King Arthur Knight's Tale im Test: Starker Taktik-RPG-Geheimtipp auf Steam
Im kürzlich aus dem Early Access geschlüpften Taktik-RPG King Arthur: Knight's Tale spielen wir nicht etwa den königlichen Titelhelden, sondern dessen erbitterten Erzfeind Mordred. Obwohl der eigentlich im Kampf mit Artus gefallen ist, wandelt er plötzlich wieder unter den Lebenden. Als neuer Chef von Camelot bilden wir unsere eigene Tafelrunde aus Helden und Schurken des Artus-Mythos und gehen dem Zweck unserer Wiedergeburt auf den Grund.
Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Redakteur Christian Fussy.
King Arthur: Knight's Tale ist ein RPG mit rundenbasierten Kämpfen, dessen Geschichte die Artussage nach dem Tod der Hauptfigur weiterspinnt. Wir übernehmen die Rolle von Mordred, eines dunklen Ritters, der Artus im Kampf getötet hat, dabei aber auch sein eigenes Leben lassen musste. Aus nebulösen Gründen werden wir von der Herrin der See zurück ins Leben geholt und mit der Aufgabe betraut, die Ritter der Tafelrunde erneut zu vereinen. Als neuer Herr von Burg Camelot scharen wir also eine Heldentruppe um uns und versuchen herauszufinden, was es mit unserer plötzlichen Wiedergeburt auf sich hat. Die Lande von Avalon werden derweil von Untoten und anderen mystischen Kreaturen heimgesucht, unter denen sich auch alte Begleiter und Widersacher Mordreds befinden.
Nach dem Tutorial übernehmen wir die Kontrolle über die legendäre Feste und können unsere Ritterschaft auf Missionen schicken. Zu Beginn ist diese mit Mordred und dem in den Anfangsminuten befreiten Sir Kay recht überschaubar, im Laufe des Spiels werden es jedoch insgesamt 30 Heldinnen und Helden, die ihr für eure Sache gewinnen könnt. Davon können maximal zwölf gleichzeitig an unserer Tafelrunde Platz nehmen. Ist die Kapazität erschöpft, könnt ihr Helden jederzeit aus euren Diensten entlassen. Die Zusammenstellung einer schlagkräftigen und diversen Gruppe ist eines der Kernelemente des Spiels und die vielen möglichen Kombinationen erhöhen den Wiederspielwert.
Unsere Entscheidungen: Mehr Moral-Management als Rollenspiel
Welche Gefolgsleute sich uns anschließen möchten und wer uns treu ergeben ist, entscheidet sich auch an unserer moralischen Ausrichtung. Diese wird beeinflusst von den Entscheidungen, die wir während der Geschichte und als Herrscher an unserem Hof treffen.
Wer nach dem alten Credo der Tafelrunde handelt, gilt als rechtschaffen, gegen geltende Moralvorstellungen zu verstoßen, bringt uns hingegen den Ruf eines Tyrannen ein. Oft gibt es zwar auch einen Mittelweg, wer neutral bleibt, muss aber später auf Boni verzichten, die für einen hohen Wert erhalten werden können. Punkte in Tyrannei und Rechtschaffenheit canceln sich nämlich gegenseitig.
Haben wir genügend Punkte in einer Ausrichtung gesammelt, können wir neue Optionen für den Artushof und weitere Begleiter mit den gleichen Überzeugungen freischalten, darunter mächtige Krieger wie Lancelot und den gefürchteten Schwarzen Ritter.
Die zweite Achse, auf der sich unsere Moral verschiebt, ist die Religion. So sind die Figuren nicht nur in die Kategorien neutral, tyrannisch und rechtschaffen unterteilt, sondern zusätzlich in neutral, christlich und heidnisch.
Charaktere, die sich den alten Göttern zugehörig fühlen, werden eure Entscheidung unterstützen, Avalons Schreine und magische Orte wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Christliche Helden hingegen begrüßen es, wenn ihr euch Ordensbrüdern gegenüber freundlich verhaltet und andere Religionen als Ketzerei verteufelt.
