
Hintergrund
Krafttraining: Was bringt das Training bis zum Muskelversagen?
von Claudio Viecelli
Konzentrisch, exzentrisch, isometrisch – drei Begriffe, die seit Jahren durch die Fitnesscenter geistern. Was steckt dahinter und warum trainieren manche Leute ausschliesslich mit bremsenden Bewegungen? Ist das effektiver? Hier kommen die Antworten.
Die Erzeugung von Muskelkraft erfolgt zwischen Aktin- und Myosinfilamenten gemäss der Theorie der gleitenden Filamente im Skelettmuskel [1].
Muskelarbeit (engl. muscle action) bezieht sich auf die unterschiedlichen biomechanischen Eigenschaften der Aktin-Myosin-Filamente während der Muskelarbeit. Diese Filamente können sich entweder aufeinander zu (konzentrisch), voneinander weg (exzentrisch) oder überhaupt nicht (isometrisch) bewegen. Um diese verschiedenen Arten der Muskelarbeit zu beschreiben, wurden die Begriffe konzentrische, exzentrische und isometrische Kontraktionen eingeführt [2]. Im Gegensatz zu den Begriffen miometrisch (griech. mio, verkürzend) und pliometrisch (griech. plio, verlängernd) widerspiegeln die Begriffe konzentrisch oder exzentrisch allerdings nicht die physiologische Funktionsweise. Dennoch haben sie sich bis dato in der Literatur gehalten. Deshalb werden sie hier weiterverwendet.
Mechanistisch lassen sich konzentrische, exzentrische und isometrische Muskelkontraktionen durch ihre Fähigkeit zur Krafterzeugung unterscheiden. Die exzentrische Krafterzeugung ist um 20 bis 50 Prozent höher als die konzentrische [3]. Metabolisch braucht die exzentrische Arbeit etwa sechsmal weniger Energie [4]. Das heisst, dass exzentrische Kontraktionen effizienter sind als konzentrische Kontraktionen.
Die Fähigkeit zur höheren Kraftproduktion während exzentrischen Kontraktionen führte zur These, dass diese grössere mechanische Belastung einen höheren Einfluss auf die Hypertrophie oder Kraft ausüben könnte [5]. Es muss jedoch betont werden, dass die Zuordnung einzelner anaboler Beiträge zu einer der beiden Kontraktionsformen schwierig ist, da sich die Muskelaktivierung, die Rekrutierung, die Kraftkapazität und der Stoffwechsel zwischen den Kontraktionsarten unterscheiden.
In Anbetracht der oben erwähnten Diskrepanzen verwendeten Smith und Rutherford [6] ein Studiendesign, bei dem fünf Männer (20,6 ± 0,9 Jahre) und fünf Frauen (20,2 ± 1,3 Jahre) ein Bein mit konzentrischen und das andere Bein mit exzentrischen Kontraktionen des Quadrizepsmuskels 20 Wochen lang trainierten. Die Belastung für die exzentrische Bedingung war 35 Prozent höher als für die konzentrische Bedingung. Die Muskelquerschnittsfläche wurde mittels Computertomografie bestimmt. In beiden Gruppen wurde eine signifikante Zunahme der Muskelmasse festgestellt. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Beinen. Zahlreiche Studien, in denen die Kontraktionsformen anhand direkter Messungen [6–12], der fettfreien Körpermasse [13] oder des Umfangs [14] der Muskelhypertrophie bei untrainierten und trainierten Personen untersucht wurden, zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Kontraktionsarten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bisher kein klarer Hinweis auf einen überlegenen Effekt einer konzentrischen gegenüber einer exzentrischen Kontraktion, oder umgekehrt, auf die Muskelhypertrophie beobachtet wurde [8,15–21].
Mehrere Studien befassten sich mit isometrischem Training. 1987 verglichen Jones und Rutherford [22] die drei Kontraktionsformen in einem Studiendesign, für das 12 untrainierte Personen (11 Männer, 1 Frau, 27,5 ± 6 Jahre) rekrutiert wurden. Sechs Personen (5 Männer, 1 Frau) trainierten ein Bein mit konzentrischen Kontraktionen (80 % 1-RM, 2 bis 3 s pro Wiederholung) und das andere Bein mit exzentrischen Kontraktionen (145 % 1-RM, 2 - 3 s pro Wiederholung) an einer Beinstreckmaschine. Sechs Probanden führten einbeinige isometrische Kontraktionen, eine Krafterzeugung ohne Längenveränderung der Muskulatur, durch und das andere Bein diente als Kontrolle. Bei allen Kontraktionsformen wurden erhebliche Erhöhung der Kraft und der Hypertrophie festgestellt, wobei es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kontraktionsformen gab.
Kubo et al. [23] untersuchten den Einfluss der Dauer isometrischer Kontraktionen auf die Elastizität menschlicher Sehnenstrukturen in vivo. Dazu wurden acht junge Männer (22,6 ± 2,8 Jahre) rekrutiert und einem zwölfwöchigen Krafttraining unterworfen. Es wurden unter anderem das Muskelvolumen und die Kraft vor und nach der Studie gemessen. Die Forscher verwendeten ein Studiendesign, bei dem ein Bein einem Kontraktionsprotokoll mit langer und das andere Bein einem mit kurzer Dauer zugewiesen wurde. Das Protokoll mit langer Spannungsdauer bestand aus vier Sätzen mit vier Kontraktionen von jeweils 20 Sekunden. Das Protokoll mit kurzer Spannungsdauer bestand aus drei Sätzen mit 50 Wiederholungen einer Kontraktion von einer Sekunde. Es wurden 70 % 1-RM verwendet. Die Intervention betrug zwölf Wochen mit einer Trainingshäufigkeit von vier Tagen pro Woche. Das Muskelvolumen wurde per MRI berechnet. Beide Protokolle führten zu einer signifikanten Zunahme der maximalen willentlichen Kontraktionskraft und des Muskelvolumens, ohne dass es signifikante Unterschiede zwischen den Trainingsprotokollen gab.
Hypertrophie, die durch mechanische und metabolische Belastung hervorgerufen wird, kann durch die Maximierung des Faserrekrutierungs-Zeit-Integrals induziert werden. Es ist offensichtlich, dass dies durch konzentrische, exzentrische und isometrische Muskelkontraktionen erreicht werden kann, obwohl Aktivierung, Rekrutierung, Kraftkapazität und Stoffwechsel unterschiedlich sind [24]. Die derzeitige Literatur lässt keine Rückschlüsse auf die Überlegenheit der einen oder anderen Muskelaktion zu. Daher wird zur Erhöhung der Muskelmasse und der Kraft die Verwendung aller Kontraktionsformen empfohlen. [25].
Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.