Luca Fontana
Hintergrund

Wir müssen schon wieder reden, Thermomix

Luca Fontana
11/4/2025

Wir hatten abgeschlossen. Dachte ich. Doch dann kam die Einladung: Ich soll die neue TM7 testen. Meine Ex, in neuem Gewand, mit grossen Versprechen. Wird das ein Neuanfang – oder ein Rückfall mit Ansage?

Ich betrete den Raum. Da steht sie. Die «all-new» TM7, das neueste Modell der Thermomix-Reihe. Schlanker, glänzender und bereit, alles für mich zu tun. Aber ich zögere. Dann wandert mein Blick doch noch über das neue, überarbeitete Design. Mein Herz klopft. Ist da … noch etwas zwischen uns?

Erinnerungen blitzen auf. Die ersten Wochen voller Euphorie, das legendäre Frucht-Glace – und dann die kalte Realität: die Trennung. Plötzlich lächelt mich ein Vorwerk-Mitarbeiter an.

«Wollen Sie sie testen?»

Zwei Wochen zuvor

Ich weiss, was ihr denkt. «Warum tust du dir das jetzt schon wieder an, Luca?!» Gute Frage. Das frage ich mich selbst auch.

Für diejenigen unter euch, die gerade gar nichts verstehen: Vor kurzem habe ich mich öffentlich von meinem Thermomix TM6 getrennt. Von Therma. Keine leichte Entscheidung – aber eine notwendige. Wir hatten uns auseinandergelebt. Ich war überfordert, sie unterfordert. Ich wollte einfache Lösungen, sie hatte 27 Funktionen. So ging’s nicht weiter.

  • Meinung

    Wir müssen reden, Thermomix

    von Luca Fontana

Ja, ich habe meine Trennung publik gemacht. Und zwar in aller Form. Mit Brief, Pathos und gebrochenem Herz – ihres oder meines, das ist bis heute unklar. Und sie hat geantwortet. Ebenfalls öffentlich. Mit Stolz, Wut und Edelstahl. Ich war sicher: Das war’s. Kein Thermomix mehr für mich. Nie wieder. Nada. Niente.

Denkste.

  • Meinung

    Wir müssen reden, Luca

    von Therma Mixwell

Jetzt bin ich also hier, in Dierikon bei Luzern, wo Vorwerk einen seiner acht Standorte in der Schweiz unterhält. Wieso? Weil man manche Dinge einfach nicht loslässt. Oder sie dich nicht. Thermomix, zum Beispiel. Angefangen hat alles mit einer kurzen E-Mail. Meine beiden Texte hätten Vorwerk gefallen, stand da drin. «Cool», dachte ich, «Humor haben die Leute bei Vorwerk ja!»

Aber das war noch nicht alles. Vorwerk hatte mich zum allerersten Presse-Event in der Schweiz eingeladen. Schliesslich stand die exklusive Vorstellung der «neuen» Therma an: der TM7. Das neue Flaggschiff. Das beste, das sie je gebaut haben. Noch bevor das Gerät erhältlich ist, darf ich es also sehen. Fühlen. Testen.

Nach allem, was war …

Rückblick und Rauchzeichen

Der Vorführraum ist hell, modern und fast klinisch aufgeräumt. Etwa ein Dutzend geladene Journalistinnen und Journalisten nippen aufgeregt am servierten Kaffee; sie haben selbst noch kaum Erfahrung mit dem propagierten Wunderwerk gesammelt. Heute würde ihr «erstes Mal», erfahre ich. Und was für eines.

Auf dem schwarzen Tresen stehen mehrere TM7-Modelle nebeneinander. Sie sind aufgereiht wie Sportwagen an einem Autosalon. Ich erwarte fast, dass gleich jemand mit einem Mikrofon dazustöckelt und sagt: «Und dieser kleine Flitzer hier schafft 10 700 Umdrehungen pro Minute – im Stand!»

Der Mann mit Mikrofon kommt später tatsächlich. Nur das Motorengeräusch fehlt. Und die Ledersitze. Aber hey – wer braucht Sitze, wenn man Glace machen kann?

Sage und schreibe vier TM7 zähle ich auf dem Tresen.
Sage und schreibe vier TM7 zähle ich auf dem Tresen.

Zuerst aber startet eine Präsentation mit einem Rückblick auf Thermomix-Modelle vergangener Jahrzehnte. 1971 wurde der TM1 geboren. 1982 der TM2. Später, viel später, im Jahr 2014, erschien mit dem TM5 der erste Thermomix mit Touch-Display und integriertem Kochbuch. Ein Vorwerk-Mitarbeiter erzählt salopp: «Damals sagte man noch: Ein Italiener kocht doch nicht von einem Laptop!»

Lachen im Raum. Ich lache mit.