Auch hier erhalten wir Boni und Zugriff auf neue Mitstreiter, wenn wir eine Denkweise der anderen vorziehen. Christliche Anführer werden besonders von Gralsrittern verehrt, ein heidnischer Mordred sichert sich hingegen die Loyalität von alten Wesen und Zauberkundigen wie Hexe Morgana le Faye. Auf die Entwicklung der Story wirkt sich die Moral nicht aus.
Die Entscheidungen sind also weniger Rollenspielelement als vielmehr ein Teil des Ressourcenmanagements. Loyale Begleiter erhalten Boni auf diverse Kampfwerte, Zweifler das Gegenteil.
Viel weiter als Zustimmung oder Ablehnung geht die Charakterisierung der Figuren auch nicht. Zwar werden die diversen Mitstreiter meist mit einer persönlichen Mission eingeführt, die Informationen über ihren Hintergrund enthüllen, das war es dann aber auch schon. King Arthur: Knights Tale ist deutlich näher dran an einem Strategiespiel wie XCOM als an einem wahren Taktik-RPG-Hybriden wie Fire Emblem.
Das Kampfsystem: Raffinierte Rundentaktik
Wir können jeweils vier Helden auf eine Mission mitnehmen. Normalerweise erkunden wir dort erst einmal die Landschaft, manche Quests beginnen jedoch auch mit einem Kampf. Außerhalb der Gefechte können wir uns frei auf den Missionskarten bewegen und dort Schätze oder NPCs finden, die uns Nebenaufgaben stellen. Außerdem legen wir fest, welche Kampfformation unsere Heldengruppe einnehmen soll. Die Charaktere bewegen sich grundsätzlich in einer Einheit und können nur im Kampf separat gesteuert werden.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, in Gefechte verwickelt zu werden. Oft beginnen Kämpfe unmittelbar, nachdem wir ein bestimmtes Gebiet betreten oder einem NPC eine bestimmte Antwort geben. Manchmal bekommen wir aber auch die Möglichkeit, uns einen Positionsvorteil gegen unsere Feinde zu verschaffen. Eine rote Linie am Boden signalisiert, wo ein Kampfgebiet beginnt.
Haben wir vorher gut ausgekundschaftet, können wir unsere Heldentruppe entlang dieser Linie aufstellen und Gegner so von mehreren Seiten attackieren. Bei Gefechten, die durch Dialoge oder Zwischensequenzen eingeleitet werden, haben wir diese Option für gewöhnlich nicht. Unsere Truppe steht dann einfach geschlossen in der Formation, die wir vorher ausgewählt haben.
Die Kämpfe laufen rundenbasiert auf einem Grid-System ab. Wer schon einmal ein Taktikspiel gespielt hat, wird sich hier schnell Zuhause fühlen. Jede Handlung verbraucht Aktionspunkte, egal ob Bewegung, Fähigkeit oder Angriff. Mit der Overwatch-Option lauern wir Gegnern auf und schlagen zu, sobald sich diese in unseren Zielbereich bewegen. Attacken von hinten verursachen Bonusschaden, es gibt Statuseffekte wie vergiftet, brennend oder eingefroren. Je mehr Rüstung eine Figur trägt, desto mehr Angriffe erträgt sie, ohne Lebensenergie zu verlieren. Das System mag keinen Innovationspreis bekommen, funktioniert dafür aber einwandfrei. Ein paar Beispiele: Dadurch, dass die Befehle für Bewegung und Angriff auf verschiedenen Maustasten liegen, kam es eigentlich nie vor, dass wir aus Versehen dem Gegner in die Arme gelaufen sind.
Die UI ist übersichtlich und die farbliche Darstellung unserer taktischen Möglichkeiten hilfreich. Wir können sofort erkennen, ob eine Kachel ein guter Ausgangspunkt für einen Schuss mit dem Bogen wäre oder ein Objekt unsere Sicht behindert. Auch, welche Bewegungen einen Gelegenheitsangriff auslösen, ist immer klar ersichtlich. Und die Möglichkeit, den Zug des Gegners durch Drücken der Leertaste erheblich zu beschleunigen, sorgt dafür, dass kaum Wartezeit aufkommt.
