Wie (un)genau messen Körperfettwaagen für den Hausgebrauch?
Ratgeber

Wie (un)genau messen Körperfettwaagen für den Hausgebrauch?

Gewicht und Body-Mass-Index sind die landläufig gebräuchlichen Werte, um sich ein Bild über Unter-, Ideal-, oder Übergewicht zu machen. Eigentlich längst nicht mehr zeitgemäss, denn für eine sinnvolle Aussage musst du deine Körperzusammensetzung kennen. Viele Waagen sollen das inzwischen messen können. Ich habe vier davon getestet und verglichen – mit ernüchterndem Resultat.

Hallo, ich bin Oliver und seit einem halben Jahr daran, mir einen gesünderen Lebensstil anzugewöhnen. Dafür habe ich angefangen, regelmässig Sport zu treiben sowie meine Ernährung zu analysieren und umzustellen. Vor sechs Monaten zeigte meine Waage 84,3 Kilogramm an. Bei einer Körpergrösse von 177 Zentimetern ergab das einen Body-Mass-Index (BMI) von 26.97, gemäss WHO-Tabelle also 0.03 vor Übergewicht. Weil der BMI aber nur die halbe Wahrheit sagt – schliesslich könnte ich ja einfach extrem gut trainiert sein und das Gewicht primär durch Muskelmasse zustandekommen – wollte ich auch meine Körperzusammensetzung kennen. Also Fettanteil, Muskelmasse, Wasser- und Knochenanteil meines Körpers ermitteln.

Diese Messungen versprechen mir die sogenannten Körperfettwaagen von zahlreichen Herstellern wie Garmin, Breuer, Withings oder Soehnle zu liefern. Einfach und unkompliziert bei mir zu Hause. Und das für ziemlich wenig – 30 bis 50 Franken – oder auch sehr viel – über 300 Franken – Geld. Allerdings hatte ich auch schon gehört und gelesen, dass diese Waagen alles andere als korrekte Werte liefern würden.

Was habe ich also gemacht? Mir vier verschiedene solcher Waagen organisiert. Zwei haben mir die Hersteller direkt geschickt, zwei stammen aus den Galaxus-Lagern.

Diese vier Modelle haben meinen Körper gewogen und vermessen:

Bioelektrische Impedanzanalyse: Der Strom fliesst

Um zu prüfen, ob diese vier Waagen nun genau messen, musste ich zunächst die Referenzwerte kennen. Dafür habe ich meine Körperzusammensetzung vom Zentrum für Ernährungsmedizin (Zermed) in Winterthur mittels Bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) messen lassen. Dabei wird ein schwacher elektrischer Impuls durch den Körper geschickt, mit dem aufgrund der unterschiedlichen Widerstände von Fett, Wasser, Muskeln und Knochen der jeweilige Anteil an der Gesamtkörpermasse bestimmt wird. Dafür wird eine sehr grosse, sehr teure Waage eingesetzt, die statt aus einer kleinen Bodenplatte aus einem über mannshohen Apparat besteht. Sie leitet den Strom über mehrere Eintritts- und Austrittspunkte (Füsse und Hände) durch den Körper.

Die Körperfettwaagen in unserem Sortiment nutzen das gleiche Messverfahren, allerdings stark vereinfacht, mit geringerer Impulsstärke und nur einem Ein- und Austrittspunkt (durch die Füsse rein und raus). Eine Ausnahme dazu bildete die von mir getestete Withings-Waage, die über einen Handgriff verfügt und damit präzisere Messwerte verspricht – und dafür auch mit Abstand am meisten kostet.

Daten, Daten, Daten

Nun aber zu den Messungen. Diese Werte hat die professionelle Messung bei Zermed für meinen Körper ergeben:

  • Gewicht: 84.3 kg
  • BMI: 27
  • Fettmasse: 23.33 kg
  • Knochenmasse: keine Angaben
  • Wasser: 44.67 kg
  • Muskelmasse: 30.23 kg

Diese Daten bilden den Referenzwert, von dem aus ich die Abweichung der vier Testwaagen berechnet habe. Alle Messungen fanden innerhalb von rund zwei Stunden ohne Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr oder Toilettengänge statt, um den Waagen möglichst identisches «Messgut» zu liefern.

Datenvergleich

Davon ausgehend, dass die wissenschaftlich erhobenen Daten der Realität am nächsten kommen, schaue ich mir nun die Daten der verschiedenen Alltagswaagen in den Werten Gewicht, Muskelmasse, Fettmasse und Wassermenge an. Für jeden Wert vergebe ich pro Waage Punkte oder ziehe welche ab, je nach Performance.