Dann der nächste Programmpunkt: Flüssigstickstoff. Ein Dessert wird zubereitet, und zwar von Dominik Altorfer, Küchenchef im Roof Garden in Zürich, Mitglied der Schweizer Kochnationalmannschaft und zweifacher Gold-Gewinner der Olympiade der Köche. Dank ihm wabert nun weisser Dampf durch die Küche. Es zischt, dampft, brodelt – als wäre ich in Snapes Zaubertrank-Unterricht in Hogwarts.

So fancy hat bei Therma nicht mal das legendäre Frucht-Glace ausgesehen.
So fancy hat bei Therma nicht mal das legendäre Frucht-Glace ausgesehen.

Die schwarze Kunststoffoberfläche des neuen TM7 glänzt im Nebel, Vorwerk-grün beleuchtet von LEDs am oberen Displayrand. Fast schon esoterisch. Später taste ich nach dem Löffel. Das Dessert ist köstlich.

Natürlich ist es das.

Der Moment der Wahrheit

Als sich der Nebel endlich lichtet, sticht auch das neue Thermomix-Design ins Auge: schwarz, geriffelt und fast schon sinnlich. Später erklärt man mir, dass es Rillen zwischen den Rillen gibt, die man nicht sehen, aber fühlen könne. So toll habe sich ein Thermomix tatsächlich noch nie angefühlt, versichert man mir.

Dazu das iPad-grosse Display, das wie aus der Zukunft herübergeflossen wirkt. Oder als wäre Apple kurz mit Vorwerk fremdgegangen. Und das neue Interface nutzt die weltlich anmutenden Dimensionen des Displays voll aus, wenn es mich übersichtlich und aufgeräumt wie nie zuvor durch ein Rezept führt.

Schöne, neue Welt: Schick, Therma, schick.
Schöne, neue Welt: Schick, Therma, schick.

Ein paar Minuten später duftet es nach gedünsteten Zwiebeln, frisch geschnittenem Koriander und etwas, das verdächtig nach karamellisiertem Rahm riecht. Eine Mischung aus Kochstudio und Aromatherapie, vielleicht. Oder unser Mittagessen.

Ich streife durch den Raum, beobachte die anderen, wie sie selbst zum ersten Mal Hand an einen Thermomix legen. Die einen machen grosse Augen, nicken eifrig und tragen Notizen in ihren Blöckchen ein wie in einer spirituellen Erweckung. Ich höre immer wieder Sätze wie: «Den will ich zu Hause. Sofort.»

Die anderen bleiben still, verschränken die Arme, heben skeptisch eine Braue. Ihre Blicke sagen: «So einfach kriegt ihr mich nicht rum, ihr Scharlatane!» Ich stehe zwischen beiden Welten. Irgendwo zwischen Aufwärmen und Abspeisen. Therma, funkt es noch zwischen uns?

Der Deckel, der alles verändert

Sechseinhalb Jahre, sagt man mir, hätten deutsche Ingenieure an diesem Wundergerät gearbeitet. 173 Millionen Euro habe die Entwicklung gekostet. Eine Investition, die sich auszahlen werde, ist man sich sicher. Wie genau? Tja, das Ergebnis jahrelanger Tüftelei und Experimentierfreude werde nun gleich enthüllt, verspricht ein Mann. Ich lehne mich also vor, warte auf den grossen Moment. Das revolutionäre Feature.

Und dann kommt es.

Der Deckel.

Der Deckel!?

Boom! Wahnsinn! Unerhört! Der Deckel ist jetzt abnehmbar!
Boom! Wahnsinn! Unerhört! Der Deckel ist jetzt abnehmbar!

Ich blicke irritiert auf die neue Therma. Dann auf die Vorwerk-Leute. Dann wieder zurück auf Therma. Ich versuche, meine Enttäuschung nicht zu zeigen.

«Der Deckel … Also das ist das neue grosse Highlight?» frage ich den begeisterten Typen neben mir vorsichtig.

Er nickt eifrig. «Das verändert einfach alles!»

Die Sache ist nämlich die: Beim Vorgänger hielten zwei Sicherheitsarme den Deckel eisern in Position – aus gutem Grund. Niemand sollte während des Kochens, Pürierens oder Zerkleinerns versehentlich hineingreifen. Wer trotzdem reinschauen wollte, musste den Vorgang stoppen, warten, bis die Mechanik loslässt und hoffen, dass dabei nichts überkocht.

Jetzt? Jetzt ist er auch während des Kochvorgangs abnehmbar. Wie bei einer Pfanne. Kein Warten mehr. Kein Sicherheits-Countdown. Deckel auf, reinschauen, nachwürzen. Der TM7 stoppt und startet automatisch. «So einfach», heisst es.

Einige nicken begeistert. Jemand haucht sogar «endlich». Ich denke derweil an Apple-Keynotes, an stehende Ovationen für USB-C. Und an Menschen, die beim Auspacken eines neuen iPhones weinen. Vielleicht ist das hier gar nicht so anders.

