Für Drachenzähmer: Intel NUC 12 Extreme im Test
Intel wagt mit dem NUC 12 Extreme den Schritt vom Notebook- zum Desktop-Prozessor. Der Kleinst-PC überzeugt im Test als modulares Gaming-System. Aber wer sich das Teil kaufen soll, ist nicht klar.
Der Codename «Dragon Canyon» ist beim NUC 12 Extreme Programm: Die Next Unit of Computing – kurz NUC – ist performancemässig tatsächlich ein kleiner Drache. Glücklicherweise speit der Kleinst-PC im Test kein Feuer – zumindest wenn er innerhalb seiner thermischen Design-Leistung von 65 Watt arbeitet. Durch seine für NUC-Verhältnisse stattliche Grösse ist er ein guter, modularer Gaming-PC, der aber zu niemandem so richtig passen will.
Ein NUC, der kein NUC mehr sein will
Intel entwickelt die «Extreme»-Version des NUCs immer mehr zum leistungsfähigen Mini-PC. Angefangen mit dem NUC 9 Extreme, der eine kleine Grafikkarte aufnehmen konnte, über den NUC 11 Extreme, der Platz für grössere Grafikkarten hatte, bis hin zum jetzigen NUC 12, der einen Desktop- statt Notebook-Prozessor verbaut hat.
Einhergehend mit dieser Entwicklung ist auch, dass sich die Extreme-NUCs immer mehr von ihren kleinen Verwandten entfremden. Beim Vorgänger NUC 11 Extreme habe ich mich gefragt, ob er überhaupt noch ein NUC ist.
Einen Blick ins Innenleben des NUCs bekommst du in obigem Artikel übrigens auch. Da das acht Liter fassende Gehäuse des NUC 12 Extrem identisch mit dem NUC 11 Extreme ist, gehe ich an dieser Stelle nicht weiter darauf ein.
Das Herzstück des NUC 12 Extreme ist das Compute-Element. Hier befindet sich das Sockel-LGA-1700-Mainboard. Der neue Sockel nimmt mehr Platz ein als jener des Notebook-Prozessors des Vorgängers. Deshalb hat der NUC 12 Extreme einen M.2-Steckplatz weniger als der NUC 11 Extreme.
Als Prozessor ist entweder ein i9-12900 oder i7-12700 verbaut. Der i9 hat acht Performance- und acht Efficiency-Kerne. Beim hybriden Prozessoren-Design sind die Performance-Kerne bei rechenintensiven Aufgaben wie Gaming aktiv. Die Efficiency-Kerne kommen bei weniger intensiven Aufgaben wie Textverarbeitung oder Browsen zum Einsatz. Der i7 hat acht Performance- und vier Efficiency-Kerne verbaut. Mein Testsample kommt mit i9-12900.
Im Gegensatz zu den «echten» Desktop-Mainboards, setzt Intel beim NUC 12 Extreme auf DDR4- statt DDR5-Support. Eine gute Entscheidung, denn DDR5-RAM ist nach wie vor kaum aufzutreiben und teuer. Mein Testsample hat 16 GB RAM verbaut.
Die Grafikkarte darf maximal 30,5 Zentimeter lang und zwei Slots dick sein sowie maximal 350 Watt Leistung ziehen. Das reicht für eine RTX 3080 Ti. In meinem Testsample steckt eine GeForce RTX 3060 Ti.
Hier die Spezifikationen meines Samples:
CPU | Intel Core i9-12900 |
Grafikkarte | Nvidia GeForce RTX 3060 Ti |
Arbeitsspeicher | Crucial 16 Go de RAM DDR4-3200 |
Massenspeicher | Samsung 980 Pro 1 TB SSD |
Interne Anschlüsse | 1 x PCIe x16 Gen5
3 x M.2 2280 PCIe x4 Gen4 1 x Intel WiFi 6E und Bluetooth 5.2 |
Externe Anschlüsse | 2 x Thunderbolt 4 Typ C
7 x USB 3.2 Gen2 Typ A 1 x USB 3.2 Gen2 Typ C 1 x 2,5 Gigabit-LAN 1 x 10 Gigabit-LAN 1 x SDXC-Kartenleser 1 x 3,5-Kopfhöreranschluss |
Grösse | 35,7 x 18,9 x 12 Zentimeter |
Netzteil | 650 Watt |
Die Sache mit der Leistung
Ein i9-12900 in einem kleinen System wie dem NUC 12 Extreme klingt gut. Jedoch benötigt ein Prozessor mit über 200 Watt Leistung eine ordentliche Kühlung. Meine Tests mit den neuen Intel-Stock-Kühlern haben gezeigt, dass sie zu schwach sind, um 200 Watt Leistung und mehr abzuführen. Die Kühlung im NUC 12 Extreme ist noch kleiner. Deshalb beschränke ich für das Review die Leistung, die der i9 ziehen darf, im BIOS auf 65 Watt. Sonst würde der NUC 12 Extreme wirklich Feuer spucken.
