
Sony-TV-Chef im Gespräch: «8K? Der Markt will das nicht»
Sony gegen den Rest der TV-Welt: Während Samsung, LG, TCL und Hisense Marktanteile erobern, setzt Sony auf ein anderes Erfolgsrezept. Ich habe mit Shoji Charlie Ohama über Strategien, den Konkurrenzkampf und die grossen Trends der Branche gesprochen.
Vor wenigen Tagen hat Sony ausgewählten Journalisten in London einen ersten Einblick in die nächste Display-Technologie gegeben, die das High-End-TV-Segment aufmischen soll: RGB-LED. Ein neuer Ansatz, der noch präzisere Farbabstufungen und mehr Helligkeit liefern soll – doch die Konkurrenz schläft nicht.
Während Samsung und LG weiter auf Mini-LED und OLED setzen und TCL sowie Hisense das Feld mit aggressiven Preisen aufrollen, verfolgt Sony einen eigenen Kurs: Weniger Marktanteil, mehr Bildqualität. Doch wie lange geht diese Strategie noch auf? Und was macht RGB-LED tatsächlich besser als andere Technologien?
Ich hatte vor Ort die Gelegenheit, mit Shoji Charlie Ohama, Head of TV und Home Audio Video für Europa, darüber zu sprechen. Doch es blieb nicht nur bei RGB-LED. Wir sprachen über Sonys wackelnden Platz in einem hart umkämpften Markt, die ungewisse Zukunft von Micro-LED, die Frage, ob 8K am Ende doch nur ein teurer Marketing-Gag ist – und warum Sony trotz wachsender Konkurrenz überzeugt ist, dass Qualität letztlich über Masse siegt.

Quelle: Sony Newsroom
Charlie, sprechen wir gleich den Elefanten im Raum an: Sony war einst eine TV-Supermacht – heute liegt ihr weltweit nur noch auf Platz fünf. War das eine bewusste Strategie, ein cleverer Rückzug ins Premium-Segment, oder wurdet ihr von Samsung, LG, TCL und Hisense schlichtweg abgehängt?
Ha! Gute Frage. Sony hat über die vergangenen fünfzig Jahre eine starke Position im TV-Geschäft aufgebaut. Aber wir betrachten den TV-Markt nicht als einheitliches Ganzes. Das überlassen wir den Medien.
Wie betrachtet ihr ihn dann?
Der TV-Markt ist riesig und extrem vielfältig. Auf der einen Seite hast du winzige, günstige 19- oder 22-Zoll-Modelle, auf der anderen Seite gigantische 115-Zoll-Premium-TVs. Wenn es uns nur um Marktanteile ginge, könnten wir einfach auf Masse setzen und billige Einstiegsmodelle raushauen – dann sähen die Verkaufszahlen gleich ganz anders aus.
Aber das wollt ihr nicht?
Nein. Unser Fokus liegt seit jeher auf dem mittleren bis gehobenen Preissegment. Klar, das macht uns nicht so gross wie Samsung oder LG und preislich bestimmt nicht so aggressiv wie TCL oder Hisense. Aber genau in unserem Bereich – bei hochwertigen TVs – sind wir dafür richtig stark.
«Ein Panel allein macht noch kein grossartiges Bild – die Prozessorleistung entscheidet.»
Ich verstehe. Profitabilität geht vor Masse.
Ja und nein. Natürlich müssen wir als Unternehmen profitabel sein. Aber uns geht es nicht darum, möglichst hohe Margen zu erzielen – sondern darum, dass unsere Kundschaft für ihr Geld die bestmögliche Bildqualität bekommt. Das ist unser Anspruch.
Samsung dominiert über die Masse. LG bei OLED-Fernsehern. TCL und Hisense drücken indes mit aggressiven Preisen in den Markt. Wo steht Sony? Was macht eure TVs einzigartig?
Ich würde sagen, unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir nicht auf eine einzige Display-Technologie setzen. LG geht voll auf OLED, andere pushen Mini-LED oder QD-OLED. Wir nutzen alles – von OLED über QD-OLED bis hin zu Mini-LED und klassischen LEDs. Aber das Entscheidende ist: Unsere Stärke liegt nicht im Panel, sondern in der Bildverarbeitung.
Kannst du das genauer erläutern?
Seit Jahren liegt unser Fokus auf der perfekten Bildoptimierung. Heute nennt jeder seinen Prozessor «AI-powered» – aber wir haben schon lange zuvor mit fortschrittlichen Algorithmen gearbeitet. Sony-TVs gewinnen nicht ständig Awards, weil wir die hellsten oder grössten Displays haben, sondern weil wir das natürlichste und präziseste Bild liefern, und zwar direkt aus der Verpackung heraus.
Bedeutet das, dass Sony sich mehr über die Ansteuerung der Pixel als über das Panel selbst definiert?
Exakt. Ein Panel allein macht noch kein grossartiges Bild – die Prozessorleistung entscheidet. Und genau da sind wir seit Jahren führend. Das sieht man auch in den Tests. Unser BRAVIA 8 OLED wurde im Vereinigten Königreich zum «Produkt des Jahres» gekürt und hat in ganz Europa Preise gewonnen. Und das nicht nur wegen des Panels, sondern vor allem wegen unseres XR-Prozessors, der die Bildqualität auf ein neues Level hebt.
«Jeder kann ein Panel einkaufen – aber nicht jeder kann es so optimieren, dass es sein volles Potenzial entfaltet.»
Und trotzdem, Sony war früher ein echter Technologie-Pionier. In den letzten Jahren scheint der Fokus aber eher darauf zu liegen, bestehende Technologien wie OLED oder Mini-LED einzukaufen und zu verfeinern. Selbst RGB-LED wurde bereits von Hisense auf der letzten CES in Las Vegas gezeigt. Hand aufs Herz: Ist Sony heute noch ein Innovator – oder eher ein Optimierer?
(lacht) Jeder kann ein Panel einkaufen – aber nicht jeder kann es so optimieren, dass es sein volles Potenzial entfaltet. Ich würde sagen, wir sind immer noch Teil der Innovationsführer. Aber weil wir so viel Zeit in die Perfektionierung unserer Prozessoren investieren, wirken wir vielleicht manchmal langsamer als unsere Konkurrenz. Ein OLED muss eben anders verarbeitet werden als ein Mini-LED-TV – und RGB-LED ist wieder eine ganz eigene Herausforderung.
Also hattet ihr RGB-LED schon lange auf dem Schirm?
Absolut, ja. Ich habe schon vor drei Jahren erste Prototypen bei uns gesehen. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir eine der ersten Firmen waren, die daran gearbeitet haben. Aber naja, beweisen kann ich das natürlich nicht (schmunzelt). Was genau die Konkurrenz daraus macht, steht auf einem anderen Blatt. Aber unser Fokus liegt auf der Optimierung durch den XR-Prozessor. Wir bringen keine Technologie auf den Markt, nur weil sie neu ist – sondern erst dann, wenn wir zuversichtlich sind, ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können.
Wer produziert denn die RGB-LED-Panels für euch?
Das kann ich leider nicht verraten. Aber ich kann dir sagen: Unser Backlight-System – also die Hintergrundbeleuchtung und das Dimming – wird sich von der Konkurrenz unterscheiden. Auch wenn das Panel selbst ähnlich sein mag, sorgt unser Ansatz für ein ganz anderes Ergebnis. Wie genau? Das bleibt natürlich unser Geheimnis.
«Wenn Micro-LED wirklich die Zukunft für Consumer-TVs wäre, hätten wir längst erschwingliche Modelle.»
Schauen wir uns mal Micro-LED an. Seit Jahren wird die Technologie als «TV-Jesus» gefeiert – eine Art Wunderlösung, die alle Vorteile bestehender Technologien vereint. Aber bis heute gibt es noch keine bezahlbaren Modelle für den Heimgebrauch. Wann kommt endlich der Durchbruch?
(lacht) Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, nicht wahr? Micro-LED hat nach wie vor ein riesiges Problem: die Kosten. Seit sechs, sieben Jahren hören wir, dass die Technologie «bald» kommt – aber die Herstellungskosten fallen einfach nicht. Selbst unsere eigenen Micro-LED-Wände kosten ein Vermögen für den Heimgebrauch. Und wenn du dir die Brocken mal von der Seite anschaust, merkst du sofort: Die sind kilometerweit entfernt von einem schlanken Heim-TV.
Also glaubst du, dass Micro-LED für immer ein Business-Produkt bleibt?
Aktuell sieht es stark danach aus. Wenn Micro-LED wirklich die Zukunft für Consumer-TVs wäre, hätten wir längst erschwingliche Modelle. Aber das ist nicht passiert. Vielleicht gibt es irgendwann ja den grossen Durchbruch – aber heute ist und bleibt es eine Technologie für High-End-Business-Anwendungen.