Aber was weiss ich schon? Ich bin ja nur der Ex.

Der Evangelist und das Geräusch der Erlösung

Später spricht ein anderer Mann. Auf seinem Namensschild steht: Dr. Stefan Hilgers – Senior Product Manager. Die Leute bei Vorwerk nennen ihn auch «den Innovations-Manager». Er selbst beschreibt sich lieber als Thermomix-Evangelist.

Dr. Hilgers trägt ein blaues Hemd. Das Sakko habe er vorher abziehen müssen. «Ich weiss, das gehört sich nicht für ein Medien-Event», sagt er, «aber ich bin ein wenig nervös, und es ist so warm hier drin.» Der Mann ist mir sofort sympathisch, auch wenn der Evangelist TM7-Therma etwas gar oft anschaut, als hätte sie gerade das perfekte Soufflé geboren.

Dr. Stefan Hilgers erklärt uns, was den neuen Thermomix so besonders macht. Unter anderem sein Deckel.
Dr. Stefan Hilgers erklärt uns, was den neuen Thermomix so besonders macht. Unter anderem sein Deckel.

Plötzlich, mitten in der Präsentation, einige Journalistinnen und Journalisten unterhalten sich gerade, bittet er uns alle, einen Moment inne zu halten und zu lauschen. Dann schliesst er die Augen. Versonnen. Wie ein Pfarrer beim Gebet an der Sonntagsmesse. Nur dass in dieser Kirche dampfende Reiskörner die Hostien sind und der heilige Geist nicht nach Weihrauch, sondern nach frischem Koriander riecht.

«Hören Sie das? Dieses leise Blubbern?»

Ich horche. Tatsächlich. Kein Quietschen. Kein Summen. Nur das sanfte Köcheln des Suds, der nach dem Dünsten des Reises und des frischen Gemüses entstanden ist.

«Darauf sind alle TM6-Besitzer eifersüchtig», sagt er.

Ich nicke. Respektvoll. Fast andächtig. Dann will ich wissen, wie’s mit KI-Features aussieht. In Berlin, bei der ersten grossen Präsentation, die tatsächlich an eine Apple-Key-Note erinnerte, sprach man doch davon. Aber was genau die KI bald können und inwiefern sie tatsächlich intelligent sein soll, habe ich noch immer nicht verstanden.

Dr. Hilgers lächelt, als hätte er mit der Frage gerechnet. «Aber gucken Sie sich das Gerät doch mal an! Es ist wie Brad Pitt. Es ist sensationell. Und jetzt kommen Sie – und wollen, dass unser Brad Pitt hier auch noch Ballett tanzt!?»

Ich starre ihn an. Er meint das ernst.

Dann trumpft er mit einer Matterhorn-Metapher nach. Die KI sei wie der Gipfel des Berges, den man erklimmen wolle. Man sehe ihn, den Gipfel, vom Tal aus, klar und deutlich. Aber das bedeute ja nicht, dass man schon oben sei, wenn die Wanderung beginnt. Ich habe mittlerweile längst keine Ahnung mehr, worum es eigentlich geht.

Und? Funkt’s noch?

Die neue Therma – die «all-new» TM7 – ist ohne Frage ein starkes Küchengerät. Besser designt, leiser, moderner. Sie glänzt, wo die Vorgängerin leise gequietscht hat. Ihr Display ist grösser, ihr Handling geschmeidiger, ihr Selbstbewusstsein unerschütterlich. Kurz gesagt: Sie ist richtig gut geworden. Vielleicht so gut wie nie zuvor. Und trotzdem hat es nicht wieder gefunkt.

Denn wer sich trennt, tut das selten wegen eines einzelnen Moments. Meist ist es ein schleichender Prozess. Kleine Enttäuschungen. Missverständnisse. Bedürfnisse, die nicht zusammenpassen. Und auch wenn die Erinnerung mit der Zeit gern die Höhen betont und die Tiefen weichzeichnet – sie war ja da, die Realität. Ich war überfordert, sie unterfordert. Ich suchte Bequemlichkeit, sie wollte Commitment.

Daran hat sich nichts geändert.

Zeit, dass Therma neue Menschen glücklich macht.
Zeit, dass Therma neue Menschen glücklich macht.

Es war schön, dich wiederzusehen, Therma. Ehrlich. Ich gönne dir dein neues Selbstbewusstsein, deine Rillen zwischen den Rillen, deinen stillen Motor und deinen revolutionären Deckel. Ich werde dir zujubeln, wenn du das Matterhorn besteigst. Vielleicht sogar Ballett tanzend mit Brad Pitt. Und vor allem hoffe ich, dass du in einer Küche landest, in der du nicht nur für ein Dessert aus Stickstoff gewollt wirst, sondern für den Alltag. Für alles.

Mach’s gut, Therma. Ich wünsche dir nur das Beste.

Dein Luca.

Titelbild: Luca Fontana

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