65 Watt ist die sogenannte Processor Base Power. Der 12900 kann aber bis zu 202 Watt ziehen. An sich toll – vor allem für Systeme, die eine solche Hitzeleistung abführen können. Lässt du den Prozessor die Turbo Power ziehen, gerät er ans thermische Limit und drosselt die Taktfrequenz. Der NUC 12 Extreme fühlt sich deshalb bei 65 Watt wohler.
Die Tests
Da mir ein vergleichbares Testgerät fehlt, ist es schwierig, die Leistung des Dragon Canyon einzuordnen. Das Vorgängermodell NUC 11 Extreme war defekt, weshalb ich keine Ergebnisse davon habe. Ich werde deshalb die CPU-spezifischen Ergebnisse mit jenen des Reviews des i9-12900K vergleichen. So weisst du auch gleich, was für Einbussen beim Beschränken der Leistung der CPU auf 65 Watt entstehen.
Lautstärke und Temperaturen
Um mir ein Bild der Lautstärke sowie Temperaturen im Leerlauf sowie unter Last zu machen, unterziehe ich die verbauten Komponenten im Gehäuse den Stresstests von AIDA64 – für die CPU – und FurMark – für die GPU. Ich lasse sie 20 Minuten laufen. Dabei messe ich mit HWiNFO64 die Temperaturen von CPU und GPU. Die Lüfterkontrolle lasse ich im BIOS auf Standard.
Im Leerlauf messe ich 35 dB aus 30 Zentimetern Entfernung vor dem Gehäuse. Das ist angenehm leise. Unter Last hingegen röhrt der NUC 12 Extreme mit 46,5 dB. Das empfinde ich beim Arbeiten oder Gamen als störend.
Immerhin kann die CPU während der gesamten Testdauer genügend gekühlt werden. Der i9-12900 wird maximal 83 Grad Celsius warm. Er taktet dabei mit durchschnittlich 3,2 GHz auf den Performance-Kernen und 2,7 GHz auf den Effizienz-Kernen.
Die GPU bleibt mit maximal 69 Grad Celsius relativ kühl. Gemessen an der Grösse des Gehäuses und den engen Platzverhältnissen darin, ist das ein respektables Ergebnis.
Cinebench R20 und R23
Cinebench R20 und R23 testen, wie sich eine CPU beim Rendern von 3D-Modellen schlägt.
Im Benchmark erreicht der i9-12900 im NUC 12 Extreme einen Single Core Score von 705 und einen Multi Core Score von 7228. Zum Vergleich: Der i9-12900K hat im Review 745 im Single Core und 10 247 im Multi Core erreicht. Im Single Core ist der Unterschied mit 5,5 nicht so gross. Im Multi Core macht er sich aber mit rund 30 Prozent deutlich sichtbar. Hier zeigt sich, was die Begrenzung auf 65 Watt ausmacht.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Cinebench R23. Im Single Core liegen die beiden CPUs mit 8 Prozent Unterschied ähnlich nahe beieinander. Beim Multi Core ist der Unterschied mit rund 35 deutlich grösser.
CPU-Z
Der Benchmark von CPU-Z testet die Geschwindigkeit im Single Core und Multi Core einer CPU und erstellt daraus einen Score.
Erneut schlägt der i9-12900K den i9-12900. Der Unterschied ist jedoch nicht so deutlich wie bei Cinebench und beträgt im Multi Core nur 7,5 Prozent. Der CPU-Z-Benchmark ist deutlich kürzer als die Benchmarks von Cinebench. Hier dürfte sich die Dauer auf das Ergebnis auswirken, respektive die Beschränkung auf 65 Watt auf kurzen Zeitraum keinen grossen Unterschied machen.
Blender Benchmark
Der Blender Benchmark rendert in der Version ab 3.0 drei Szenen und errechnet daraus drei Scores. Ich rechne diese jeweils zu einem Endscore zusammen. In diesem Test zeigt sich erneut, dass der 12900 durch die Beschränkung auf 65 Watt deutlich gegenüber dem 12900K einbüsst. Der 12900 erreicht 197 Punkte, der 12900K 363.
Handbrake
Im Handbrake-Test encodiere ich den 88 Sekunden langen, in H.264 komprimierten 4K Trailer von «The Dark Knight Rises». Dazu wähle ich die «Fast 1080p30»-Voreinstellungen.
Hier ist der Unterschied zwischen den beiden Prozessoren noch grösser: 52 Sekunden braucht der 12900 für die Aufgabe. Der 12900K hat nur 33 Sekunden gebraucht. Damit ist der 12900 etwa gleich schnell wie der 11900K, der 50 Sekunden für die Aufgabe benötigte.
