«Fallout: London» angespielt: Der gehypte Mod kämpft mit Startschwierigkeiten
«Fallout: London» ist der wohl ambitionierteste und umfangreichste Mod für «Fallout 4», den es je gab. Er bietet ein neues Setting, eine neue Story und vieles mehr. Leider verliert mich «Fallout: London» aufgrund der vielen Bugs und dem hohen Schwierigkeitsgrad.
Die «Fallout»-Serie feierte dieses Jahr ihr Debüt auf der Streamingplattform Amazon Prime Video und konnte nicht nur ein breites Publikum, sondern auch uns auf ganzer Linie überzeugen. Auch wenn es bis zur bereits bestätigten zweiten Staffel nicht mehr allzu lange dauern dürfte, liegt ein neues Spiel hingegen in weiter Ferne. «Fallout 5» dürfte noch viele Jahre auf sich warten lassen. Wie also den Hunger nach den fiktiven, postapokalyptischen USA stillen?
Team Folon liefert, was Bethesda verpennt hat
Der mögliche Retter der Stunde heisst «Fallout: London»: Der sogenannte Total-Conversion-Mod verändert nicht nur das gesamte Grundspiel «Fallout 4», sondern bietet erstmals ein Setting ausserhalb der USA. Anstelle von Nuka-Cola trinkst du Tee und erkundest heruntergekommene Gegenden in London. Die dafür notwendige «Fallout 4: Game of the Year Edition» für PC besitze ich zum Glück schon.
«Fallout: London» ist am 25. Juli 2024 erschienen und damit wenige Monate nach dem Ende der TV-Serie. Auf den ersten Blick wirkt das Erscheinungsdatum fast perfekt, doch dahinter stecken diverse Verschiebungen.
Nach der ersten Ankündigung im Jahr 2019 sollte «Fallout: London» im Jahr 2023 erscheinen. Der Mod wurde dann auf den April 2024 geschoben, was noch besser zur Serie gepasst hätte. Doch dann brachte das offizielle Next-Gen-Update von Bethesda diesen Plan durcheinander. Dieses stellte Team Folon – die Macher hinter dem Mod – vor viele Probleme. Probleme, die auch ich zu spüren bekomme: Damit ich «Fallout: London» auf Steam spielen kann, muss ich meine Version downgraden. Wenn du «Fallout 4: Game of the Year Edition» auf GOG besitzt, dann gestaltet sich der Installationsprozess etwas einfacher.
Von bösen Wissenschaftlern und glitschigen Fischmenschen
Eine umständliche Installation später starte ich das Spiel und erfreue mich direkt an seinen grössten Stärken: Handlung und Atmosphäre. Böse Wissenschaftler wollen an mir herumexperimentieren, bis ein überraschender Angriff sie davon abhält. Die plötzliche Explosion und das daraus entstandene Chaos nutze ich, um vom Untergrundlabor zu fliehen. Das ist eine Szene, die ich schon zuvor in vielen Horrorspielen wie «Dead Space 2» oder «Resident Evil 4» erlebt habe. Wunderbar. Sobald ich meine Freiheit erlange, finde ich heraus, dass Sebastian Gaunt und seine Fraktion, die Vagabunden, für die «Ablenkung» zuständig waren.
Bevor ich diesem Handlungsstrang folge und mehr über eine der sieben Fraktionen des Mods erfahre, möchte ich Antworten. Und zwar auf die Frage, wieso ich überhaupt im Untergrundlabor festgehalten wurde. Dafür gehe ich meiner einzigen anderen Spur nach, die mich erstmal in den Fluss Themse führt. Dort lerne ich das Themsenvolk kennen, meine bisher schönste Überraschung in «Fallout: London».
Das Themsenvolk ist ein Fischvolk, das es im «Fallout»-Universum so noch nicht gegeben hat. Als Fan der Erzählung «Schatten über Innsmouth» von H. P. Lovecraft bin ich von den sprechenden Fischmenschen direkt begeistert und möchte alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zu unterstützen. Meine Hilfe hat das friedliche Themsenvolk bitter nötig: Ich rette den Fährmann kurz vor seinem Tod, indem ich die Blutegel und Ratten in seiner Nähe bekämpfe. Als Belohnung für meine Bemühungen erfahre ich mehr über die Fischmenschen. Deren organische Einführung ins Spiel könnte von Bethesda selbst stammen.