Okay, dann zum nächsten «grossen Trend» – 8K. Ihr habt seit 2022 keine neuen 8K-Modelle mehr vorgestellt. Glaubt Sony überhaupt noch daran?
Ganz ehrlich? Der Markt will es nicht. Die Nachfrage ist einfach nicht da. Denn 8K ist nicht vergleichbar mit dem Sprung von Full HD auf 4K. Damals gab es einen klaren Mehrwert: grössere Bildschirme, mehr Details, bessere Inhalte. Aber bei 8K? Es gibt kaum Inhalte.
Aber viele Hersteller sagen, 8K-Upscaling reiche völlig aus.
Upscaling kann zwar helfen – aber es ersetzt kein echtes 8K. Wenn das Ausgangsmaterial nur in Full HD oder 4K vorliegt, lässt es sich nicht magisch in echtes 8K verwandeln. Viele TV-Hersteller bewerben ihre Upscaling-Technologie gross. Aber wenn man genau hinschaut, sieht hochskaliertes 8K oft kaum besser aus als gutes 4K.
Also liegt das Problem vor allem am fehlenden Content?
Genau. Wo sind denn die 8K-Inhalte? Streaming-Anbieter setzen fast ausschliesslich auf 4K. Selbst klassisches Fernsehen ist in vielen Ländern noch nicht einmal komplett in 4K angekommen. Die Wahrheit ist: Kaum jemand schreit nach noch mehr Pixeln.
Ist 8K am Ende dann doch nur ein sehr teurer Marketing-Gag – so wie damals 3D-TVs?
Das ist schwer zu sagen – aber der Vergleich ist nicht ganz falsch. Es gibt Szenarien, in denen 8K Sinn macht: riesige Screens, professionelle Anwendungen, vielleicht irgendwann fürs Gaming.
«8K? Der Markt will es nicht. Die Nachfrage ist einfach nicht da.»
Verstanden. Dann meine letzte Frage: Wo steht Sony in zehn Jahren im TV-Markt?
Oha!
Ich dachte, ich bewahre mir die einfachste Frage bis zum Schluss auf (lacht).
(schmunzelt) Das merke ich. Unsere Strategie war schon immer Qualität vor Masse. Viele Hersteller setzen auf reinen Absatz, auf Marktanteile, auf Volumen. Aber genau das macht sie verwundbar, wenn sich Trends ändern. Wir setzen auf Premium-Produkte, starke Bildverarbeitung und hochwertige Technologien. Das hat uns über 50 Jahre erfolgreich gehalten – und das wird uns auch in Zukunft tragen.
Aber der Markt verändert sich rasant. Was stellt sicher, dass Sony auch in zehn Jahren noch eine Schlüsselrolle im TV-Geschäft spielt?
Unsere End-to-End-Expertise. Sony ist nicht nur ein TV-Hersteller – wir haben ein eigenes Hollywood-Filmstudio, Sony Pictures, eigene Kameratechnologien, eigene professionelle Referenz-Displays. Wir verstehen den gesamten Prozess – von der Kamera im Filmstudio bis zum Bild im Wohnzimmer. Genau das unterscheidet uns von anderen Marken. Unser XR-Prozessor entwickelt sich dabei kontinuierlich mit – und genau das bleibt unser Alleinstellungsmerkmal.
Dann bleibt Sony auch in Zukunft eine Premium-Marke?
Ja – und mehr als das. Wir entwickeln kontinuierlich neue Technologien, um unser Portfolio zu stärken. RGB-LED ist ein Beispiel, aber auch unsere Weiterentwicklungen bei Prozessoren.
Das klingt, als würde Sony sich als eine Marke sehen, die im Idealfall den gesamten Bildverarbeitungsprozess in der Hand hat.
Exakt. Sony ist mehr als nur Fernseher. Wir sind das Bild – von der Linse bis ins Wohnzimmer.
Perfekt, das war’s! Vielen Dank für das Gespräch.
Hat Spass gemacht!
Shoji Charlie Ohama ist seit 2006 bei Sony und hat besonders in Nordamerika eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Neuausrichtung des TV-Geschäfts gespielt. Sein tiefes Verständnis der TV-Panel-Industrie sowie sein Gespür für die Balance zwischen Vertrieb und Marketing machen ihn zu einer Schlüsselfigur bei Sony. Seit Oktober 2023 bringt er seine Expertise in die europäische TV-Sparte als Head of Home Entertainment (TV + Home Audio Video) ein.
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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»