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Sifu im Test: Brüllend schwer und so, so motivierend

PC Games
14/2/2022

Mit Sifu bietet uns Sloclap einen Kung-Fu-Prügler mit asiatischem Setting und bockschwerem Gameplay. Kann das Spiel trotz oder gerade wegen seines kompromisslosen Designs überzeugen?


Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Autor Simon Hoffmann.


Eigentlich klingt ein spielbarer Kung-Fu-Film nach einer guten Idee. Wer würde nicht gerne mal in der Rolle von Bruce Lee, Jet Lii, Jean Claude Van Damme oder Jackie Chan zahlreiche Bösewichte gleichzeitig mit coolen Moves oder Waffen verprügeln? Tatsächlich gab es aber vergleichsweise wenige Spiele, welches filmreife Präsentation im Stile solcher Filme mit dem Medium Videospiel kombinieren. Einen neuen Vertreter dieser Kombination gibt es jetzt aber aus dem Hause Sloclap: Sifu, welches am 8. Februar für PS5/PS4 und PC erschienen ist. Bockschwer soll es sein, aber belohnend und brutal zugleich, ein kompromissloses Spiel in allen Belangen. Kann das Kung-Fu-Actionspiel einen bleibenden und positiven Eindruck hinterlassen? Oder handelt es sich bei dem neuen Spiel von Sloclap um einen qualitativen Schlag ins Gesicht?

Sifu ist in erster Linie ein 3D-Actionspiel, bei welchem die Hauptaufgabe daraus besteht, in fünf großen Levels eine Vielzahl von Gegnerinnen und Gegnern zu überwältigen, sowie die Bosse in Duellen zu besiegen. Ihr steuert dabei den Sohn bzw. die Tochter (je nach Wahl des Spielers) eines alten Kung Fu-Meisters, welcher vor acht Jahren von Kriminellen umgebracht wurde. Natürlich wollt ihr Rache und macht euch somit auf die Jagd nach den fünf Hauptverantwortlichen.

Das Design der Bösewichte ist absolut gelungen! Jeder unserer Widersacher zeichnet sich sowohl durch einen eigenen Kampfstil, als auch verschiedene und einprägsame Charaktereigenschaften aus.
Das Design der Bösewichte ist absolut gelungen! Jeder unserer Widersacher zeichnet sich sowohl durch einen eigenen Kampfstil, als auch verschiedene und einprägsame Charaktereigenschaften aus.
Quelle: PC Games

Die Welt ist ein Dojo

Der Plot ist wahrlich nicht revolutionär, doch er bietet einen soliden Rahmen für die fantastische Präsentation. Die Kamerafahrten sind vom ersten Moment an ebenso professionell und filmreif wie der gelungene Soundtrack. Auch der minimalistische Artstyle ist sehr gelungen. Zudem sind die Levels stets visuell kreativ und abwechslungsreich gestaltet. All dies führt zu sehr cineastischen und stimmigen Prügeleien, welche so auch im Kino laufen könnten ... Also, wenn sie kein Videospiel wären.

Die Mechaniken, die diesen Prügeleien zugrunde liegen, sind auf den ersten Blick recht simpel. Eine Taste für jeweils schwere und leichte Angriffe, eine Taste zum Blocken, der Analogstick zum Ausweichen sowie eine Dash-Taste. Auch eine Fokusleiste steht euch zur Verfügung, die ihr nach Aufladung für Spezialangriffe strategisch einsetzen könnt.

Nicht wenige Spieler werden trotzdem spätestens ab dem zweiten Level Controller oder wahlweise auch Maus und Tastatur an die Wand schmettern wollen. Sifu ist nämlich ein verdammt schweres und teilweise verdammt frustrierendes Spiel, gerade am Anfang.

Wer sich nicht zu 100 Prozent konzentriert und punktgenau kontert, ausweicht oder schlichtweg flüchtet, wird relativ schnell ins Gras beißen. Schließlich gibt es keinerlei Items, welche euch heilen könnten. Du möchtest Gesundheit regenerieren? Gut, dann erledige Feinde, bestenfalls viele! Checkpoints gibt es in den Levels ebenfalls keine. Es ist also kaum möglich, das Spiel abzuschließen, wenn man sich nicht intensiv in die verschiedenen Spielmechaniken reinfuchst.

In den Levels sind öfters Schreine zu finden, an welchen ihr euch levelspezifische Boni abholen könnt. Diese sollten mit Bedacht und je nach eigenem Spielstil gewählt werden und können sehr hilfreich sein.
In den Levels sind öfters Schreine zu finden, an welchen ihr euch levelspezifische Boni abholen könnt. Diese sollten mit Bedacht und je nach eigenem Spielstil gewählt werden und können sehr hilfreich sein.
Quelle: PC Games

Alter vor Schönheit

Wenn man den Weg ins Jenseits findet, und das wird schnell passieren, kann sich unser Hauptcharakter dank eines magischen Amuletts wiederbeleben. Mit jeder Auferstehung werdet ihr älter. Sterbt ihr mehrmals hintereinander, so werden eure bisherigen Tode addiert und zu eurem bisherigen Alter hinzugefügt. Dieser Prozess läuft circa bis in eure 70er, ab diesem Punkt bricht das Amulett komplett und es heißt "Game Over".

Gleichzeitig mit eurem Alter steigt Stück für Stück eure Kraft, doch im selben Moment verliert ihr an maximaler Gesundheit. Spätestens während eurer Midlife-Crisis sollte ihr also unter Umständen bedenken, mal ein bisschen vorzusorgen und vermehrt auf eure Verteidigung zu achten. Zudem könnt ihr über die Spieldauer hinweg neue Fähigkeiten erlernen sowie Level-spezifische Boni freischalten.

Das Alter wird dabei nicht etwa nach jedem Level resettet, sondern über das gesamte Spiel hinweg gezählt. Daher ist es nicht unbedingt empfehlenswert, schon den ersten Level im Rentenalter abzuschließen. Aber keine Sorge, man kann jederzeit in frühere Level zurückkehren, um das Alter zu reduzieren, mit dem man sie abgeschlossen hat. Das ist aber nicht ganz so hilfreich, wie man vielleicht denken mag. Stellt euch vor, ihr habt mit Hängen und Würgen einen schwierigen Level geschafft und gerade noch so den Bosskampf erreicht. Lohnt es sich dann überhaupt, den Level noch abzuschließen, wenn man weiß, dass man in der Welt danach als Greis kaum eine Chance haben wird? Schließlich müsst ihr den Level höchstwahrscheinlich sowieso noch ein paar Mal spielen, um wieder jung zu werden.

Oft nervt diese Art des Backtrackings. Klar, dadurch soll man immer besser werden und dieser Effekt tritt auch ein. Aber man stelle sich vor, man rennt durch einen der sehr langen Level, um jünger zu werden, und verreckt beim Boss dann trotzdem wieder mehrmals. Dann war der ganze Aufwand für die Katz und man muss noch einmal von vorne ran. Checkpoints gibt es in den Levels nämlich nicht, stattdessen nur mäßig hilfreiche Abkürzungen.

Keine Gnade in diesem Dojo!

Zudem ist es das visuelle Feedback in den Kämpfen sehr konfus. Oft ist nicht erkennbar, wie man Feinde kontern oder ihnen ausweichen soll. Sicherlich macht Übung den Meister bzw. die Meisterin.

Doch eine optionale Angabe dazu, ob man zum Beispiel zu früh oder zu spät gekontert hat wie etwa in den WWE2K-Spielen wäre sinnvoll gewesen. Gerade die Defensive ist letztlich der Dreh- und Angelpunkt des Gameplays.

Mit einem entsprechenden Patch sollte man aber eher nicht rechnen: Sifu ist kompromisslos und offensichtlich stolz darauf. Keine Gnade in diesem Videospiel-Dojo also, auch einfachere Schwierigkeitsgrade gibt es nicht.

Wer jedoch bereit ist, die Mechaniken zu lernen, der wird fantastische Mechaniken entdecken. Das Highlight sind dabei eindeutig die kreativen und cineastisch inszenierten Bosskämpfe: einprägsame Fights, welche viel Zeit und Geduld erfordern, einen dafür aber mit einem sehr befriedigendem Gefühl belohnen, wenn man sie zum ersten Mal bezwungen hat. Bei allem Frust ist man motiviert, immer und immer wieder zurückzukehren und die Bosse mit weniger oder gar keinen Toden zu schaffen.

Auch die Level machen mit einem gewissen Verständnis der Mechaniken mächtig Laune. Gerade wenn man ein Areal zum ersten Mal spielt, bietet jede neue Welle an Gegnerinnen und Gegnern eine knackige Herausforderung. Besonders Widersacher mit Waffen sind hier als positive Beispiele hervorzuheben. Unser Repertoire ist für diese Duelle sowohl offensiv als auch defensiv sehr variabel und ermöglicht verschiedene Herangehensweisen.

Umzingelt von mehreren Gegnern? Kein Problem! Zumindest dann, wenn man mit den Mechaniken in Sifu vertraut ist. Nur mit Geduld und Erfahrung kommt man im schwierigen Kung-Fu-Kampfspiel langfristig weiter.
Umzingelt von mehreren Gegnern? Kein Problem! Zumindest dann, wenn man mit den Mechaniken in Sifu vertraut ist. Nur mit Geduld und Erfahrung kommt man im schwierigen Kung-Fu-Kampfspiel langfristig weiter.
Quelle: PC Games

Makel am Meisterwerk?

Auf dem Weg zum virtuellen Kung-Fu-Ass ist jedoch die mittelmäßige Kamera alles andere als hilfreich. Diese verfängt sich nicht nur gerne in der einen oder anderen Wand, sondern ist oft viel zu nah an unserem Hauptcharakter. Wundert euch also nicht, wenn ihr, frustriert und von fünf Bösewichten umzingelt, plötzlich durch einen Treffer sterbt, welchen ihr nicht sehen konntet. Das ist alles andere als spaßig. Sonstige technische Probleme, wie wir sie noch in der Preview bemerkt hatten, gab es aber nicht, mit Ausnahme manchmal flackernder Schatten.

Ein unscheinbares, aber nettes Highlight ist der Fotomodus. Hobby-Fotografinnen können die virtuelle Kamera nutzen, um die Levels und Charaktere in Szene zu setzen. Der Modus funktioniert einwandfrei und bietet einen netten Kontrast zum sehr stressigen und intensiven Gameplay.

Der Fotomodus ist eine nette Abwechslung zwischen den intensiven Kämpfen. Von Fokusänderungen und verschiedenen Farbmodi bis hin zu einer beweglichen Kamera ist alles für einen kleinen aber feinen Modus vorhanden.
Der Fotomodus ist eine nette Abwechslung zwischen den intensiven Kämpfen. Von Fokusänderungen und verschiedenen Farbmodi bis hin zu einer beweglichen Kamera ist alles für einen kleinen aber feinen Modus vorhanden.
Quelle: PC Games

Wer sich auf die Herausforderung Sifu einlässt, wird irgendwann mit dem Gefühl belohnt, die Mechaniken des Spiels erfolgreich gemeistert zu haben. Doch nicht wenige Spieler werden sich wohl überfordert fühlen die steile Lernkurve verteufeln. Somit ist Sifu definitiv kein Spiel für jeden - dafür aber eines, das man so schnell nicht mehr vergisst, wenn man ihm eine Chance gibt.

Fazit

Sifu war für mich ein zwiespältiges Erlebnis. Während des Spielens habe ich es teilweise gehasst, verflucht und mich gewundert, wie um alles in der Welt gerade das Kontern richtig funktioniert. Kein Kontrast zu meiner jetzigen Wertschätzung für das Spiel und den Wunsch, es immer wieder zu spielen. Sifu belohnt jene, welche sich auf sein kompromissloses Design einlassen. Wer bereit ist, viel Zeit, Geduld und womöglich kaputte Controller zu investieren, der wird mit Sifu eine Menge Spaß haben. Das Belohnungsgefühl, einen Boss fast perfekt zu besiegen oder neue und effektive Abkürzungen zu finden, ist absolut grandios. Und diesen Spaß hatte und habe ich auf jeden Fall. Aber ich weiß nicht, ob ein paar Features für Menschen, die nicht die Zeit und Geduld für dieses Design haben, zumindest als optionale Möglichkeiten gut gewesen wären. Nun, vielleicht würden sich dann die Git-Gud-Keyboard-Warrior darüber beschweren …


Sifu ist seit dem 8. Februar 2022 für den PC sowie Playstation 5 und Playstation 4 erhältlich. Am PC könnt ihr das Spiel aktuell nur im Epic Games Store erstehen, Versionen für Xbox und Nintendo Switch sind zumindest derzeit auch noch nicht angekündigt. Die Box-Versionen für PS4 und PS5 sind ab dem 3. Mai 2022 verfügbar.

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