Mythencheck: Landen Katzen wirklich immer auf den Pfoten?
Katzen überstehen jeden Sturz unversehrt, heisst es häufig. In diesem Mythencheck unterziehen wir die Behauptung einer Überprüfung – und lüften das Geheimnis von fallenden Katzen.
Was würdest du tun, wenn du mehrere Leben hättest? Würdest du dich als Free Runner versuchen oder Tom Cruises spektakulären Motorrad-Sprung über eine Klippe nachahmen?
Wer redensartlich sieben Leben hat, sind Katzen. Sie sind wahre Stunt-Künstler. Sicher hast du schon von Stubentigern gehört, die Stürze aus Hochhäusern überlebt haben. In Chicago etwa hat sich eine Katze vor einigen Jahren mit einem Sprung aus dem fünften Stock eines brennenden Gebäudes gerettet:
Da kann Tom Cruise nur staunen.
Doch wie schaffen Katzen es, immer auf den Füssen zu landen? Oder ist das nur ein Mythos?
Kätzische Superkräfte
Wie es sich für Actionhelden gehört, verfügen Katzen über eine besondere Superkraft: den Stellreflex. Sie können ihren Körper bei einem Sturz so ausrichten, dass sie mit den Beinen nach unten landen. Dieses Phänomen hat die Wissenschaft jahrzehntelang zum Verzweifeln gebracht. Denn nach den Gesetzen der Physik müsste sich ein rotierender Körper während des Fallens weiterdrehen, wenn keine andere Kraft auf ihn einwirkt. Nicht so bei der Katze. Sie kann die Drehung anhalten und sogar die Fallgeschwindigkeit reduzieren. Nur wie?
1894 wurde das grosse Rätsel gelöst. Da nahm der französische Wissenschaftler Étienne-Jules Marey Zeitlupenaufnahmen von fallenden Katzen auf. Dabei entdeckte er einen ganz spezifischen Drehablauf.
Fallen in fünf Schritten
Stürzt eine Katze, orientiert sie sich zuerst mithilfe ihres Vestibular-Organs im Innenohr. Es funktioniert wie eine Wasserwaage und signalisiert ihr, in welcher Position sie sich zum Boden befindet. Dann sieht der Ablauf wie folgt aus:
1. Vorderbeine anziehen
Die Katze zieht ihre Vorderbeine an. So beschleunigt sich die Drehung ihres Vorderkörpers. Ähnlich wie bei einem Eiskunstläufer, der eine Pirouette macht.
2. Drehung stoppen
Der Hinterkörper der Katze rotiert dank ihrer flexiblen Wirbelsäule gleichzeitig in die Gegenrichtung. Dadurch stoppt sie den Drehimpuls und stabilisiert sich in der Luft.
3. Hinterbeine anziehen
Sobald der Vorderkörper der Katze gegen unten ausgerichtet ist, zieht sie die Hinterbeine an. So schnellen diese ebenfalls in Richtung Boden.
4. Strecken und bremsen
Nun beugt die Katze den Rücken und streckt alle Beine von sich. Dadurch dehnt sich ihre Körpergrösse aus, der Luftwiderstand wird grösser. Die Folge: Die Fallgeschwindigkeit verringert sich. Ähnlich wie ein Flughörnchen segelt sie nach unten.
5. Landen
Mit ihren muskulösen Beinen federt die Katze wie ein Stossdämpfer ihren Aufprall ab.
Wenn's zur Bruchlandung kommt
Klingt verlässlich. Doch landen Katzen so tatsächlich immer auf den Füssen? Wie schön das auch wäre, die Antwort dieses Mythenchecks lautet: nein. Dafür gibt es folgende Gründe:
Die Höhe
Ob die Katze unversehrt bleibt, kann einerseits von der Fallhöhe abhängen. Eine Studie aus dem Jahr 1987 ergab, dass die meisten Verletzungen bis zu einer Höhe von etwa sieben Stockwerken passieren. Danach werde die Überlebenschance wieder grösser, da der Katze beim Fallen aus höheren Etagen mehr Zeit für eine lebensrettende Drehung bleibe, heisst es. Eine andere Studie aus dem Jahr 2004 hingegen hat leicht schwere Verletzungen ab dem siebten Stockwerk festgestellt. Die Wissenschaft ist sich also nicht einig.
Das Gewicht
Übergewichtige Katzen landen viel seltener auf ihren vier Pfoten. Denn die überschüssigen Kilos beeinträchtigen ihre Fähigkeit, sich in der Luft auszurichten. Beim Aufprall nützen auch die Fettpölsterchen wenig.
Der Schwanz
Katzen mit kurzen oder fehlenden Schwänzen sterben durch Stürze nicht zwingend. Aber sie sind stärker gefährdet, da sie in der Luft schlechter die Balance halten können und länger brauchen, um sich auszurichten. Je nach Höhe kann das verheerend sein.
Arztbesuch als Muss
Sollte deine Katze also einmal aus einer grossen Höhe fallen, dann nehme es nicht auf die zu leichte Schulter. Auch wenn du auf den ersten Blick nichts erkennst: Deine Katze kann innere Verletzungen davontragen. Bringe sie also sicherheitshalber immer zur Tierärztin oder zum Tierarzt.
Stattdessen gar nicht zu empfehlen: Der Katze ein geschmiertes Toastbrot auf den Rücken kleben. Einen Aufprall zu verhindern und endlos Strom zu erzeugen wird nicht funktionieren, auch wenn diese – nicht ganz ernst gemeinte – Werbung genau das suggeriert:
Ist deine Katze schon einmal aus grosser Fallhöhe gestürzt? Ist sie auf ihren Pfoten gelandet und hat sie es gut überstanden? Erzähle mir davon in einem Kommentar.
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.