Huawei Pura 70 Ultra im Test: 1-Zoll-Sensor und ausfahrbare Linse
Die 1-Zoll-Hauptkamera mit ausfahrbarem Objektiv des Huawei Pura 70 Ultra muss schon sehr gut sein, um den hohen Preis angesichts von fehlendem 5G und Google-Diensten zu rechtfertigen.
Huawei hat keinen Zugriff auf Google-Dienste und 5G-Technologie. Deswegen muss der Hersteller mit anderen Dingen punkten. Beim Pura 70 Ultra sollen dies der 1-Zoll-Sensor, eine ausfahrbare Linse und eine verstellbare Blende sein. Das größte Problem des Smartphones ist allerdings sein hoher Preis, der es nicht erlaubt, über den einen oder anderen Makel hinwegzusehen.
Auffällige Rückseite und schönes Display
Die Rückseite des Pura 70 Ultra ist auffällig. Das liegt an der ungewöhnlichen Form des Kamerabuckels und dem gemusterten Kunst veganen Leder. Sie fühlt sich angenehm an und ist schön griffig. Das gesamte Smartphone ist nach IP68 wasserdicht. Es hat in Tests also 30 Minuten in 1,5 Meter Wassertiefe unbeschadet überstanden.
Auf der Vorderseite schaue ich auf ein 6,8 Zoll großes OLED-Display. Seine Auflösung von 2488 × 1260 Pixeln (460 ppi) sorgt für ein gestochen scharfes Bild. Die Farbwiedergabe wirkt natürlich und die Bildwiederholrate passt sich je nach angezeigtem Inhalt zwischen 1 und 120 Hertz an. So bleibt die Darstellung flüssig, verbraucht aber bei statischen Inhalten nicht unnötig Strom.
Gute Kamera bei Tag, schlechte Kamera bei Nacht
Das Prunkstück des Huawei Pura 70 Ultra ist seine 50-Megapixel-Hauptkamera mit einem 1-Zoll-CMOS-Sensor. Im Pro-Modus kann ich die Blende zwischen f/1.6 und f/4.0 selber einstellen. Dazu kommen eine 40-Megapixel-Ultraweitwinkelkamera, eine 50-Megapixel-Telekamera mit 3,5-fach optischem Zoom sowie eine 13-Megapixel-Frontkamera für Selfies.
Huawei nutzt für alle drei Kameras auf der Rückseite «Pixel Binning». Dabei werden mehrere nebeneinander liegende Pixel zu einem zusammengefasst. Dadurch soll sich die Lichtempfindlichkeit erhöhen und die Bildqualität verbessern. Nebeneffekt: Die Bilder haben am Ende eine geringere Auflösung – also zum Beispiel 12,5 statt 50 Megapixel – und die Dateien sind kleiner.
Hauptkamera
Die Blende der Hauptkamera lässt sich nur im Pro-Modus manuell einstellen. In allen anderen Aufnahmemodi wählt die Kamera sie automatisch aus. Über einen Schieberegler wähle ich zwischen den insgesamt neun Blendenstufen aus. Damit lässt sich vor allem die Unschärfe des Hintergrunds beeinflussen – und bei Dunkelheit auch die Lichtempfindlichkeit.
Trotz der neun Blendenstufen ist der optische Unterschied zwischen f/1.4 und f/4 gering. Aber das ist bisher das Maximum bei Smartphones und außer Huawei – bereits das Mate 50 Pro hatte eine physische Blende mit den gleichen Werten – setzt kaum ein Hersteller darauf.
Tagsüber gefallen mir die Aufnahmen der Hauptkamera wirklich gut. Sie haben eine sehr hohe Detailgenauigkeit und eine natürliche Farbwiedergabe. Mit starken Kontrasten kommt die Kamera problemlos zurecht.
Wird es dunkel, bin ich weniger zufrieden mit der Hauptkamera. Auf dem Display des Pura 70 Ultra sehen die Aufnahmen zwar noch gut aus. Schaue ich sie mir auf meinem 27-Zoll-Monitor an, lässt die Detailgenauigkeit zu wünschen übrig. Da bieten unter anderem Google und Samsung mit ihren Top-Smartphones mehr.
Über die Farbwiedergabe lässt sich streiten. Ist es gut, dass das Pura 70 Ultra die Färbung der Straßenlaternen übernimmt oder sollte es lieber dagegen arbeiten?
Ultraweitwinkelkamera
Bei Tageslicht bin ich mit der Ultraweitwinkelkamera ebenfalls zufrieden. Detailgenauigkeit und Farbwiedergabe sind gut, Verzerrungen treten nur in den Ecken auf.
Hier erweist sich ebenfalls die Dunkelheit als Problem – wiederum weniger auf dem Smartphone als anschließend auf einem größeren Bildschirm. Der Nachtmodus gleicht die Unschärfe in der Bildmitte etwas aus, an den Rändern bleibt sie aber deutlich erkennbar bestehen.
Telekamera
Die Telekamera holt Motive in guter Qualität näher heran. Der 3,5-fache Zoom ist dabei sehr hilfreich. Weitere Vergrößerungen sind digital möglich und bis zu etwa einem zehnfachen Zoom vorzeigbar.
Bei Dunkelheit setzt sich der allgemeine Trend des Pura 70 Ultra fort. Auf dem Smartphone selber sehen die Fotos gut aus, in Groß weniger. Die Telekamera liefert – unabhängig von Automatik oder Nachtmodus – bessere Bilder bei schlechten Lichtverhältnissen als die Ultraweitwinkelkamera.
