![Sony ULT Wear (DNC, 30 h, Kabellos)](/im/productimages/1/8/5/4/0/0/2/5/8/9/0/2/6/7/4/0/6/7/52aa3725-2adf-4724-a9bf-487efc5a454b_cropped.jpg?impolicy=product&resizeWidth=720)
Sony ULT Wear
Der Kopfhörer Ult Wear von Sony will mit einer basslastigen Soundsignatur und modernem Design ein jüngeres Publikum abholen. Dabei siedelt er sich im gehobenen Mittelklassebereich an. Ob der Versuch klappt, erfährst du im Test.
Ult heisst die neue Geräte-Serie von Sony. Nebst Speakern in drei verschiedenen Grössen hat Sony die Over-Ear-Kopfhörer Ult Wear entwickelt. Das Akronym Ult – und damit eine ungewöhnlich einfache Bezeichnung für Sony-Verhältnisse – haben die Japaner dem K-Pop-Jugendsprech entliehen. Dieses steht für «Ultimate» – die finale und höchste Stärke, die es gibt. Diesem Motto will Sony beim Ult Wear Taten folgen lassen und peilt mit einer neuen, stark Bass-lastigen Audiosignatur ein junges Klientel an.
Sony ist bekannt für seinen warmen, epischen Sound mit einem breiten Klangspektrum. Und natürlich «industry leading noise cancellation», wie sie gerne betonen. Daran wollen die Japaner festhalten. Dennoch begeben sie sich mit dem neuen Ult-Mode in Bass-Sphären, wo normalerweise «Beats By Dre» oder Skullcandy-Kopfhörer zu Hause sind. Sie verbauen einen 40 mm grossen Treiber, der für diesen Ult-Mode verantwortlich ist. Diesen kann man per Knopfdruck an- oder abschalten. Ich nehme mir zunächst die Balance und die Mitten vor, weil ich wissen möchte, was mich zum Preis von 199 Franken oder Euro erwartet – ohne Ult-Mode. Dieser bekommt ein eigenes Kapitel.
Mein erster Test-Track heisst «Wilderness» von Explosions in the sky. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er ein sehr breites Stück des Frequenzranges abdeckt. Das heisst: vom Tiefbass bis zu den Höhen kommt alles vor.
Hier hört man die Perkussion im tieferen Klangspektrum, die Gitarren schwingen sich dafür in höhere Gefilde. Gesang gibt es keinen. Ich stelle fest: Die Low-Ends, also die Tiefen, sind dominant. Die Gitarren können sich zwar gut davon abgrenzen und die Wiedergabe ist insgesamt sehr sauber. Aber die Ult Wear machen kein Geheimnis daraus, wofür sie gedacht sind.
Im Mitteltonbereich zeichnen sich die Ult Wear Sony-üblich mit viel Wärme aus.
Die klare, markante Gesangslinie sticht bei Helplessly Hoping heraus und klingt harmonisch. Auch hier tragen die tiefen Frequenzen das Ihrige dazu bei – sie geben dem Gesang mehr Raum. Wenn man das Gleiche mit den aktuellen Sennheiser Accentum hört, merkt man allerdings, dass der dominante Tieftonbereich viel Klarheit raubt.
Mit «Tokyo Drift» von den Teriyaki Boys teste ich den Bass.
Mir ist der Kopfhörer grundsätzlich zu basslastig. Wenn du den Ult-Button drückst – dieser ist separat und gut sichtbar am Kopfhörer angebracht – erklingt eine Art Tornado-Sound als Signalton. Bei wenig facettenreichem Elektro gibt das noch einen Extra-Boost. Bässe bis in die Magengrube. Der Tiefbassbereich wummert und dröhnt. Nur: Das Wummern und Dröhnen in den Bässen verdrängt so ziemlich alle Finessen im Mittelbereich. Darunter leidet die Klangbreite. Auch betont er nicht nur einzelne Passagen: Ich nehme im Ult-Mode ein Grunddröhnen wahr, welches sich über mehrere Frequenzstufen hinweg bemerkbar macht.