Gewicht

Hier weichen die vier Testgeräte um maximal 0.4 kg von den Referenzdaten ab, wobei die Garmin-Waage als einzige identisch gemessen hat. Etwas überraschend ist, dass die bei weitem teuerste Waage von Withings am weitesten vom Referenzwert abweicht. Allerdings würden mich diese Abweichungen im Alltag nicht stören, zumal ich weder ein Supermodel noch ein Kampfsportler an der Grenze einer bestimmten Gewichtsklasse bin. Wenn ich täglich auf die Waage stehe, variiert das gemessene Gewicht auch so konstant um ein paar Hundert Gramm.

Punkte:

  • Garmin: 1
  • Beurer: 0
  • Withings: -1
  • Xiaomi: 0

BMI

Da der Body-Mass-Index vom Körpergewicht abhängig ist, was von den Waagen unterschiedlich gemessen wurde, war zu erwarten, dass diese Ergebnisse vom Referenzwert abweichen. Darum überraschen drei der vier Resultate, auch wenn die Werte sich nur im Zehntelbereich unterscheiden. Die Garmin-Waage hat trotz identischem Gewicht einen höheren BMI berechnet und sowohl die Beurer- als auch die Xiaomi-Waage geben mit 27 den gleichen BMI an wie die Referenzdaten, obwohl sie jeweils höhere Gewichte gemessen hatten. Am besten schneidet hier das Withings-Modell ab, das vom gemessenen Gewicht ausgehend den korrekten BMI angibt.

Punkte:

  • Garmin: -1
  • Beurer: -1
  • Withings: 1
  • Xiaomi: -1

Muskelmasse in kg

Nun wird es im Hinblick auf meine Gesundheit interessant, weil nicht mehr das Körpergewicht allein, sondern die Zusammensetzung des Körpers ins Gewicht fällt (pun intended). Dabei wird auf den ersten Blick in der Grafik deutlich, dass das Resultat der Withings-Waage massiv von allen übrigen Daten abweicht. Dies ist aber keine extrem schlechte Messung, sondern eine andere Ausweisung der gemessenen Daten. Während bei der Referenzmessung und den drei anderen Waagen das in der Muskulatur enthaltene Wasser aus der Muskelmasse herausgerechnet wurde, gibt die Withings-Waage diese inklusive des darin enthaltenen Wassers an, ein direkter Vergleich mit dem Referenzwert ist also nicht möglich. Garmin und Beurer geben meine Muskelmasse jeweils rund 3 kg über dem Referenzwert an, die Xiaomi-Waage misst diesen Wert nicht.

Punkte:

  • Garmin: -1
  • Beurer: -1
  • Withings: 0
  • Xiaomi: keine Wertung

Wasser in kg

Jetzt wird es noch etwas schwieriger, die Daten zu interpretieren. Denn hier gibt die Withings-Waage zwar nicht den höchsten Wert an, aber immer noch einen höheren als die Referenz. Eine noch höhere Wassermenge hat das Garmin-Modell gemessen, oder besser berechnet, wohingegen die Beurer-Waage auf einen etwas tieferen Wert kommt als die Referenzdaten. Welche nun aber relativ zu den übrigen am genauesten gemessen und gerechnet hat, kann ich schlicht nicht beurteilen. Fakt ist einfach, alle weichen deutlich vom Referenzwert ab, alle Werte sind entsprechend mit Vorsicht zu geniessen.

Punkte:

  • Garmin: -1
  • Beurer: -1
  • Withings: -1
  • Xiaomi: keine Wertung

Fettmasse in kg

Neben der Muskelmasse ist die Fettmasse der zweite, im Hinblick auf die Gesundheit, wichtige Faktor. Denn erst gemeinsam sagen diese Werte mehr über mein Gewicht und meine Gesundheit aus als der BMI. Und hier versagen alle drei Testgeräte – die Xiaomi-Waage misst auch diesen Wert nicht. Alle geben, im Vergleich zum Referenzwert, deutlich zu tiefe Werte an. Am schlechtesten schneidet erneut das teuerste Gerät von Withings ab, das mir fast 6 kg zu wenig Fettmasse attestiert. Bei Garmin und Beurer sind es rund 3 kg.

Punkte:

  • Garmin: -1
  • Beurer: -1
  • Withings: -2
  • Xiaomi: keine Wertung

Alle fünf Werte zusammen betrachtet, ergibt sich für die vier verglichenen Waagen dieses Ranking.

Ranking:

  1. Garmin: -3

  2. Beurer: -4

  3. Withings: -3

Xiaomi: -2 ausser Wertung

Die BF 720 bewerte ich höher als die Withings, weil deren Preis zusätzlich negativ ins Gewicht fällt. Die Xiaomi-Waage nehme ich aus dem Ranking, weil sie zu wenige Werte liefert.

Und so hat Stiftung Warentest Körperfettwaagen getestet

Wie es der Zufall so will, hat die Stiftung Warentest (StiWa) ebenfalls einen Vergleichstest von Körperfettwaagen durchgeführt, während ich diesen Ratgeber geschrieben habe. Du findest denn Test (hinter einer Bezahlschranke) hier.

