder Parallels, deren Vollversionen erst noch kostenpflichtig sind.
Mittlerweile habe ich für Games deshalb eine Windows-Kiste. Geht nicht anders. Ein einziger Mac für alles wäre mir aber lieber. Ist das mit einer Zweckentfremdung des neuen Game Porting Toolkit möglich? Ich probiere es aus.
Apples neues Toolkit ist ein Übersetzungsprogramm. Es funktioniert ähnlich wie Proton auf dem Steam Deck, mit einer Version von Wine – ein Open Source Kompatibilitätslayer. Das brachte Apple einiges an Kritik ein, da die Kalifornier nicht gerade für Beiträge an die Open Source Community bekannt sind. Das Game Porting Toolkit kann auf drei Ebenen gleichzeitig übersetzen:
Es geschieht also jede Menge Arbeit im Hintergrund, wenn du über das Toolkit ein aktuelles Windows-Spiel startest. Entsprechend musst du mit Einbussen bei der Performance rechnen. Da mein M1 Max Chip aber ziemlich viel Leistung hat, hoffe ich trotzdem auf vernünftige Framerates.
Apples Software finde ich in der Regel leicht durchschaubar. Das gilt nicht für das Game Porting Toolkit, was daran liegt, dass es nicht für Programmier-Laien wie mich gedacht ist. Mit verschiedenen Anleitungen auf Reddit schaffe ich es trotzdem.
Folgende Schritte sind nötig, wenn du es selber probieren willst:
1. MacOS aktualisieren und Backup erstellen
2. MacOS Sonoma Beta installieren
3. Game Porting Toolkit und Xcode installieren
WINEPREFIX=~/my-game-prefix
brew --prefix game-porting-toolkit/bin/wine64 reg add 'HKEY_LOCAL_MACHINE\Software\Microsoft\Windows NT\CurrentVersion' /v CurrentBuild /t REG_SZ /d 19042 /f
WINEPREFIX=~/my-game-prefix
brew --prefix game-porting-toolkit/bin/wine64 reg add 'HKEY_LOCAL_MACHINE\Software\Microsoft\Windows NT\CurrentVersion' /v CurrentBuildNumber /t REG_SZ /d 19042 /f
WINEPREFIX=~/my-game-prefix
brew --prefix game-porting-toolkit/bin/wineserver -k
4. Games installieren und öffnen
/Volumes/Game\ Porting\ Toolkit-1.0/gameportingtoolkit ~/my-game-prefix "C:\users\crossover\Downloads\SteamSetup.exe"
gameportingtoolkit-no-hud ~/my-game-prefix 'C:\Program Files\MyGame\MyGame.exe'
Zuerst probiere ich, ob das neue «Diablo IV» funktioniert. Das fände ich besonders toll. Tatsächlich: Es geht. Der BattleNet-Launcher und das Spiel lassen sich über den Terminal-Befehl problemlos starten.
Doch wie gut läuft das Spiel? Ich teste das Game Porting Toolkit mit einem letztjährigen MacBook Pro mit M1 Max Chip. Er hat 10 CPU Cores, 32 GPU Cores und 32 Gigabyte Unified Memory. Innerhalb des aktuellen Mac-Lineups ist das Gerät obere Mittelklasse.
Auf 1440p-Auflösung kommt «Diablo IV» mit mittleren Details auf etwa 50 Bilder pro Sekunde (FPS). Das sind keine grafischen Höhenflüge, aber das Game ist flüssig spielbar. Ich bemerke auch keine Einbrüche bei vielen Lichteffekten und keine Bugs im Gameplay. Einziger Wermutstropfen ist ein kleiner Input-Lag. Für ein aktuelles Spiel mitsamt den nötigen Übersetzungsebenen finde ich dieses Ergebnis erstaunlich gut.