Diese kleinen Designentscheidungen beugen Frust vor und zeigen, dass sich das Team von NeocoreGames die richtigen Gedanken gemacht hat. Die Kämpfe fühlen sich zudem schön dreckig und brutal an. Sound und Animationen arbeiten perfekt dabei zusammen. Jeder Pfeileinschlag, jeder Axthieb und jede Explosion ist wuchtig und verheerend.
Der Schwierigkeitsgrad der Schlachten lässt sich außerhalb von Missionen jederzeit anpassen und bietet ein gutes Spektrum an Herausforderung. Auf der «Story»-Stufe gibt es keinen Permadeath und die Kämpfe stellen keine großen Probleme dar. Bei den restlichen Schwierigkeitsgraden braucht es aber auf jeden Fall Taktik, um die eigene Truppe am Leben zu halten.
Jede Heldin und jeder Held spielt sich etwas anders. Nahkämpfer können andere Ausrüstung verwenden als Magier oder Bogenschützen. Außerdem gibt es bestimmte Klassenfähigkeiten und einzigartige Talente, in denen sich die Figuren voneinander unterscheiden.
It's a busy life in Camelot
Während der Missionen selbst können wir keine Ausrüstung oder Items wechseln und auch nicht aufleveln. Das alles geschieht nach getaner Arbeit auf der Weltkarte. Dort investieren wir dann auch die Belohnungen, die wir für abgeschlossene Aufgaben erhalten. Gold kann eingesetzt werden, um Figuren schneller von ihren Verletzungen zu heilen oder Items am Markt zu erwerben. Vorher müssen wir unsere Burg aber erst um die nötigen Gebäude und Einrichtungen erweitern. Das machen wir mit Gebäuderessourcen.
Um Camelot wieder von einer Ruine in eine ordentliche Feste zu verwandeln, müssen verschiedene Bereiche der Burg ausgebaut werden. Haben wir etwa eine Kathedrale errichtet, können wir Helden dorthin schicken, um ihre Verletzungen und Traumata zu heilen. Mit Baustoff und Gold verbessern wir unsere Gebäude weiter.
Zusätzlich können wir am Hof Titel an unsere Gefolgsleute vergeben. Jede Einrichtung kann von einem anderen Mitglied eurer Tafelrunde geleitet werden. Das steigert oft nicht nur deren Loyalität; wenn ein Kandidat besonders für ein bestimmtes Amt geeignet ist, verleiht uns das auch Boni auf bestimmte Gebäudefunktionen. Abhängig ist dies von den jeweiligen Charaktereigenschaften, von denen jede Figur eine kleine Liste besitzt.
Veteranen sind gute Ausbilder an eurem Übungsplatz, wer hingegen ein Talent für Finanzen hat, kann die Preise am Markt ein wenig drücken usw. Es gibt allerdings auch negative Eigenschaften, die ihr im Auge behalten solltet. Ein fauler Charakter weigert sich, mehrere Missionen hintereinander eingesetzt werden und verhasste Figuren werden bei Dienstleistungen wie Heilung stärker zur Kasse gebeten.
Verbitterte Ritter
Neben dem grundsoliden Gameplay ist hauptsächlich das Setting ein klares Highlight von King Arthur: Knights Tale. Die Geschichte zeitlich nach der Artussage spielen zu lassen und dann komplett auf den Kopf zu stülpen, ist eine faszinierende Idee.
Ähnlich wie in Hades, wo sich die Heldinnen und Helden der griechischen Mythologie in der Unterwelt wiedertreffen, nachdem alle Schlachten geschlagen wurden, liegen auch für die Ritter der Tafelrunde die besten Zeiten schon etwas zurück. Wo uns in dem Rogue-Lite größtenteils liebenswerte Halbgötter in sexy Posen über den Weg laufen, ist in King Arthur: Knights Tale fast jede Figur ein absoluter Bastard. Sogar die vermeintlich Guten.
