Strich für Strich zur kreativen Entspannung mit Slow Drawing
Deutsch, Amy Maricle, 2023
Slow Drawing (Langsames Zeichnen) verspricht mentale Entspannung mit künstlerischem Ergebnis. Ich habe es eine Woche lang ausprobiert und bin überrascht von meinen Bildern und der gewonnenen inneren Ruhe.
Diese Ausprobiert-Woche hat sich spontan ergeben und begonnen, noch bevor ich sie geplant habe. Ich stehe im Buchladen, mitten in der Kreativabteilung. Ein Buch sticht mir ins Auge: «Strich für Strich: Zur kreativen Entspannung mit Slow Drawing».
Ich blättere ein wenig im Buch herum und bin sofort gehookt. Die Bilder sind einfache, nur aus der Natur abgeleitete Muster, doch sie sehen sehr künstlerisch aus. Ich nehme das Buch mit und starte wenige Stunden später meinen ersten Versuch.
Es ist Samstag und ich habe ausreichend Zeit, um mich in die Kunst des langsamen Zeichnens zu vertiefen. Erst lese ich ein wenig: In der Einleitung geht es darum, was Slow Drawing überhaupt ist, welche Utensilien dafür von Vorteil sind und wie es am besten in den Alltag integriert wird.
Nun lege ich los. Mit einem schwarzen Gelstift und ein paar Blatt Papier suche ich mir einen gemütlichen Platz am Wasser und wackele die ersten noch etwas krakeligen Linien aufs Blatt. Auch wenn mich meine ersten Striche nicht gerade überzeugen, mache ich einfach weiter. Linie neben Linie mit kleinem Schwung reihen sich nebeneinander. Nach ein paar Minuten bin ich so vertieft, dass ich um mich herum kaum noch etwas wahrnehme. Die erste Erkenntnis: Das langsame genaue Zeichnen hilft wunderbar, den Kopf frei zu kriegen. Ich bin schon nach wenigen Minuten entschleunigt und entspannter als noch kurz zuvor.
Nach einer guten halben Stunde frieren mir langsam die Finger ein. Zwar sind die ersten Frühlingstage gerade angebrochen, aber die Temperaturen schränken das Malen im Freien noch ein. Ich tauche langsam wieder auf aus dieser Welt der schwarzen Linien, auf die ich mich tatsächlich völlig eingelassen hatte. Zum ersten Mal schaue ich mir mein Werk im Gesamten an, davor lag mein Fokus ganz auf den einzelnen Linien. Ich bin wirklich erstaunt: Aus den einzelnen wellenförmigen Linien ist ein kleines Kunstwerk entstanden. Sie wirken dreidimensional und formen etwas wie Algenblätter am Strand oder im Wind wehende Stofffetzen.
Mir hat das Zeichnen gestern so gut getan und mich dermaßen entspannt, dass ich es heute gar nicht abwarten kann, weiterzumachen. Ich wage mich an die nächsten Muster aus dem Buch.
Ich bin nachhaltig auf den Geschmack gekommen. Denn auch heute beginnt der Tag mit Vorfreude aufs langsame Zeichnen. Allerdings muss ich mich etwas gedulden. Erst am Abend finde ich ausreichend Zeit, um auch mal etwas Farbe ins Spiel zu bringen.
Die heutige Erkenntnis: Slow drawing funktioniert wirklich nur langsam. Unter Zeitdruck oder mit Ablenkung von außen klappt das entspannende Zeichnen nicht. Ich habe heute versucht, nebenbei zu zeichnen. Als Beschäftigung während eines längeren Telefonats und eines Arbeitstermins. Das Ergebnis war ernüchternd. Einerseits waren die Zeichnungen viel krakeliger, die Linien nicht parallel, ungenau angesetzt und die Muster nicht stimmig. Andererseits hat mich das Zeichnen nebenbei eher gestresst als entspannt.
Ich merke, dass ich mich tatsächlich intensiv auf das Zeichnen konzentrieren muss, damit mir das Ergebnis gefällt. Wenn nebenbei noch etwas anderes passiert, auch wenn ich nur zuhören muss, kann ich beim Zeichnen nicht zur Ruhe kommen. Ich hake diesen Versuch als nicht tauglich ab und widme mich in Zukunft wieder komplett Stift und Papier – ohne Ablenkung.
Heute entsteht mein bislang langwierigstes Werk. Knapp zwei Stunden habe ich gemächlich, in Gedanken vertieft, vor mich hin gezeichnet. Ich kombiniere jene Muster, die mir bisher am besten gefallen und merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Danach fühle ich mich ruhig und ähnlich wie nach einer Meditation. Das Slow Drawing funktioniert für mich definitiv als mentale Entspannungstechnik.
Autorin Amy Maricle regt in der Anleitung zum Buch auch dazu an, sich selbst in der Natur Muster als Vorlagen zu suchen: Steine in einem Flussbett, Landschaften, Pflanzen am Wegesrand … Ich beginne genauer hinzusehen und entdecke fortan überall Muster, die ich nachzeichnen könnte. Noch aber bietet das Buch ausreichend Vorlagen, an denen ich mich versuchen will. Außerdem kristallisieren sich langsam meine Favoriten unter den bisherigen Mustern heraus. Auch die kann ich noch neu kombinieren und leicht umwandeln.
Mein Fazit fällt auf jeden Fall positiv aus. Ich habe in wenigen Tagen eine neue Zeichentechnik gelernt, die sich zugleich als mentale Entspannungsübung eignet. Auch wenn die Woche nun vorbei ist, lasse ich das langsame Zeichnen sicher nicht sein. Ich mache weiter, entwickle neue Muster, kombiniere und verziere. Ich habe keine Vorkenntnisse benötigt und bin auch nicht herausragend begabt, wenn es ums Zeichnen geht – trotzdem können sich die Ergebnisse sehen lassen.
Hier findest du weitere Ausprobiert-Wochen von mir, in denen ich regelmäßig gesunde Gewohnheiten teste:
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.