Teilweise werden tieffrequente Geräusche verstärkt, obwohl sie gar keine Bässe sind. Zum Beispiel tiefe Stimmen in einem Podcast – die werden dann von einem Effekt begleitet, der sie schwerer verständlich macht. Wenn es hingegen wenig oder keine Bässe gibt, macht der Ult-Mode keinen Mucks. Selbst bei simplen, basslastigen Arrangements ohne Instrumente oder Gesänge stört es mich nach der ersten halben Minute des «WOW-Effekts». Ich kann mir vorstellen, dass der Effekt bei einem Speaker wie dem Field 7 besser funktioniert. Beim Kopfhörer hält der Effekt für mich nur kurz an und nur, wenn ich eine ganz bestimmte Art Musik höre.
Ich konstatiere: Nicht so meins.
Dass die Ult Wear nicht überall in der gleichen Liga spielen wie etwa die WH-1000 XM5 zeigt sich beim Telefonieren. Während die Verständlichkeit in einer ruhigen Umgebung noch gegeben ist – wenn auch etwas verzerrt und blechern – wird der Ton in einer belebten Umgebung nicht mehr wirklich verstanden.
Das zeigte sich auch in meinem Praxistest. Damit du das Level an Verständlichkeit für dich selber beurteilen kannst, habe ich dir zwei Hörtests verlinkt.
Der obere in einer ruhigen, der untere in einer lärmigen Umgebung.
Bereits an der Schachtel merkt man, dass der Ult Wear in eine andere Richtung geht als die klassische WH-1000-Reihe. Sie ist dunkel gehalten. Der Kopfhörer liegt im Schatten, während sich das bunte «Ult Power Sound»-Logo in den Vordergrund drängt. Das stabile, hübsche Stoffcase ist auch wieder mit von der Partie. Ebenso legt Sony ein USB-C-zu-USB-A-Ladekabel und ein 3,5-Millimeter-Klinkenkabel bei.
Die Kopfhörer selbst erinnern stark an den WH-1000 XM4. Die Ohrmuscheln, die Anordnung der Tasten und – Trommelwirbel – die Faltbarkeit. Deren Fehlen wurde Sony beim Launch der letzten Flagship-Kopfhörer, dem WH-1000 XM5, etwas um die Ohren gehauen. Ebenfalls positiv: Der Alu-Kopfbügel ist wieder in Stufen verstellbar.
Auch hat Sony Kopfteil und Ohrmuscheln mit weichen Kunstleder-Applikationen bedacht. Dennoch fühlt sich das Material der Ohrmuscheln etwas dünner und leichter an, als bei meinen XM4. Als würde eine zusätzliche Beschichtung fehlen, die die Wertigkeit erhöht. Auch die Stoffbespannung fällt dünner aus – die Elemente sind klar erfühlbar. Ein Küchenwaagen-Test ergibt allerdings kaum einen Unterschied. Lediglich rund sieben Gramm sinds weniger Ult Wear als beim XM4 – die Küchenwaage ist allerdings auch nicht geeicht.
Beim alltäglichen Gebrauch kannst du dich auf die üblichen Qualitäten von Sony verlassen. Der Sitz ist fest, ohne zu drücken. Die Ohrmuscheln sind sehr bequem. Dass die Bügel (wieder) stufenweise verstellbar sind, finde ich persönlich sehr angenehm. Wie seine «grossen Brüder» der WH-1000-Reihe kannst du den Ult Wear mit Touch-Gesten an der rechten Hörmuschel steuern. Lautstärke, Skip/Search, Play/Pause, Google Assistant oder Telefonanrufe verwalten – alles geht und lässt sich in der App zudem noch nach deinen eigenen Vorlieben konfigurieren. Zudem gibts hier noch einen Power-Button, eine Taste zum fliegenden Wechsel von Ambientmodus und Geräuschunterdrückung und natürlich den grossen, runden Ult-Button.
Dank der Leichtigkeit kannst du die Ult Wear auch bei körperlich anstrengenden Aktivitäten verwenden. Allerdings mit Vorsicht: Sony macht keine Angaben zum IPX-Rating, also bezüglich Wasser- und Staubfestigkeit. Auch wenn die WH-1000-Hörer jeweils ein IPX4-Rating aufweisen: gehe lieber davon aus, dass die Ult Wear kein Wasser mögen.
