Recht auf Reparatur: Neuer TÜV soll Reparierbarkeit von Waren prüfen
Hintergrund

Recht auf Reparatur: Neuer TÜV soll Reparierbarkeit von Waren prüfen

Kaputtes erneuern, statt neu kaufen – Verbrauchern aus der EU steht künftig ein Recht auf Reparatur zu. Herstellern bietet der TÜV Rheinland deshalb einen neuen Service an: Er kontrolliert, wie gut sich ihre Produkte wiederherstellen lassen.

Das Recht auf Reparatur kommt: Dabei handelt es sich um ein neues EU-Gesetz, das Kundinnen und Kunden einen Anspruch auf die Instandsetzung kaputt gegangener Waren einräumt – und zwar über die gesetzlich geregelte Gewährleistungspflicht der Produkte hinaus. Das haben nun das Europäische Parlament und der Rat beschlossen.

Heißt: Wer nach Ablauf der Gewährleistungsfrist einen Defekt feststellt, kann künftig vom Verkäufer verlangen, dass dieser behoben wird. Parallel zu diesem Beschluss haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf die neue Ökodesignverordnung für nachhaltige Produkte verständigt. Sie schreibt Herstellern für viele Verbraucherprodukte eine grundsätzliche Reparierbarkeit vor. Betroffen von diesen Neuerungen sind Gegenstände, die sich technisch in ihren Urzustand zurückbringen lassen, erläutert der belgische Ratspräsident und der Verhandlungsführer des Europaparlaments René Repasi. Das schließt große Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Alltagsprodukte wie Smartphones ein.

Ein Index soll die Reparierbarkeit nachweisen

Damit Unternehmen und Produzenten angeben können, wie gut sich ihr Sortiment wieder funktionstüchtig machen lässt, wurde nun ein neuer Service vom TÜV Rheinland ins Leben gerufen: Er bietet den Herstellern an, für die ihm vorliegenden Produkte einen Reparatur-Index zu ermitteln.

Auf meine Nachfrage, welchen Benefit Hersteller durch dieses Angebot haben, antwortet Stephan Scheuer, Head of Business Development and Product Sustainability vom TÜV Rheinland: «Damit bekommen die Hersteller schnell eine unabhängige, technische Aussage, wo sie mit der Reparierbarkeit im Design des Produktes stehen. Sie können sich damit frühzeitig auf die neuen zukünftigen Anforderungen einstellen und ihre Produkte – wo erforderlich – optimieren und die Reparierbarkeit verbessern.» Unerfahrene Hersteller können so auf die Ressourcen und das Know-how des TÜV zurückgreifen und zudem mit einer verifizierten Aussage zur Erneuerbarkeit werben.

Offenbar sind sich die Unternehmen dieses Vorteils bewusst: Laut des Nachhaltigkeitsexperten sei der TÜV Rheinland als technischer Dienstleister aktiv von den Unternehmen angesprochen und um Unterstützung gebeten worden. Daraus sei die Idee mit dem Reparatur-Index entstanden. Aber nicht nur mit den Herstellern, auch mit den regulatorischen Instanzen, die über das Recht auf Reparatur abgestimmt haben, sei der TÜV im Austausch: «Unser Verständnis ist, auf kurzem direktem Weg die Kontakte zwischen Regelungsgeber, dem Europaparlament, und Industrie als neutrale Instanz herzustellen. Und Dialoge zu einem besseren Verständnis für alle Beteiligten zu fördern – mit hohem Transparenzanspruch», wie Scheuer mir mitteilt.

Obwohl das Recht auf Reparatur nur für die EU gilt, ist der angebotene Service auch für Nicht-EU-Länder wie die Schweiz interessant. Schließlich orientieren sich diese oftmals an den Regelungen der EU-Länder, um Handelshemmnisse oder ein Stocken des Warenstroms zu vermeiden. Die Analyse zur Wiederherstellbarkeit sei daher länderunabhängig und werde vom TÜV global allen Herstellern angeboten.

Reparierbarkeit als Kriterium für ein nachhaltiges Design in der Kreislaufwirtschaft kennt also keine Grenzen.
Stephan Scheuer, Nachhaltigkeitsexperte TÜV Rheinland.