Auch fernab der Handlung fühlt sich «Fallout: London» durch und durch britisch an. Die Nuka-Cola, die du sonst in allen «Fallout»-Spielen trinkst, war vor dem nuklearen Holocaust vor allem ein Phänomen in den USA. Deswegen zahle ich in «Fallout: London» nicht mit Kronkorken von Nuka-Cola-Flaschen, sondern mit U-Bahn-Tickets. Auch das weitläufige Ödland suchst du hier vergebens. Stattdessen gibt es überschaubare, eng besiedelte Gebiete sowie einen ausgeprägten Untergrund zu entdecken.
Die Einführung des neuen Gebietes ist Team Folon gut gelungen. «Fallout: London» ist der perfekte Ersatz für meinen geplatzten London-Urlaub dieses Jahr – minus der radioaktiv verseuchten Umgebung.
Dämpfer durch Schwierigkeitsgrad und fehlerhafter Technik
Während meiner Abenteuer in der Themse stolpere ich ständig in radioaktives Gewässer oder werde von hungrigen Ratten zu Tode geknabbert. Weiter verirre ich mich regelmässig, weil ich eine Türe übersehe oder das Leveldesign mich schlicht und einfach verwirrt. Ich sehe den Ladescreen nach meinem Tod häufig – zu häufig. Was dazu führt, dass mir mit fortschreitender Spieldauer des Mods verleidet.
Im Vergleich zu «Fallout 4» ist mir die britische Variante insgesamt zu schwer. In Bethesdas Spiel hatte ich weniger Probleme mit der Radioaktivität oder dem Kampfsystem. In «Fallout: London» vergiftet mich die ganze Umgebung, während meine Pistolenschüsse meinen Gegnern kaum Schaden zufügen. Der Nahkampf sei sowieso besser, was für mich ungewohnt ist. Ansonsten bleibt das Gameplay wie bei «Fallout 4». Vielleicht gehst du in dieser Hardcore-Erfahrung voll auf, mich hat sie abgeschreckt.
Das zweite Problem liegt in der Technik. Die langen Ladezeiten bringen mich zurück in eine Gaming-Ära, die ich nicht vermisse. Ich könnte heutzutage «The Elder Scrolls V: Skyrim» nicht mehr auf der PS3 spielen. Die Ladezeiten machen sich übrigens nicht nur während dem Ladebildschirm bemerkbar, sondern auch bei Dialogen oder Radionachrichten. So wird zum Beispiel die Sirene im Hintergrund eines Warnsignals regelmässig unterbrochen, weil der nächste Teil der Nachricht lädt.
Wenn ich die langen Ladezeiten mit der Anfälligkeit des Mods für Bugs und Abstürze verbinde, dann fühle ich mich an den Release von «Cyberpunk 2077» für die PS4 zurückerinnert. Weil ich durch die Abstürze, aber auch durch den hohen Schwierigkeitsgrad den Ladebildschirm zu oft anstarren muss, werde ich zuerst einige Patches abwarten, bevor ich weiterspiele.
Fazit: Spannender Mod, den ich aber nicht uneingeschränkt empfehlen kann
Auch wenn ich «Fallout: London» vorerst auf die Seite lege, rate ich dir nicht unbedingt von dem Mod ab. Wenn du mehr Erfahrung mit der Spielereihe hast und dich nicht so fest reinfuchsen musst wie ich, dann könnte die Herausforderung dir wie anderen Fans der Reihe ganz gelegen kommen. Aber auch wenn du dich gerne in komplexe Spielsysteme einarbeitest oder eine Open World erkunden willst, ohne an die Hand genommen zu werden, könntest du Spass mit «Fallout: London» haben.
Die spannende und atmosphärische Spielewelt haben es mir äusserst angetan. «Fallout: London» bringt damit frischen Wind in die Reihe, ohne sich zu sehr von deren (Atom-)Kern zu entfernen.
Hinter «Fallout: London» steckt mit Team Folon eine Gruppe von Personen, die aufgrund ihrer Liebe für die «Fallout»-Reihe eine unvergessliche Erfahrung erschaffen wollten. Das haben sie trotz einiger Stolpersteine auch geschafft. Der Umfang von «Fallout: London» ist enorm. In das Projekt ist eine Menge Freiwilligenarbeit und Liebe geflossen, die an jeder Ecke und Kante spürbar ist. Auch wenn ich mir an diesen aktuell noch die Zehen stosse, schmälert das die beachtenswerte Arbeit keinesfalls. Dafür – und dass «Fallout: London» komplett kostenlos verfügbar ist – verdienen alle Beteiligten riesigen Respekt.
Titelbild: Team Folon / YouTube
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.