Ein Sport-Supplement hilft gegen das Covid-19-Erschöpfungssyndrom
Kreatin ist eines der bei Sportlern am beliebtesten leistungssteigernden Nahrungsergänzungsmittel. Kann es auch gegen das Erschöpfungssyndrom nach einer Covid19-Infektion helfen?
Das post-virale Erschöpfungssyndrom ist eine neurologische Langzeiterkrankung. Früher als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass man unfähig ist an alltäglichen Aktivitäten teilzunehmen, was vorher problemlos möglich war. Die Symptome sind langanhaltend,dauern mehr als 6 Monate und sind mit Müdigkeit und nicht erholsamem Schlaf verbunden. Wie der Name sagt, wird es in Zusammenhang mit einer Virusinfektion gebracht [1]. Die Pandemie, verursacht durch ein Mitglied der Coronavirus-Familie, führte dazu, dass mehr Menschen an einem Erschöpfungssyndrom leiden. Bis zu 45% von COVID-19-Überlebenden sind vom Erschöpfungssyndrom betroffen [2-5]. Kann hier Kreatin Abhilfe schaffen?
Bevor ich diese Frage beantworten kann, muss ich zunächst etwas ausholen und erklären, was Kreatin eigentlich ist und wie es im menschlichen Körper funktioniert:
Was ist Kreatin überhaupt
1832 wurde Kreatin durch den Französischen Wissenschaftler Michel Eugène Chevreul als natürlich vorkommender Bestandteil von Fleisch entdeckt [6]. Kreatin kommt auch in Fisch vor [7,8] und spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel von Muskeln. Mit 6.5 – 10 g/kg liefert der Hering am meisten Kreatin, während Lachs etwa 4.5 g/kg an Kreatin besitzt. Rindfleisch besitzt etwa gleich viel Kreatin wie Lachs [6].
Die Enzyme für die Herstellung von Kreatin findet man in der Leber, in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und in den Nieren. Biochemisch wird es durch drei Aminosäuren hergestellt und gelangt durch das Blut in die Muskulatur, wo mehr als 95% des verfügbaren Kreatins zu finden sind. Die restlichen Anteile von Kreatin sind in diversen Geweben zu finden, so unter anderem im Gehirn, den Augen, den Nieren, Dick- und Dünndarm und den Hoden [9-12].
Im Verlauf eines Tages werden etwa 2 g Kreatin synthetisiert und wieder verbraucht. Der Kreatinspeicher im Muskel kann zwischen 14 – 20 g/kg Muskeltrockenmasse betragen [13]. Der Abbau von Kreatin führt zu Kreatinin und wird wie auch Kreatin über die Niere aus dem Körper ausgeschieden. Kreatin wird durch den Magen-Darm-Trakt aktiv aufgenommen und gelangt über den Blutkreislauf ins entsprechende Gewebe [14]. Die Absorptionsrate von Kreatinmonohydrat – der am häufigsten verkauften Form von Kreatin – beträgt praktisch 100% [15]. Bereits 1992 zeigten Harris et al. [16], dass die Supplementierung von 20 bis 30 g/Tag, die über einzelne 5-g-Dosen verabreicht wurde, dass im Menschen der intramuskuläre Gehalt an Kreatin um bis zu 20% erhöht werden kann. Heute gehört Kreatin zu den am besten untersuchten und wissenschaftlich fundierten Nahrungsergänzungsmitteln am Markt [7,17].
Wie funktioniert Kreatin im Muskel?
Im Muskel wird Kreatin phosphoryliert [14]. Das heisst, dass eine Phosphatgruppe an Kreatin angehängt wird. Das nun entstandene phosphorylierte Kreatin wird nun Phosphokreatin genannt und spielt eine fundamentale Rolle im Stoffwechsel des Muskels. Phosphokreatin kann nämlich Adenosintriphosphat (ATP) herstellen und rezyklieren. Damit ein Muskel mechanische Arbeit verrichten kann, braucht er Energie und erhält diese in Form von ATP. ATP kann im Muskel über mehrere Stoffwechselprozesse hergestellt werden. So kann es durch den Abbau von Fettsäuren, Kohlenhydraten, Glykolyse oder Phosphokreatin gewonnen werden. Diese Stoffwechselprozesse laufen jedoch mit unterschiedlichen Produktionsraten ab. Während der Abbau von Fettsäuren am meisten ATP liefert, ist es auch der langsamste Prozess [18]. Im Gegensatz dazu kann über Phosphokreatin sehr rasch ATP synthetisiert werden, besitzt aber im Vergleich zum Fett- oder Kohlenhydratabbau eine geringere Kapazität [18]. Erhöht man nun den Phosphokreatingehalt im Muskel, wird die Kapazität zur Herstellung und Rezyklierung von ATP erhöht, was die Energiebereitstellung während des Trainings erhöht. Somit kann die mechanische Arbeit verlängert werden.
Und nun zurück zur eingangs gestellten Frage: Kann Kreatin auf Grund seiner Eigenschaften und Funktionen im Körper als Therapieform gegen das COVID-19-Erschöpfungssyndrom eingesetzt werden?
Mit Kreatin gegen Longcovid
Eine Forschungsgruppe rund um Slankamenac et al. [19] hat sich nun der Frage angenommen ob Kreatin gegen das Erschöpfungssyndrom nach einer Covid19-Infektion helfen kann und untersucht, was passiert, wenn man in einer doppelblinden randomisierten klinischen Studie mit Placebo oder Kreatinmonohydrat supplementiert. Hierzu rekrutierten die Forschenden 12 Patienten, die am COVID-19-Erschöpfungssyndrom litten. Die Kreatinmonohydratgruppe erhielt während 6 Monaten täglich 4 g Kreatinmonohydrat. Die Placebogruppe erhielt die entsprechende Menge als Inulin (Präbiotikum). Ausgewertet wurden die Müdigkeit, der Kreatingehalt im Gewebe, Patientenberichte, Gehzeit bis zur Erschöpfung und das Auftreten sowie der Schweregrad von Nebenwirkungen. Dies zu Beginn, nach 3 und 6 Monaten der Studiendauer.
Die Resultate
Der Kreatingehalt im m. vastus medialis (vorderer Oberschenkelmuskel) war in der Kreatinmonohydratgruppe signifikant höher (P < 0.01) im Vergleich zur Placebogruppe. Das traf ebenfalls auf den Kreatingehalt im Gehirn zu (P < 0.01). Weiter reduzierte Kreatin die Lungen- und Körperschmerzen in der Kreatinmonohydratgruppe und erhöhte die Konzentration. Ein Patient berichtete über leichte vorübergehende Übelkeit nach der Einnahme von Kreatinmonohydrat. Ansonsten wurden keine weiteren Nebenwirkungen rapportiert.
Kreatin ist nicht die eine Wunderwaffe gegen das COVID-19-Erschöpfungssyndrom. Es erhöhte jedoch die verfügbare Energie im Gewebe und linderte klinische Symptome des Syndroms. Daher kann die Supplementation mit Kreatinmonohydrat Linderung verschaffen und als sicheres Nahrungsergänzungmittel zur Bekämpfung des COVID-19-Erschöpfungssyndrom eingesetzt werden.
Referenzen
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Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.