Photoshop Benchmark
Beim Photoshop Benchmark von Puget Systems werden verschiedene Workloads durchgeführt. Genauere Infos findest du hier. Am Schluss berechnet der Benchmark einen Score, der sich an einer Referenz-Workstation orientiert.
Hier kann ich die Ergebnisse nicht mit meinem Review des i9-12900K vergleichen. Der Benchmark ist auch von der Grafikkarte abhängig und dort habe ich eine RTX 2080 Super verwendet. Ich habe aber in der Datenbank von Puget Systems ein Ergebnis eines i9-12900K mit RTX 3060 Ti gefunden. Das Ergebnis zeigt: Auch in Photoshop mag der i9-12900 im NUC 12 Extreme nicht mit dem i9-12900K in einem vollwertigen Desktop mithalten. Der 12900K liefert 17,5 Prozent mehr Punkte.
PCMark 10
Der PCMark 10 Benchmark testet diverse Szenarien wie die Ladezeit von Apps, Effizienz bei Tabellenkalkulationen, Browsen oder auch Foto- und Videobearbeitung. Er sagt also aus, wie gut sich ein Prozessor für Office-Arbeiten eignet. Daraus berechnet er einen Score.
Bei diesem Benchmark kann ich die Ergebnisse aus denselben Gründen wie beim Photoshop Benchmark nicht mit meinen eigenen Daten vergleichen. Ein Blick in die Datenbank von 3DMark, dem Entwickler von PCMark 10, zeigt, dass der NUC 12 Extreme hier nicht schlecht abschneidet. Bis auf die zwei Top-Ergebnisse kann der i9-12900 im NUC mithalten (Stand: 14. März 2021). Im Schnitt liegen die vergleichbaren Systeme bei 8269 Punkten im Vergleich zu 8184.
Game Benchmarks
Bei den Games kann ich leider keine von mir gemachten Ergebnisse hinzuziehen. Mir geht es wie vielen von euch: Die letzten zwei Jahre konnte ich keine Grafikkarten zum Testen ergattern. Ich ziehe deshalb Ergebnisse hinzu, die ich online bei GPU Check gefunden habe. Da ich nicht genau weiss, wie gut die Systeme dort laufen, solltest du die Vergleiche mit Vorsicht geniessen. Ich liefere dir die Werte in durchschnittlichen Frames per Second (FPS) .
Es zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den anderen Anwendungen: Der i9-12900 auf 65 Watt beschränkt ist langsamer als der i9-12900K ohne Leistungsbeschränkung. Interessanterweise ist der Unterschied bei höherer Auflösung grösser, als bei niedriger. Im Normalfall ist das umgekehrt, weil bei höherer Auflösung die Grafikkarte mehr Rechenleistung übernimmt. Wieso das so ist, kann ich mir nicht erklären. Ich vermute, dass es mit den Ergebnissen von GPU Check zusammenhängt. Ich weiss schlicht nicht, unter welchen Bedingungen die zustande gekommen sind.
Dennoch lässt sich sagen: In der Auflösungskomfortzone einer RTX 3060 Ti zwischen 1080p sowie 1440p lässt sich mit dem NUC 12 Extreme ordentlich gamen. Die Frameraten liegen meist über 60 Bildern pro Sekunde.
Fazit: Wer soll das Teil kaufen?
Die CPU des NUC 12 Extreme solltest du unbedingt auf 65 Watt beschränken, sonst läuft sie zu heiss. Ist sie erstmal beschränkt, ist der Dragon Canyon NUC eine fähige Gaming-Maschine, die auch in anderen Anwendungen ordentlich Performance liefert.
Im Vergleich zu einem nicht leistungsbeschränkten i9-12900K liegt der i9-12900 jedoch deutlich hinten. Das reicht je nach Anwendung von 5,5 bis knapp 60 Prozent weniger Performance. Auf dem Papier ein grosser Unterschied, je nach Anwendungsgebiet fällt der Unterschied jedoch unterschiedlich stark aus.
Der NUC 12 Extreme ist an sich ein spannendes Gerät. Aber ich kann mir wie beim NUC 11 Extreme noch keine klare Zielgruppe zusammenreimen. Magst du den kleinen Formfaktor, bist du mit einem Mini-ITX-PC besser bedient – auch wenn die etwas grösser sind. Hinzu kommt, dass der Dragon Canyon auch noch verdammt viel kostet: Mein Testsample schlägt mit 1433 Franken (Stand: 24. März 2022) – ohne RAM, SSD und Grafikkarte – zu Buche. Für so viel Geld stellst du dir einen vergleichbaren Mini-ITX-PC zusammen – inklusive RAM und SSD.
Der NUC 12 Extreme ist deshalb wohl nur etwas für Drachenzähmer, eine Art Mensch, die es gar nicht gibt.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.