Die Kurzfassung: 17 Waagen hat StiWa unter die Lupe genommen. Sechs davon ohne App-Integration, elf mit. Wobei nur beim Produkt von Xiaomi die App zwingend notwendig ist, damit die Waage funktioniert. 15 der getesteten Produkte findest du auch in unserem Sortiment. Fünf Kriterien wurden bewertet: Wiegen, Körperanalyse (die zusammen 50 Prozent der Endbewertung ausmachten), Handhabung, Sicherheit und Haltbarkeit sowie Datenschutz (bei den Waagen mit App). Für die Kriterien Wiegen und Körperanalyse wurde bei 30 Testpersonen ebenfalls eine BIA gemacht als Referenz.

Keine der getesteten Waagen hat die Wertung «Sehr gut» bekommen. Insgesamt neun Geräte schnitten «Gut», sieben «Befriedigend» und eine «Ausreichend» ab. StiWa kommt zu dem Schluss: Gute Resultate liefern nicht die teuersten Waagen. Im Gegenteil, die beiden Withings-Produkte gehörten zu den Verlierern des Tests und die günstigen Beurer-Produkte zu den Gewinnern.

Bewertung «Gut»

Soehnle Shape Sense Connect 200 mit Bluetooth® (200 kg)
Personenwaage
EUR95,91

Soehnle Shape Sense Connect 200 mit Bluetooth®

200 kg

Bewertung «Befriedigend»

Amazfit Smart Scale (180 kg)
Personenwaage
−32%
EUR47,90 statt EUR70,20

Amazfit Smart Scale

180 kg

Xiaomi Mi Body Composition Scale 2 (150 kg)
Personenwaage
EUR38,61

Xiaomi Mi Body Composition Scale 2

150 kg

Bewertung «Ausreichend»

Fazit

Ich bin nicht wirklich überrascht, dass die Körperfettwaagen im Vergleich mit einer wissenschaftlichen Messmethode ungenaue Resultate liefern. Dass eine vergleichsweise günstige Waage ihre technischen Grenzen aufweist, ist zu erwarten. Enttäuschend war darum vor allem die Withings-Waage, weil sie durch die theoretisch bessere Messmethode mit Handgriffen gegenüber der Konkurrenz und dem damit verbundenen sehr deutlich höheren Preis besser hätte abschneiden müssen. Dass sie neben den hier verglichenen Werten auch noch ein EKG (Elektrokardiogramm, also eine Messung von Herzrhythmus und -frequenz) und eine Messung der Nervengesundheit und des Gefässalters macht, fällt angesichts der Ungenauigkeit der Messwerte nicht positiv ins Gewicht. Einerseits, weil ich mich nicht auf das Ergebnis verlassen kann und zweitens, weil hier Dinge gemessen werden, bei denen ich mich sowieso nur auf eine wissenschaftliche Messung mit medizinischer Erklärung einer Fachperson verlassen will.

Meine persönlichen Eindrücke werden durch die umfangreichen Testresultate von Stiftung Warentest gestützt.

Meine Empfehlung

Kann ich angesichts meiner Erkenntnisse eine dieser Körperfettwaagen empfehlen?

Jein. Es kommt darauf an, was du genau damit messen willst und was dein Ziel ist. Willst du einfach dein Gewicht halten oder ein paar Kilogramm verlieren, dann reicht eine ganz gewöhnliche Waage ohne weiteren Schnickschnack aus. Nur gibt es sowas fast nicht mehr. Aber auch so bekommst du für wenig Geld einfache Geräte, die für dich ausreichen. Die Xiaomi «Smart Scale 2» hat bei der Gewichtsmessung eine geringe Abweichung gezeigt und kostet wenig. Willst du hingegen zumindest einen einigermassen korrekten Überblick über deine Körperzusammensetzung bekommen, musst du nicht tief ins Portemonnaie greifen. Die Beurer «BF 720» misst zwar an wissenschaftlicher Präzision vorbei – und das tendenziell für dich wohlwollend – ist aber im Vergleich mit den Geräten von Garmin und Withings deutlich preiswerter und nur unwesentlich ungenauer.

Solange du deine Werte über die Zeit nur miteinander vergleichst, um zu sehen, wie sich dein Körper entwickelt, spielen die leichten Abweichungen keine allzu grosse Rolle.

Wenn du dagegen wirklich genaue Werte haben möchtest, kommst du nicht um eine professionelle Messung herum. Meine Erstmessung hat mich inklusive Beratung und Erklärung der Daten 50 Franken gekostet, jede weitere Messung fällt mit 30 Franken zu Buche.

Ich bleibe für den Alltag jedenfalls bei meinem x-jahre-alten Soehnle-Modell (das es gar nicht mehr zu kaufen gibt) und werde mir ein bis zwei Mal pro Jahr eine professionelle Messung leisten.

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Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.


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