Frontkamera
Die Selfies gefallen mir dank natürlicher Farbwiedergabe und hoher Detailgenauigkeit. Starke Kontraste gleicht die Frontkamera gut aus und bekommt im Porträtmodus eine angenehme Unschärfe hin. Auf dem Smartphone sehen sie gut aus, schaue ich sie mir auf dem PC-Bildschirm an, fallen unscharfe Bereiche vor allem dort auf, wo viele Details sind – etwa bei meinem Bart.
Auch bei den Selfies lässt die Aufnahmequalität bei Dunkelheit zu wünschen übrig. Hier kann Huawei gerne seinen kompletten Algorithmus für die Bildverarbeitung überarbeiten.
Gute CPU, schwache GPU
Angesichts des US-Boykotts hat Huawei die Entwicklung eigener Chipsätze wieder intensiviert. So stammt auch der Kirin 9010 im Pura 70 Ultra aus eigener Produktion. Größter Nachteil: Er hat kein 5G-Modem, sondern funkt nur per 4G. Das wird alle, die noch keinen 5G-Vertrag haben, wenig stören, ist aber nicht besonders vorausschauend. Vor allem, da andere Hersteller inzwischen selbst bei Einsteiger-Smartphones 5G anbieten.
Dem Kirin 9010 stehen 16 Gigabyte Arbeitsspeicher zur Seite. Damit erweist sich das Pura 70 Ultra als alltagstauglich. Die Animationen laufen flüssig, Apps starten zügig und Fotos verarbeitet es schnell. In Benchmark-Tests kommt es allerdings nicht an Top-Chipsätze heran und wird vor allem, wenn es um die Grafik geht, sogar von Mittelklasse-Chips abgehängt. Einzig beim reinen CPU-Test bleibt der Chip auf Augenhöhe.
Fehlende Google-Dienste können nerven, lassen sich aber nachrüsten
Huawei darf weiterhin keine Google-Dienste nutzen. Dieses Manko hat der Hersteller inzwischen zwar gut ausgebügelt – aber immer noch nicht komplett. So basiert das Betriebssystem des Pura 70 Ultra names EMUI 14.2 auf der quelloffenen Version von Android. Der eigene App Store «AppGallery» ist gut gefüllt und auch aus anderen Quellen lassen sich Apps installieren. Einige wichtige Dienste, wie Petal Maps, hat Huawei zudem selber nachgebaut. Aktuell gibt es immer noch vereinzelte, aber sehr wichtige Apps, die fehlen. SpielerPlus würde ich mir zum Beispiel auch noch aus anderen Quellen installieren, bei der App meiner Bank, bin ich da aber sehr zurückhaltend.
Falls dir das Pura 70 Ultra oder ein anderes Gerät von Huawei insgesamt zusagt und nur die fehlenden Google-Dienste dich davon abhalten: Es ist gar nicht so viel Aufwand, sie nachträglich auf die Geräte zu installieren, wie meine Kollegin Michelle zuletzt noch einmal ausprobiert hat.
Lange Akkulaufzeit
Der Akku des Pura 70 Ultra ist mit 5200 mAh etwas größer als der Durchschnitt. Im Akkutest von PCMark Work 3.0 erreicht es bei voller Displayhelligkeit eine sehr lange Laufzeit. Mit 10:57 Stunden liegt es mit dem Galaxy S24 Ultra gleichauf. Die ebenfalls zum Vergleich herangezogenen Xiaomi 14T und Motorola Edge 50 Pro übertrifft es um fast zwei Stunden.
Mit dem mitgelieferten Netzteil und Huaweis Schnellladetechnologie «SuperCharge» nimmt das Pura 70 Ultra beim Laden bis zu 100 Watt entgegen. Damit dauert es keine halbe Stunde, die leere Batterie des Smartphones vollständig zu laden. Kabellos dauert es nur etwas länger. Mit dem passenden SuperCharge-Ladegerät nimmt es bis zu 80 Watt entgegen – das ist mehr als viele Smartphones per Kabel beziehen können.
Fazit
Viel zu teuer
Die Vor- und Nachteile des Huawei Pura 70 Ultra kann ich noch gegeneinander aufwiegen. Auf der positiven Seite stehen das hervorragende Display, die lange Akkulaufzeit und schnelles Laden sowie die Kamera bei Tageslicht. Der Chipsatz bietet zwar genug Power für die Nutzung im Alltag, zeigt aber schwächen bei der Grafikberechnung und bietet nur 4G. Zusätzlich zeigt das Kamerasystem große Schwächen bei Dunkelheit. Die fehlenden Google-Dienste hat Huawei inzwischen zum Großteil gut kaschiert und ein eigenes Ökosystem aufgebaut.
Wer sich von den Nachteilen bei der Hardware nicht abschrecken lässt, dürfte angesichts des hohen Preises des des Huawei Pura 70 Ultra ins Stocken kommen. Für den Betrag jenseits der 1000 Euro und Franken bekommt man von anderen Herstellern Top-Smartphones mit weniger Nachteilen.
Pro
- Lange Akkulaufzeit
- Kamera bei Tageslicht
- hervorragendes Display
Contra
- nur 4G (kein 5G)
- Kamera bei Nacht
- Chipsatz bei Grafik schwächer als die Konkurrenz
Huawei Pura 70 Ultra
512 GB, Green, 6.80", Dual SIM, 50 Mpx, 4G
Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus.