Hintergrund

Wird «Age of Empires» nie langweilig, Ørjan «TheViper» Larsen?

Philipp Rüegg
11/10/2023

Kaum jemand hat «Age of Empires» so oft gespielt wie Ørjan Larsen. Der E-Sport-Pro, besser bekannt als «TheViper», hat am meisten Turniere gewonnen und trotzdem wird es ihm nie langweilig – fast nie.

Mit einem 4:1 Sieg hat Ørjan Larsen im Februar die T90 Titans League für sich entschieden. Nun kämpft er in der dritten Season des Turniers schon wieder um die nächste Trophäe. Gespielt wird um ein Preisgeld von insgesamt 22 500 US-Dollar.

Ørjans Erfolge begannen früh. Bereits als kleiner Knopf brachte er deutlich ältere «Age of Empires»-Spieler ins Schwitzen. Mittlerweile spielt der 31-jährige Norweger seit über zehn Jahren professionell «Age of Empires». Er gilt als einer der besten Spieler der Welt. Anlässlich unseres eigenen «Age of Empires»-Turnier am digitec Playground habe ich mit ihm über seine Karriere gesprochen, warum sich «Age of Empires» 4 nicht durchgesetzt hat und ob ihm Mittelalterschlachten nicht manchmal verleiden.

Du warst sechs Jahre alt, als «Age of Empires» rauskam. Heute gehörst du zu den besten Spielern der Welt. Weisst du noch, wann du es zum ersten Mal gespielt hast?
Ørjan «TheViper» Larsen: Ich habe meinen Vater «Age of Empires 1» spielen sehen. Ich weiss nicht genau, wie alt ich war. Ich erinnere mich nur daran, dass ich dachte: Oh, diese Dorfbewohner, die herumlaufen und Löwen jagen. Das ist cool. Er hat mich dann manchmal spielen lassen – irgendwann auch online. Mein Spitzname war «The Boy», weil ich ein kleiner Junge war.

Die Leute konnten nicht glauben, dass sie gegen einen Zehn- oder Elfjährigen verloren hatten.
Ørjan Larsen

Deine E-Sport-Karriere begann aber erst einiges später.
Als ich älter wurde, haben Schule und Mädchen mich mehr in Beschlag genommen. Ich habe eine lange Pause vom Spiel gemacht. Irgendwann, mit 18 oder so, habe ich gesehen, dass mein Vater immer noch «Age of Empires» spielt. Ich dachte mir: «Das habe ich früher geliebt.» Also fing ich wieder an zu spielen und wurde schnell besser. 2011, 2012 etablierte ich mich als einer der besten Spieler der Welt. 2017 habe ich dann den Sprung zum Vollzeit-Streamer in «Age of Empires» gemacht.

Hat es einen Moment gegeben, in dem du dachtest, ok, ich habe das Zeug zum Pro?
Nach meiner langen Pause habe ich primär bei Team-Spielen mitgemacht. Ich hatte kein Gespür dafür, wie gut ich im Eins-gegen-eins war. Damals gab es noch gemischte ELOs (bezeichnet das Niveau eines Spielers, anm. d. Red.). Das heisst, die ELO, die man im Einzelspiel hat, ist die gleiche wie im Teamspiel. Ich hatte eine wirklich hohe ELO für Teamspiele. Dann spielte ich ein Einzelspiel gegen einen Typen, der 600 ELO weniger hatte als ich. Ich verlor und dachte: «Was zum Teufel? Ist der Unterschied zwischen Einzel- und Mannschaftsspielen so gross? Das geht so nicht». Ich fing an, Einzelspiele zu trainieren. Als ich merkte, wie schnell ich mich verbesserte, war mir klar, dass ich in diesem Spiel ziemlich gut werden könnte.

Ørjan zusammen mit seinem Vater und seiner Trophäe für den Sieg am Wololo-V-Turnier.
Ørjan zusammen mit seinem Vater und seiner Trophäe für den Sieg am Wololo-V-Turnier.
Quelle: L. Jouve @louisjve

Dein Vater ist der Gründer der «Age of Empires»-Community-Seite AOCZone. Spielt er selbst noch?
Ja, aber nicht mehr so viel. Er schaut sich lieber die Turniere an und chattet auf Twitch. Er ist ein begeisterter Beobachter. Es gibt viele, die wenig «Age of Empires» spielen und sich das Spiel trotzdem oft anschauen. Sie geniessen die Schönheit von «Age of Empires».

Spielst du noch gegen deinen Vater?
Nein, ich denke, unser Niveauunterschied ist im Moment ein bisschen zu gross.

Du hast mehr Zeit mit «Age of Empires» verbracht, als die meisten Menschen auf der Welt. Was sind die entscheidenden Merkmale der jeweiligen Teile?
«Age of Empires 1» ist schneller und anstrengender, während «Age of Empires 2» die perfekte Balance hat. «Age of Empires 3» war für mich seltsam. Sie haben dieses Versandsystem implementiert, bei dem man Einheiten aus dem Nichts erschaffen kann. Auch die modernere Ära mit Schiesspulver und so war nicht mein Ding. «Age of Mythology» war hingegen wirklich cool mit den ganzen mythischen Einheiten und Kreaturen. «Age of Empires 4» ist eine hybride Version, als ob sie versucht hätten, eine Mischung aus modernem RTS (Echtzeitstrategie, anm. d. Red.) und «Age of Empires» zu finden. Das klassische Gefühl ist dabei erhalten geblieben.

Vermutlich wollten sie «Age of Empires 4» als neuen E-Sports-Titel etablieren. Aber es scheint, als ob «Age of Empires 2» immer noch die Nase vorn hat
Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich ihr Ziel war. Aber ja, «Age of Empires 2» hat definitiv mehr Zuschauer und mehr Turniere als «Age of Empires 4». «Age of Empires 4» hat sein eigenes Ding am Laufen, aber «Age of Empires 2» ist definitiv immer noch der König dieser Serie.

Das Schiff für ‹Age of Empires 4› ist für mich abgefahren.
Ørjan Larsen

Warum ist «Age of Empires 2» weiterhin die erste Wahl für dich?
«Age of Empires 4» wurde mit einer Menge Bugs veröffentlicht und es fehlten Features, die man von einem modernen RTS erwartet. Es wurde zu früh veröffentlicht. Sie hätten locker ein weiteres Jahr brauchen können, um alles zu verbessern. Auch der Umfang der Einzelspieler-Kampagne war zu dürftig. «Age of Empires 2» bietet riesige Mengen an Singleplayer-Inhalten, dass selbst Gelegenheits-Spielerinnen und -Spieler hunderte Stunden damit verbringen können. Trotzdem bringen sie fast jedes Jahr DLCs mit neuen Kampagnen heraus. Zugängliche Singleplayer-Inhalte sind entscheidend, um das Spiel für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen. Ausserdem gibt es in «Age of Empires 2» so ziemlich jeden Spielmodus und hunderte verschiedener Karten. Man kann es auf verschiedenste Weise spielen. Das macht es sehr zugänglich.

Du warst indirekt an der Entwicklung von «Age of Empires 4» beteiligt. Inwiefern?
Ich war Teil einer kleinen Gruppe, die nach Vancouver geflogen wurde, um sich mit «Age of Empires 4» vertraut zu machen. Das war noch vor der Alpha-Phase. Wir konnten Feedback geben und lernten die Visionen und Pläne kennen.

Ørjan beim Finale gegen Hamzah «Hera» El-Baher am T90 Titans League anfang Jahr.

Wirst du jemals auf Teil vier umsteigen?
Ich habe viel «Age of Empires 4» gespielt und auch an Wettbewerben teilgenommen. Aber irgendetwas hat mir einfach gefehlt. Ich habe mich nicht in das Spiel verliebt, wie ich mich in «Age of Empires 2» verliebt habe. Das Schiff ist für mich abgefahren. «Age of Empires 2» wird wahrscheinlich meine wahre Liebe bleiben.

Spielst du auch andere RTS?
Ich habe ein bisschen «StarCraft» und «Warcraft» gespielt, aber nicht aktiv. Sie machen mich zu süchtig. Dann spiele ich mehr, als gut für mich ist. Das wirkt sich negativ auf meine «Age of Empires»-Leistung aus. Ich bringe dann die Steuerung durcheinander.

Und ganz andere Spiele?
Ja, zum Beispiel «Football Manager». Ich bin ein grosser Fussballfan. Ich spiele viel, wenn es veröffentlicht wird. Zwischendurch spiele ich auch kleinere Spiele mit meinen Freunden und meiner Freundin. Ich kann mich aber nie hinsetzen und 150 Stunden reinstecken, dafür fehlt mir die Zeit.

Die Verantwortung im wirklichen Leben hat mich eingeholt.
Ørjan Larsen

Wie bereitest du dich auf ein Turnier vor?
Zunächst mache ich mich mit den Bedingungen vertraut. Welche Karten spielen wir? Wie wird der Draft (die Spielbedingungen, anm. d. Red.) sein? Welche Zivilisationen stehen zur Auswahl? Dann studiere ich die Karten und überlege, welche Strategien sich eignen und welche Zivilisationen ich nehmen soll. Dann trainiere ich mit meinen Teamkollegen. Manchmal auch mit Rivalen, denen ich nicht unbedingt beim Turnier gegenüberstehe. Das mache ich so lange, bis ich eine Strategie gefunden habe, mit der ich zufrieden bin. Auf alles kannst du dich bei einem RTS-Spiel natürlich nie vorbereiten, dafür gibt es zu viele Faktoren.

Vor einem Turnier studiert Ørjan die Spielbedingungen und natürlich seinen Gegner.
Vor einem Turnier studiert Ørjan die Spielbedingungen und natürlich seinen Gegner.
Quelle: L. Jouve @louisjve

Studierst du deine Gegner vor dem Spiel?
Wenn sie im Turnier mit denselben Einstellungen gespielt haben, schaue ich mir ihre aufgezeichneten Spiele an. Ich schaue, welche Zivilisation sie gewählt haben und versuche, ihre Präferenzen herauszufinden. Dann überlege ich mir Gedankenspiele oder Strategien, mit denen ich kontern kann.

Unterscheiden sich «Age of Empires»-Pros von anderen E-Sports-Spielerinnen und Spielern?
«Age of Empires 2» hat eine sehr gesunde Community. Das gilt auch für die Pros. Es gibt wenig Drama. Meistens ist es ein fröhliches Geplänkel. Wir freuen uns füreinander und unterstützen uns gegenseitig.

Ist das Alter ein Problem, bezüglich Reflexen etc?
Ich bin jetzt 31 und habe nicht das Gefühl, dass ich langsamer bin oder schlechtere Reflexe habe als mit 20. Die Verantwortung im wirklichen Leben hat mich eingeholt. Vor zehn Jahren habe ich so viel gespielt, wie ich wollte. Ich musste mir über nichts Gedanken machen. Jetzt muss ich Rechnungen bezahlen, an Partner, Familie, Haustiere denken. Diese Dinge haben einen grösseren Einfluss als die Tatsache, dass ich älter werde.

Weisst du, was du machst, wenn du mal nicht mehr Pro bist?
E-Sport ist noch sehr jung. Wir haben niemanden, der vor 40 Jahren E-Sport-Athlet war. Dasselbe gilt für’s Streaming. Da ist noch niemand in den Ruhestand getreten. Wir befinden uns in einer Lebensphase, in der wir nicht wissen, was als Nächstes auf uns zukommt. Es gibt sehr viele E-Sports-Pros, die mit Ende 20 aufhören, weil sie sagen: Ich hatte meinen Spass. Jetzt muss ich mich für eine «richtige» Karriere entscheiden. Ich kann mir vorstellen, irgendwann mit dem E-Sport aufzuhören. Vielleicht werde ich als Analyst oder in irgendeiner anderen Weise involviert bleiben.

Neben E-Sport-Turnieren streamst du regelmässig. Wie siehst du da deine Karriere?
Ich würde wahrscheinlich auch ohne E-Sport weiter streamen. Wie lange «Age of Empires» überleben wird, ist natürlich auch eine grosse Frage. Wir haben jetzt schon 24 Jahre überlebt und werden sicher weitermachen. Die Zukunft im E-Sport und als Content Creator ist schwer vorauszusagen. Ich hoffe, dass ich noch lange dabei sein kann.

