Attacke der Shiitake: Wie Pilze mein Wohnzimmer einnehmen
Ratgeber

Attacke der Shiitake: Wie Pilze mein Wohnzimmer einnehmen

Ich habe meine Stube in eine Pilzzuchtstation verwandelt. Erfahre hier, wie meine Shiitake gewachsen sind. Und warum ein Besuch in den Bergen unerwartete Auswirkungen hatte.

Kürzlich schwebte ich im siebten Pilze-Himmel. In den unterirdischen Kühlräumen der Kernser Edelpilze GmbH durfte ich zusehen, wie Hunderte Shiitake, Nameko, Shimeji, Kräuterseitlinge, Pleurotus und Enoki aus dem Boden schossen.

  • Hintergrund

    Öberall heds Pilzli draa: Ein Besuch beim Schweizer Edelpilz-Produzenten

    von Darina Schweizer

Die Formen, Farben und Gerüche berauschten mich so sehr, dass ich kurzerhand beschloss, in meinem Wohnzimmer selbst Shiitake-Pilze anzubauen.

Schimmel statt Pilze

Frohen Mutes trage ich eine Pilzfabrik in einer handlichen Kartonschachtel nach Hause. Diese platziere ich mitten in meiner Stube. Einziges Problem: In der Dachwohnung ist es Anfang September noch 28,8 Grad. Doppelt so heiss wie im Kühlraum in Kerns.

So kommt es, dass aus dem Substrat nur eines wächst: Schimmel. Auch ein Pilz, ich weiss. Aber, um Peach Weber in seinem Kult-Song «Öberall heds Pilzli draa» zu zitieren: «I hasse da, i hasse da.»

Nochmals von vorne

Glücklicherweise hat die Kernser Edelpilze GmbH Mitleid mit mir. Anfang November schickt sie mir ein neues Substrat mitsamt Myzel. Das Fasergeflecht besteht aus Pilzzellen, vergleichbar mit dem Wurzelsystem von Pflanzen. Aus ihm werden die Pilze wachsen. Mittlerweile herrschen in meiner Wohnung bessere Pilzbedingungen. Zwar nicht die optimalen 14 Grad wie in den Kernser Kühlräumen, aber immerhin nur noch etwas über 20 Grad. Die Zucht kann losgehen!

Vorbereitung

Als Erstes öffne ich die Kartonschachtel. Der viereckige Substrat-Klotz aus Holz, recycelten Getreideabfällen und Pflanzenfasern, Myzel, Wasser und Gips ist noch in eine Plastikfolie gehüllt. Das bleibt vorerst so. Bis die ersten Shiitake den Nährboden durchbrechen und gegen den Plastik stossen.

Tag 1

Einen Tag später ist es so weit. «Lass uns hier raus!», höre ich die Shiitake förmlich schreien. Ich schneide den Plastik auf, nehme den Substrat-Klotz heraus und setze ihn auf die mitgelieferte Kartonunterlage. Von nun an muss ich die Pilze immer morgens und abends mit einem Wasserzerstäuber besprühen.

Ringsherum gucken Pilzköpfe aus der Erde.
Ringsherum gucken Pilzköpfe aus der Erde.
Quelle: Darina Schweizer

Tag 2

Wirklich pilzig sehen die Shiitake noch nicht aus. Eher wie kleine, dicke Geschwülste. Bei einigen sind aber schon ansatzweise Pilzhüte zu erkennen. Hier zum Beispiel:

Bei einigen Exemplaren sind schon winzige Pilzhüte zu erkennen.
Bei einigen Exemplaren sind schon winzige Pilzhüte zu erkennen.
Quelle: Darina Schweizer

Tag 3-5

Allmählich verwandeln sich die Geschwülste in Minipilze, die herrlich riechen. Auch die Hüte sind klar erkennbar. Richtig schnuckelig, meine Winzlinge.

Hübsch sehen sie allmählich aus, meine Sprösslinge.
Hübsch sehen sie allmählich aus, meine Sprösslinge.
Quelle: Darina Schweizer

Tag 5-6

Es ist Zeit für ein Schulreisli. Am Wochenende bin ich zu einem Geburtstagsfest in einer Berghütte eingeladen. Die Shiitake zu Hause lassen? Unmöglich! Ohne ihre Sprühdusche zwei Mal täglich werden sie vertrocknen. Also reisen sie mit mir nach Engelberg. Und die kühle Bergluft scheint ihnen gut zu tun. Auf den Pilzhüten bilden sich kleine, weisse Punkte – ihr typisches Erkennungsmerkmal. In China wird der Shiitake deshalb auch «Pilz des Winters» genannt.

Die «Schneeflöckchen» auf den Hüten sind charakteristisch für die Shiitake.
Die «Schneeflöckchen» auf den Hüten sind charakteristisch für die Shiitake.
Quelle: Darina Schweizer

Tag 7-8

Wieder zurück im Flachland spriessen sie wie verrückt. Bei vielen Pilzen haben sich bereits die Lamellen geöffnet. Ready to take my shiitake?

Die Lamellen sind klar ersichtlich. Jetzt müssen die Pilze geerntet werden.
Die Lamellen sind klar ersichtlich. Jetzt müssen die Pilze geerntet werden.
Quelle: Darina Schweizer

Tag 9

Vorsichtig trenne ich die Pilze 0,5 Zentimeter unter dem Hut ab. Mit dem Messer geht es besser? Denkste. Damit mühe ich mich zuerst unnötig ab, bis ich zur Schere greife. Blitzschnell habe ich 51 Pilze geerntet. Insgesamt 52 Gramm bringen sie auf die Küchenwaage.

51 Pilze sind insgesamt in meiner Pilzfabrik im Wohnzimmer gewachsen.
51 Pilze sind insgesamt in meiner Pilzfabrik im Wohnzimmer gewachsen.
Quelle: Darina Schweizer

Schnell in eine Papiertüte damit und ab ins Gemüsefach des Kühlschranks. So sollen die Shiitake bis zu einer Woche halten…

Zubereitung

Aus der Woche wird nichts. Mein Magen knurrt. Deshalb wandern die Shiitake noch am selben Tag in die Pfanne – zusammen mit Butter, Zwiebeln, Lauch, Mehl, Gemüsebouillon, Vollrahm, Salz, Pfeffer und Spaghetti. Ob das was wird oder ich doch noch auf die Shiitake des Galaxus-Sortiments zurückgreifen muss?

Ganz schön lecker: Meine Shiitake köcheln mit Lauch, Butter und Zwiebeln in der Bouillon.
Ganz schön lecker: Meine Shiitake köcheln mit Lauch, Butter und Zwiebeln in der Bouillon.
Quelle: Darina Schweizer

Nein, nicht nötig. Die Pilz-Spaghetti schmecken lecker umami. Und brauchen definitiv kein Aromat.

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    von Darina Schweizer

Fazit

Zuhause Shiitake-Pilze anzubauen macht grossen Spass. Und es ist einfacher als gedacht. Die Pilzfabrik ist mit 19 Franken ziemlich teuer – wenn man sie mit einem 3- bis 5-Franken-Pack beim Grossverteiler vergleicht. Dieses hat auch rund drei Mal so viel Inhalt wie die mickrigen 52 Gramm, die ich geerntet habe. Als spassiges Experiment ist die Pilzfabrik dennoch zu empfehlen. Und mit etwas Glück wachsen vielleicht ein zweites Mal Shiitake. Dazu muss ich den Substrat-Klotz in kaltes Wasser tauchen und danach wieder zweimal täglich mit Wasser besprühen. «Da gömmer jetzt go teschte», höre ich Peach Weber trällern.

Hast du auch schon Pilze gezüchtet? Vielleicht sogar mit einem eigenen Substrat? Erzähl’ mir in einem Kommentar davon.

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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.


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