Sir Bors, im Artus-Mythos ein Held, der sich dem Zölibat verschrieben hat, ist hier ein heuchlerischer Schwerenöter, Gawain ein paranoider Traditionalist und Sir Tristan ein wandelnder Kadaver.
Die Welt von Avalon ist nach der nur scheinbar finalen Auseinandersetzung zwischen Mordred und Artus komplett vor die Hunde gegangen. Auf den Missionen treffen wir häufig auf ehemals noble Recken, die nun nur noch ihren niedersten Impulsen folgen. Lediglich eine Handvoll Gefährten erweist sich nicht sofort als gebrochen, fanatisch oder geisteskrank.
Die Welt wirkt dem Dark-Fantasy-Genre entsprechend düster und hoffnungslos. Figuren- und Artdesign unterstützen diese Grundstimmung. Die wenigsten Charaktere sind unter ihren massiven Helmen überhaupt zu erkennen und die Landstriche, die wir durchstreifen, wirken dunkel, neblig, nass und kalt.
Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass man sich nach ein paar Spielstunden schon an den hässlichen Umgebungen sattgesehen hat. Dadurch, dass es im Spiel auch nur eine sehr überschaubare Anzahl an Gegnertypen gibt, fällt die Motivation schon nach ein paar Missionen hintereinander stark ab. Das berühmte
«nur noch eine Runde»-Gefühl ist wesentlich geringer als bei vergleichbaren Titeln.
Die Story des Spiels trübt ebenfalls das positive Gesamtbild. Die Motivation von Gegnern und Verbündeten ist entweder kaum nachvollziehbar, oder extrem generisch. Wir dürfen keine bedeutungsvollen Entscheidungen treffen und Beziehungen zwischen den Figuren entwickeln sich auch nicht. 08/15-Dialoge und das bestenfalls durchschnittliche Voice Acting tragen dann ihren Teil dazu bei, die Geschehnisse zusätzlich belanglos scheinen zu lassen.
Wir zumindest haben uns bei der Geschichte mental ziemlich schnell ausgecheckt. Immerhin motiviert das Begleitersammeln und Aufleveln von Burg und Gefährten auch ohne sich viel Gedanken um die Hintergründe zu machen.
Wir zumindest haben uns bei der Geschichte mental ziemlich schnell ausgecheckt. Immerhin motiviert das Begleitersammeln und Aufleveln von Burg und Gefährten auch ohne sich viel Gedanken um die Hintergründe zu machen.
Zum Taktik-Himmel fehlt nur noch ein Stück
Die größte Stärke von King Arthur Knight’s Tale ist das solide Gameplay-Fundament. Zwar könnten alle Spielsysteme noch mit einzigartigen Schnörkeln und Erweiterungen verbessert werden, im Grunde funktioniert aber alles schon so, wie es soll. Die Kämpfe bieten dank verstellbarem Schwierigkeitsgrad für fast Jeden die richtige Härte. Die Idee hinter der Spielwelt ist originell und der Ausbau unserer Feste und das Aufleveln der Truppe auch langfristig motivierend.Größeres Verbesserungspotenzial gibt es hingegen hinsichtlich des eintönigen Umgebungsdesigns und den ebenfalls wenig abwechslungsreichen Gegnertypen.
Ich persönlich finde es außerdem ein bisschen schade, dass der Rollenspiel-Aspekt etwas kurz kommt. Das ohnehin schon recht fade, binäre Moral- und Religionssystem hat keine wirkliche Auswirkung auf die Geschichte von Avalon oder darauf, wie sich Mordred als Charakter präsentiert. Überhaupt fühlen sich alle Entscheidungen, die sich nicht auf Ressourcen oder Begleiter beziehen, vollkommen belanglos an. Unterm Strich glaube ich trotzdem, dass wir es bei King Arthur: Knight’s Tale mit einem echten Rohdiamanten zu tun haben. Wenn NeocoreGames noch etwas weiter an dem Konzept schleift, könnte uns von dem Studio in Zukunft noch ein echter Taktik-RPG-Meilenstein bevorstehen.
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