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Winter: Zeit der Schnuddernasen, Zeit für RSV
RSV ist der häufigste Erreger von Atemwegsinfektionen bei Neugeborenen. Auch Säuglinge, Kinder und sogar Senioren können betroffen sein. Die kleinsten können ab diesem Winter besser geschützt werden.
Im Herbst und Winter ist die Zeit der «Schnuddernasen» – zu manchen Kindern gehört die triefend-verstopfte Nase einfach dazu. Solange es ihnen dabei gut geht – gar kein Problem.
Grössere Schwierigkeiten mit verstopften Nasen haben Neugeborene und Säuglinge, denn sie müssen zumindest in den ersten 6-12 Lebensmonaten auch den lebenswichtigen Sauerstoff über die Nase einatmen und können in der Regel nicht einfach den Mund zum Atmen öffnen (nur beim Schreien bekommen sie über den Mund gelegentlich etwas Luft). Die im Vergleich zu Älteren bessere Trennung von Atemwegen und Speiseröhre ist praktisch, weil sie weniger schnell Nahrung einatmen, aber weniger vorteilhaft, wenn ein Atemwegsinfekt zu einer verstopften Nase führt.
Ein Virus, das in den Wintermonaten manchmal ganze Kindernotfallstationen füllt und sehr lästig sein kann, ist das sogenannte Respiratorische-Synzytial-Virus, kurz RSV.
RSV ist auf der ganzen Welt verbreitet, kommt gehäuft in den Wintermonaten vor und ist schon etwa einen Tag vor Ausbruch der Beschwerden ansteckend. Betroffene leiden häufig an glasig-zähem Sekret, das bei den Kleinsten schnell die Nase und oberen Atemwege verstopft. Neben Husten, Fieber und manchmal auch Bindehautentzündung an den Augen, greift das RSV vor allem die unteren Atemwege an und führt zu einer Entzündung in den Bronchiolen oder den Bronchien. Vor allem Säuglinge haben oft begleitend eine Mittelohrentzündung. Während die Kinder unter einem Jahr sehr schwer betroffen sein können, haben ältere Kinder häufig nur lästigen Husten. Leider sind auch Menschen mit milden Symptomen für andere ansteckend. Hat man so ein Virus aufgelesen, kommt es meist innerhalb einer Woche (2-8 Tage) zum Ausbruch der Erkrankung. Ältere Menschen und jene mit schwachem Abwehrsystem können eine schwere Lungenentzündung entwickeln.
RSV ist der hauptverantwortliche Erreger für Spitalaufenthalte bei Neugeborenen und Säuglingen, rund ein Prozent (1 von 100 Kindern, je jünger desto wahrscheinlicher) ist schwer betroffen. Zwischen 2016 und 2021 betraf dies 3000 bis 6000 Fälle pro Jahr in der Schweiz, die Häufigkeit ist in ganz Europa vergleichbar.
Leider wirst du nach durchgemachter Infektion gegen RSV nicht gänzlich immun und kannst dich immer wieder anstecken.
RSV – Was kannst du tun, damit du nicht angesteckt wirst?
Weil das Virus im Schleim und den Tröpfchen beim Husten sitzt, hilft es, wenn man nicht direkt angehustet wird. Auf Oberflächen kann das Virus wahrscheinlich etwa 20 Minuten überleben, es lohnt sich also, regelmässig die Hände und gemeinsam genutzte Oberflächen zu reinigen und zu desinfizieren. Aber Vorsicht: Reinigungsmittel immer weit weg von Kinderhänden lagern.
RSV – Das kannst du tun, wenn sich dein Kind angesteckt hat
Das Wichtigste bei Atemnot wegen einer verstopften Nase ist es, den Weg für die Luft wieder freizumachen, also die Nase gründlich zu spülen. Das geht zum Beispiel mit Kochsalzlösung, die man mit Schwung direkt aus der Ampulle durch die Nase spülen kann. Es ist kein Problem, wenn die verabreichte Flüssigkeit anschliessend ausgespuckt oder geschluckt wird. Solange die Nase dann wieder zum Atmen frei ist, ist alles gut, auch wenn die Prozedur nicht bei allen Kindern auf Gegenliebe stösst.
Manche Eltern bevorzugen diverse Apparaturen, um den Schleim aus der Nase ihrer Kinder herauszuholen. Dabei ist wichtig, dass die Nasenschleimhaut nicht zu stark gereizt oder verletzt wird.
Die eigentliche Krankheit dauert meist 3-12 Tage, aber der Husten kann leider manchmal noch 4 Wochen nach der Krankheit andauern. Wie bei anderen Atemwegsinfekten, kann man versuchen, die Schmerzen zu lindern und die Atmung durch feuchte, kühle Luft zu unterstützen. Wenn der Oberkörper etwas angehoben ist, atmet es sich meist auch für die Kinder etwas leichter.
RSV-Vorbeugung?
Seit 2023 sind in der Europäischen Union zwei RSV-Impfstoffe (Arexvy® und Abrysvo®) für Über-60-Jährige zugelassen. Abrysvo® bietet zudem Schutz von Säuglingen, wenn die Mütter bereits während der Schwangerschaft geimpft werden. In den USA wird die Impfung zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche empfohlen. Manche Zusatzversicherungen in Europa und der Schweiz übernehmen anteilig die Kosten.
Bei Neugeborenen mit erhöhtem Risiko (angeborene Herzfehler und schwere Lungenerkrankungen) war auch bisher schon die Behandlung mit Antikörpern empfohlen, diese mussten in der Wintersaison monatlich gespritzt werden (Palivizumab, Synagis®). Neu wird seit 2024 für alle Neugeborene und Säuglinge bis zum 6. Monat für den 1. Winter der monoklonale Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®) empfohlen, der den Säuglingen einmalig im Herbst gespritzt werden soll und dann während der Wintersaison vor RSV schützen sollte. Die Kosten des Antikörpers für die ambulante Therapie werden über die Grundversicherung abgedeckt und seit September 2024 auch in der Schweiz durch die Obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet.
Quellen: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/rsv.html#1669019361
Haus- und Kinderärztin, Familienberatung für grosse und kleine Menschen. Liebt Notfallversorgung und Rettungstransporte und die Schnittstelle zur Grundlagen- und klinischer Forschung. Journalistisch mal angefangen bei der Schülerzeitung, spätere Stationen bei der Deutschen Welle, dem Deutschen Ärzteblatt, Autorin von wissenschaftlichen Publikationen.