Macht einfach ein besseres ‹Age of Empires 2›.
Ørjan Larsen

Wird «Age of Empires» jemals langweilig?
Es gibt Tage, an denen ich aufwache und denke: Heute habe ich keine Lust, «Age of Empires» zu spielen. Das ist aber selten. Es ist wie mit allem, das man sehr viel macht. Zwischendurch brauchst du eine Pause. Es gab Zeiten, da habe ich ein oder zwei Wochen komplett aufgehört. 2019 hatte ich das Spiel ein wenig satt. Also habe ich eine zweimonatige Auszeit genommen. Aber Forgotten Empires (Das Entwicklungsstudio, anm. d. Red.) machen einen guten Job mit neuen Inhalten und Balance-Änderungen. Das hält das Spiel frisch und hilft mir bei der Motivation, weiterzumachen.

Ist E-Sport für dich mehr Arbeit oder Spiel oder etwas Undefiniertes?
An manchen Tagen fühlt es sich mehr nach Arbeit an, an anderen Tagen spiele ich einfach nur zum Streaming und habe die schönste Zeit meines Lebens. Es kommt sehr auf den Tag an und darauf, was gerade passiert. Es ist irgendwo in der Mitte.

Auch Ørjan hat manchmal die Schnauze voll von «Age of Empires».
Auch Ørjan hat manchmal die Schnauze voll von «Age of Empires».
Quelle: L. Jouve @louisjve

Was nervt dich am meisten an «Age of Empires»?
Wahrscheinlich das Pathfinding (die Wegfindung oder die Suche von optimalen Wegen durch Spielcharakteren, anm. d. Red.). Es gibt immer noch einige Probleme, bei denen sich die Einheiten nicht so verhalten, wie du es willst. Genauso wie die Logik von bestimmten Dingen im Spiel. Aber sie arbeiten auch an einem 20 Jahre alten Spiel. Da gibt es noch einige Probleme aus der Vergangenheit. RNG (Zufälligkeiten im Spiel, anm. d. Red.) und Mönchskonvertierungen, die Wololos (Schlachtruf der Mönche und deren Spitzname, anm. d. Red.). Das ist manchmal nicht sehr lustig.

Was würdest du ändern, wenn du der Game Director wärst – abgesehen von der Wegfindung?
Es gibt kleine Mechaniken im Spiel, die sich nicht gut anfühlen. Zum Beispiel eine einzigartige Technologie, die alle deine Dorfbewohner sofort in Soldaten verwandelt. Das ist mir für «Age of Empires» zu verspielt. Ich würde wahrscheinlich bestimmte zufallsbedingte Aspekte des Spiels abschwächen. Im E-Sport kann RNG zwar unterhaltsam sein, weil es für Spieler und Zuschauer Unvorhersehbarkeit erzeugt. Es kann auch frustrieren, wenn man um Tausende von Dollars kämpft.

Was wäre dein Wunsch für «Age of Empires 5»?
Als echter Wikinger wünsche ich mir, dass die Wikinger auf irgendeine Weise implementiert werden. «Age of Empires 4» hatte den richtigen Ansatz. Es blieb in der Zeit von «Age of Empires 2». Dort hatten sie den grössten Erfolg. Ich würde es gerne dort belassen. Macht einfach ein besseres «Age of Empires 2». Das sagt sich natürlich leicht. Die Zukunft von RTS hat wahrscheinlich viel mit Casual-Inhalten zu tun. Wenn es gelingt, RTS-Spiele so zu gestalten, dass du einfach mit drei Freunden gegen die KI eine Kampagne spielen kannst, wär das sehr attraktiv. Das würde vielen RTS-Spielen helfen.


Am Freitag findet das grosse Finale des Digitec Playground Cup Vol. 11 mit «Age of Empires 2» statt. Ausgetragen werden die Duelle am 13. Oktober live auf der Hauptbühne am Herofest in Bern. Du kannst nicht vorbeikommen? Kein Problem. Die Matches werden live auf Twitch und Youtube übertragen. Moderiert wird das Ganze von den Schweizer «Age of Empires»-Pros Ellie4k und Dave.

Digitec wird auch neben dem Playground-Finale am Herofest anwesend sein: An unserem Stand kannst du gegen uns gamen, neue Hardware testen und basteln. Mehr Infos dazu findest du in diesem Artikel:

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