Als Nächstes installiere ich Steam und lade darin verschiedene Games herunter. Viele streiken leider komplett. Darunter die zwei älteren Titel «Anno 1404» und «Age of Empires IV». Es öffnet sich kurz ein Fenster, das sich aber sofort wieder schliesst. «Red Dead Redemption 2» installiert automatisch den Rockstar Launcher und macht ebenfalls Anstalten, sich zu öffnen. Nach 30 Sekunden Wartezeit kommt aber die Fehlermeldung «Das Spiel läuft bereits» und ich kann nur noch auf «Verlassen» klicken.
Weitere Spiele, die ich erfolglos installiere, sind «Counter-Strike: Source», «Halo Infinite», «Forza Horizon 5» und sämtliche Ubisoft-Spiele. Dort kann ich den Launcher installieren, diesen aber nicht öffnen. Damit fallen auch «Anno 1800» und «Assassin's Creed» flach. Warum genau alle diese Spiele nicht laufen, weiss ich nicht. Bei Spielen wie «Halo Infinite» könnte es an der benötigten Anti-Cheat-Software liegen, die trotz Game Porting Toolkit nicht mit Mac kompatibel ist.
Ein AAA-Titel auf einem MacBook? «Lächerlich!», denke ich mir und versuche es trotzdem. Zu meinem Erstaunen lässt sich «Cyberpunk 2077» tatsächlich starten. In 1440p mit mittleren Details spuckt der Benchmark 27 FPS aus. Im Spiel erreiche ich in den meisten Situationen um die 30 FPS. Das ist höchstens knapp spielbar. In 1080p sind es schon 45 FPS – aber diese Auflösung wird einem Spiel wie Cyberpunk nicht gerecht. Spass macht es vermutlich erst mit Apples neuem und sehr teuren M2 Ultra Chip.
Als ich Anfangs mit einem M1 Pro MacBook Pro teste, habe ich ausserdem grafische Artefakte in Form von fehlenden Texturen, die als schwarze Flächen angezeigt werden. Das Problem verschwindet nach kurzer Zeit, tritt aber zwischendurch immer wieder auf.
Laut diversen Berichten auf Reddit stemmt das Game Porting Toolkit noch weitere grosse Titel. Etwa «Hogwarts Legacy» oder «Elden Ring». Da ich diese Games nicht besitze, kann ich das nicht selber testen. Ich empfehle dir stattdessen die Videos von YouTuber Andrew Tsai, der seinen ganzen Kanal Gaming auf Mac widmet:
Die positiven Überraschungen sind schön, mein Fazit zum Game Porting Toolkit ist trotzdem durchzogen. Schon die Installation ist alles andere als einfach – woraus ich Apple auch keinen Strick drehen will. Schliesslich ist das Tool nicht für mich als Laie gedacht. Im Alltag hätte ich trotz meines Verständnisses keine Lust, Spiele jedes Mal mit Terminal-Kommandos zu installieren und zu starten.
Ob ein Game danach überhaupt läuft, ist Glückssache. Ich hatte gerade mal bei zwei meiner Wunschtitel Erfolg. Und wenn es geht, frisst die Live-Übersetzung der Software auf Mac einiges an Ressourcen. 4K-Gaming kannst du in aktuellen Spielen vergessen. Wenn du einen M1 Max oder M2 Max hast, läuft im besten Fall ein mittelmässig anspruchsvolles Spiel wie «Diablo IV» in 1440p-Auflösung. Das ist nicht schlecht, aber jeder Mittelklasse-PC kann es besser. Meine Windows-Kiste behält für Games deshalb vorerst ihren Platz unter meinem Schreibtisch.
Trotzdem finde ich es beachtlich, dass Apple quasi nebenbei ein Toolkit bereitstellt, mit dem mal eben «Cyberpunk 2077» auf Mac funktioniert. Es zeigt, was möglich wäre, wenn die Studios ihre Spiele tatsächlich portieren würden. Ob sie diesen Aufwand in Zukunft vermehrt betreiben, ist fraglich – die Schnittmenge von Mac-Usern und Gamern wie mir bleibt klein. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.