Um den Index festzulegen, analysieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des TÜV Rheinland Verschiedenes: etwa die Produktdokumentation. Und welche die für die Funktion einer Ware wichtigen Teile sind, um sie wieder zum Laufen zu bringen. Der Gegenstand wird dabei auch auseinandergebaut. So soll kontrolliert werden, ob und wie sich die vorliegende Ware in den Urzustand zurückversetzen lässt.

Für die Analyse werden die Produkte von den Expertinnen und Experten auseinandergebaut.
Für die Analyse werden die Produkte von den Expertinnen und Experten auseinandergebaut.
Quelle: TÜV Rheinland

Was mit dem Recht auf Reparatur noch einhergeht

Neben der grundsätzlichen Reparierbarkeit werden folgende Neuerungen durch die Richtlinie festgehalten:

  • Die gesetzliche Gewährleistungsfrist wird um ein Jahr verlängert, wenn in dieser Zeit die Ware kaputt geht und sich die Verbraucherin oder der Verbraucher für das Wiederherrichten entscheidet.
  • Ist die Gewährleistungsfrist abgelaufen, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher eine einfachere und kostengünstigere Reparatur von Defekten bei technischen Geräten verlangen können.
  • Die Hersteller werden verpflichtet, öffentlich Auskünfte zu ihren Produkten hinsichtlich einer Reparatur zu geben: Dazu gehört übrigens nicht nur, wie gut diese sich wieder funktionstüchtig machen lassen, sondern auch Informationen über Reparaturleistungen, deren (ungefähre) Kosten und die notwendigen Ersatzteile.
  • Die EU-Mitgliedstaaten werden in die Pflicht genommen, mit mindestens einer Maßnahme Anreize für Wiederherstellungen zu schaffen: etwa mit Gutscheinen für eine Reparatur, Fonds für Wiederherstellungen oder die Unterstützung lokaler Reparaturinitiativen. Diese Förderungen werden wahrscheinlich mit EU-Mitteln unterstützt.
  • Es wird eine europäische Reparaturplattform gegründet, mit der es Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtert wird, passende Reparaturwerkstätten zu finden. Die Werkstätten wiederum können über das Portal ihre Dienstleistungen anbieten. Damit soll nicht nur der Verbraucherschaft geholfen werden, sondern auch kleine und mittelgroße Reparaturbetriebe unterstützt werden.

Sinnvoll für Verbraucherschutz und für die Umwelt

Die Erneuerung von Waren soll so einfacher und günstiger als eine Neuanschaffung sein. Wie eine bundesweite Ipsos-Umfrage Mitte 2023 ergeben hat, finden 79 Prozent der 1.000 Befragten das Recht auf Reparatur sinnvoll. Schätzungsweise gehen Verbraucherinnen und Verbrauchern jedes Jahr zwölf Milliarden Euro verloren, weil sie nicht wissen, wo und für welchen Preis sie eine Reparaturleistung bekommen können und den Gegenstand entsorgen, anstatt erneuern zu lassen. Berechnungen zufolge produziere das 35 Millionen Tonnen Müll im Jahr.

Wir können es uns nicht mehr leisten, in einer Wegwerfgesellschaft zu leben.
René Repasi

Durch den Beschluss wird Verbraucherinnen und Verbrauchern geholfen, künftig nachhaltigere Konsumentscheidungen zu treffen. So sollen weniger Abfälle produziert und Ressourcen geschont werden. Die «Kreislaufwirtschaft stärken» ist der Fachausdruck dafür.

Dieser Wandel käme den Klima- und Umweltzielen aus dem sogenannten «Grünen Deal» zugute. Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenpaket mit einer Reihe von politischen Initiativen im Sinne der Umweltfreundlichkeit. Das übergeordnete Ziel: Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden.

Wenn du mehr darüber erfahren möchte, dann findest du in diesem Video eine gute Zusammenfassung des Green Deals:

Was als nächstes passiert

Das Europäische Parlament und der Rat müssen den Vorschlag noch förmlich verabschieden. Daraufhin wird er im Amtsblatt der Europäischen Union erscheinen. 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung tritt das Recht auf Reparatur dann automatisch in Kraft.

Titelbild: TÜV Rheinland

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Katzenlady und Kaffeeliebhaberin aus Kiel, die das Hamburger Redaktionsteam unterstützt. Immer auf der Suche nach «News und Trends» in den Bereichen Sport und Health Care, DIY & Basteln, Interior, Deko, Geschirr, Sex & Erotik.


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