In Sachen Geräuschunterdrückung will sich Sony offenbar auf keinen Fall die Blösse geben. Der Ambient-Mode trägt Umgebungsgeräusche ohne die übliche, unangenehme Mikrofonverstärkung ans Ohr Das Active Noise Cancellation (ANC) wiederum dämpft ziemlich alles weg, was dich in einem belebten Umfeld stören könnte. Das machen die Ult Wear gut. Viele andere Kopfhörer schwächeln vor allem bei sehr hohen Geräuschen – etwa weinenden Babys oder wenn ein Zug bremst. In meinem Test kam gar nichts durch. Top.
Eine Menge spannender Features fürs Finetuning der Ult Wear bietet die Sony Connect App. Zum Beispiel die Ambient Sound Control. Diese passt den Sound nicht nur automatisch der Umgebung an – dreht zum Beispiel die Lautstärke in lärmiger Umgebung auf – sondern merkt sich auch deine Gepflogenheiten. Wann benutzt du ANC, wann nicht und so weiter.
Darüber hinaus gibts die DSEE, Kurzform für die «Digital Sound Enhancement Engine». Diese Technologie soll stark komprimierte Soundformate besser klingen lassen.
Beim Equalizer gibt es verschiedene Presets – für Stimme, Partymodus und so weiter – aber auch einen manuellen Fünfband-EQ um den Sound zwischen 400 Hertz und 16 Kilohertz zu individualisieren. Auch für den Ult-Mode gibt es zwei Regler: einen, um den Bass hoch und runter zu regeln und einen zweiten für die Betonung des tieferen Tiefpass-Bereichs.
Unter Tiefpass versteht man einen Filter, der Frequenzen oberhalb einer gewissen Grenze sperrt oder zumindest dämpft. Wenn du den besonders stark einstellst, verschwinden die Mitten und Höhen mit Ult-Mode noch mehr als ohnehin. Wenn du willst, gibt’s auch ein Setup namens «Find my Equalizer», das prüft, was du magst und dann individuelle Einstellungen für dich trifft.
Zu guter Letzt gibt es kleinere Einstellungsmöglichkeiten: Multipoint aktivieren, die Touchsteuerung an den Kopfhörern deaktivieren oder individualisieren oder Steuerung der Wearing-Detection. Dann pausiert der Kopfhörer, wenn du ihn absetzt.
Bei der Akkulaufzeit geht Sony keine Kompromisse ein. Bis zu 50 Stunden hält der Akku durch, wenn du die aktive Geräuschunterdrückung weglässt. Bist du wild drauf, wirklich so viel Laufzeit wie möglich aus deinen Ult Wear rauszuholen, würde ich dir darüber hinaus empfehlen, in der Sony-Connect-App das «DSEE» zu deaktivieren. Falls du auf beides nicht verzichten möchtest, kannst du trotzdem noch auf rund 30 Stunden Laufzeit zählen. Das ist die Herstellerangabe – bei mir waren es 30 Stunden und 17 Minuten, bis der Ult Wear die Waffen endgültig streckte. Das Gerät besitzt aber auch eine Quickcharge-Funktion – damit hat es Sony ziemlich auf die Spitze getrieben. Mit zehn Minuten Ladezeit holst du nochmals bis zu fünf Stunden Hörspass heraus. Bei drei (!) Minuten Ladezeit sind es 90 Minuten – falls es mal richtig schnell gehen muss.
Meine Gefühle für die Ult Wear sind etwas ambivalent. Zweifelsohne ist die Soundqualität gut. Du kannst hier einen Kopfhörer im höheren Mittelklassebereich erwarten. Fürs Audio-Streaming passt es ganz gut. Die Idee hinter dem Ult-Mode erschliesst sich mir allerdings nicht ganz. Der wenig kontrollierte Bass hat mich nicht überzeugt.
Die Geräuschunterdrückung hingegen ist – wie immer bei Sony – stark, auch wenn das beim Telefonieren mit den eher schwachbrüstigen Mikrofonen nicht viel bringt (für deine Gesprächspartner und -Partnerinnen). Auch der Akku macht mich glücklich. Es ist schwierig, abschliessend zum Kauf zu raten oder eben davon abzuraten – selbst wenn du Sony-Enthusiast bist. Darum lautet mein Tipp: probier sie in einem Laden aus. Dann wirst du innerhalb weniger Minuten wissen, ob die Ult-Wear das sind, was du suchst.
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Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.